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Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Maike Albath freut sich auch beim jüngsten Roman von Stefano Benni an seinen unglaublich komischen Einfällen, seiner treffenden Bissigkeit und seinem erzählerischen Charme. Der italienische Satiriker schildert diesmal, wie sich ein Dorf in der Emilia-Romagna gegen einen Immobilieninvestor und Bürgermeister wehrt, deren Plänen nicht nur der Wald, sondern auch die Bar des Ortes zum Opfer fallen sollen. Sie räumt ein, dass dem eingefleischten Benni-Leser so manches bekannt vorkommt. So erinnert die Rahmenhandlung an seinen Roman "Die Zeitspringer", die "serielle" Erzählweise mit ihren vielen Geschichtchen und Abschweifungen wirkt auf Albath mitunter etwas zu routiniert. Dies aber wird nicht zuletzt durch die urkomischen Eingebungen Bennis aufgewogen, versichert die Rezensentin, die in der Auflehnung eines Dorfes nicht zuletzt den "alten kommunistischen Geist", dem die Bewohner der Region seit je her huldigen, in Szene gesetzt findet.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 28.06.2012

Noch ist Italien nicht verloren
Stefano Bennis neuer Roman „Brot und Unwetter“ ist abermals eine Hommage auf die typisch italienische Institution der „Bar Sport“
Die Frage, ob Italien noch zu retten sei, dürfte von Ökonomen, Fußballfans, politisch Aufgeweckten, Kunstfreunden und Liebhabern der alltäglichen italianità unterschiedlich beantwortet werden. Aber man könnte sich vielleicht auf die These einigen: Solange die Institution der italienischen Bar besteht, ist das Land nicht verloren. „Il bar“ stellt nicht nur eine gastronomische Besonderheit dar, für die es anderswo keine wirkliche Entsprechung gibt, sondern auch den Ort, an dem Italien ganz bei sich ist, in einer spezifischen Melange aus Unruhe und Entspannung, Volkstümlichkeit und Eleganz.
Romantiker halten die Bar außerdem für einen Hort der gelebten Demokratie und der politischen Diskussion; den Realisten genügt ihre Funktion als Bühne für Klatsch und Nachbarschaftsstreit, Flirts, Fußballdebatten und Geschimpfe auf den Staat. Heute, unter der Geißel der Globalisierung, ist das Biotop „Bar“ vielfältigen Bedrohungen ausgesetzt: durch amerikanische Coffee Shops, chinesische Übernahmen und die schleichende Preisgabe jener landestypischen Kulturtechniken, die der Schriftsteller Martin Mosebach einmal unter dem Buchtitel „Die schöne Gewohnheit zu leben“ subsumiert hat.
Einer, der früh die Notwendigkeit er-kannte, der Bar ein literarisches Denkmal zu setzen, ist der 1947 geborene Bo-logneser Stefano Benni. Manche sagen, er sei unter den lebenden Autoren Italiens der einzige echte Satiriker. Er selbst mahnt dazu, den Begriff „Satire“ nicht unnütz im Munde zu führen. Wie jeder, der sich im Ernst auf das Genre versteht, ist Benni ein großer Melancholiker. Wie kaum ein anderer hat er den (vom Fußball einmal abgesehen) traurigen Niedergang Italiens in den letzten Jahrzehnten beobachtet und kommentiert, und rückblickend kann er das Fazit ziehen: „Ich bin weder Optimist noch Pessimist. Ich bin klarsichtig.“
Dafür, dass die Berlusconi-Ära das Land nicht vollends verwüstet hat, spricht Bennis dauerhafter Erfolg beim italienischen Publikum. Am Anfang seines buntscheckigen Œuvres, das Romane, Erzählungen, Gedichte, Theaterstücke, Sketche, Kolumnen, ein Filmskript und Regiearbeit umfasst, stand das Buch „Bar Sport“, eine skurrile Typologie der Charaktere, denen die gleichnamigen Etablissements, zumal in der Provinz, als zweites Wohnzimmer dienen. Es erschien 1976, wurde im vorigen Jahr verfilmt und leider bisher nicht ins Deutsche übersetzt. 1997 folgte die Fortsetzung „Bar 2000“, und 1999 fabulierte Benni von einer „Bar auf dem Meeresgrund“. Für ihn ist die Bar vor allem ein Ort, an dem Geschichten erzählt wer-den, doch sieht er Anzeichen dafür, dass diese Tradition, wie so viele schöne Gewohnheiten, allmählich ausstirbt.
Im Mittelpunkt seines jüngsten Romans „Brot und Unwetter“ steht wieder eine „Bar Sport“, die des fiktiven Dörfchens Montelfo. Sie ist bedroht durch das, was in Italien gegenwärtig sehr konkret und großflächig für Verfall und Zerstörung sorgt: Bauspekulation in Verbindung mit politischer Korruption. Das Herz des Dorfes soll herausgerissen, ein Einkaufszentrum an seiner Stelle errichtet werden, und auch der nahe Wald soll weichen, damit Platz für Zufahrtswege frei wird. Der linke Bürgermeister hat sich kaufen lassen und propagiert die Idee, die Bar Stein für Stein abzutragen und im „ökovirtuosen und geodynamischen Gebäudekomplex“ des Centro Commerciale wieder aufzubauen. Aber die Dorfbewohner rebellieren. Und weil Montelfo „Elfenberg“ bedeutet, erhält der Widerstand gegen Bagger und Baukräne, dem Eigensinn der Asterix-Gallier nicht unähnlich, Unterstützung von übernatürlicher Seite.
Das heißt, es geht hier nicht alles mit rechten Dingen zu, so als wäre das Häuf-lein von Spinnern, schrägen Vögeln und gescheiterten Existenzen, das sich täglich in der unprofitabel geführten „Bar Sport“ einfindet, noch nicht surreal genug. Und doch wird ein Einblick in die italienische Realität der letzten fünfzig Jahre vermittelt, der an Schärfe nichts zu wünschen übrig lässt. Denn die Barbesucher erzählen Geschichten, eine nach der anderen, die den Angriff von Fortschritts- und Profitsucht auf ihre Lebenswelt und den grassierenden Medien-Irrsinn samt seinen Schlüsselfiguren und Schlagwortphrasen grell beleuchten.
Stefano Bennis Affinität zum Märchenhaft-Phantastischen, die in früheren Büchern oft ein wenig übers Ziel hinausschoss, ist diesmal mit der politischen Satire eine glückliche Verbindung eingegangen. Carlo Collodi und Giovannino Guareschi werden als seine Vorfahren kenntlich, und dass er mitunter allzu sehr an das Kind im Leser appelliert (die Übersetzung seiner „sprechenden Namen“ in der deutschen Fassung verstärkt diesen Eindruck), wird wettgemacht durch das feinfühlige Plädoyer für Solidarität und Lebensqualität, das seinen Einfallsreichtum grundiert. Hinreißend seine Hommage an eine alte Telefonzelle, unvergesslich sein Bild vom „Presslufthammermenschen, erkennbar an von den Lärmschutz-Kopfhörern modellierten Blumenkohlohren“, oder vom Wald als Orchesterdirigent: „Es gelingt ihm, zwei große Sänger in Szene zu setzen, die ein bisschen neidisch aufeinander sind: Stille und Geräusch.“ Der Wald und die „Bar Sport“ sind am Ende gerettet. Und Italien, daran lässt dieses Buch keinen Zweifel, wird überleben, solange es literarische Stimmen wie diese besitzt.
KRISTINA MAIDT-ZINKE
STEFANO BENNI: Brot und Unwetter. Roman. Aus dem Italienischen von Mirjam Bitter. Verlag Klaus Wagenbach, Berlin 2012. 279 Seiten, 21,40 Euro.
Dieser italienische Wirt dachte schon frühzeitig gesamteuropäisch. Vor seiner Bar wartet er 1959 auf deutsche Touristen. Foto: Gerd Pfeiffer
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