Reise in die Tropen mit der Mauer im Koffer - Die unterschiedlichen Wege der Entwicklungshilfe.
In Zeiten des Kalten Krieges reisten Tausende Engagierte aus der damaligen Bundesrepublik und der DDR nach Nicaragua. Sie wollten die sandinistische Revolution beim Aufbau einer sozial gerechten Gesellschaft unterstützen. Während die DDR-Führung die Solidarität mit Nicaragua zur Staatsdoktrin erklärte, stellte die Regierung der Bundesrepublik ihre staatliche Unterstützung ein. Als Gegengewicht bildeten sich zahlreiche Basisgruppen, die konkrete Hilfe vor Ort leisteten, wie auch in der DDR kirchliche Gruppen ihrer eigenen Wege gingen. Im vorliegenden Buch berichten Reisende aus Ost und West von ihren damaligen Beweggründen, nach Nicaragua zu gehen, von ihren teilweise exotischen Begegnungen mit den Deutschen aus dem jeweils anderen Land und den politischen Rivalitäten. Ausgewertet wurden erstmals auch die Überwachungsprotokolle der Staatssicherheit und geheime Unterlagen zur Militärkooperation. Abschließend stellen Solidaritätsgruppen ihr gegenwärtiges Engagement in Nicaragua vor und wird die heutige Situation im Land kommentiert.
In Zeiten des Kalten Krieges reisten Tausende Engagierte aus der damaligen Bundesrepublik und der DDR nach Nicaragua. Sie wollten die sandinistische Revolution beim Aufbau einer sozial gerechten Gesellschaft unterstützen. Während die DDR-Führung die Solidarität mit Nicaragua zur Staatsdoktrin erklärte, stellte die Regierung der Bundesrepublik ihre staatliche Unterstützung ein. Als Gegengewicht bildeten sich zahlreiche Basisgruppen, die konkrete Hilfe vor Ort leisteten, wie auch in der DDR kirchliche Gruppen ihrer eigenen Wege gingen. Im vorliegenden Buch berichten Reisende aus Ost und West von ihren damaligen Beweggründen, nach Nicaragua zu gehen, von ihren teilweise exotischen Begegnungen mit den Deutschen aus dem jeweils anderen Land und den politischen Rivalitäten. Ausgewertet wurden erstmals auch die Überwachungsprotokolle der Staatssicherheit und geheime Unterlagen zur Militärkooperation. Abschließend stellen Solidaritätsgruppen ihr gegenwärtiges Engagement in Nicaragua vor und wird die heutige Situation im Land kommentiert.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 17.08.2009Tropischer Regen und eine unerträgliche Schwüle
Im Sommer 1979 stürzte in Nicaragua die FSLN (die „Sandinistische Front der Nationalen Befreiung”) die Somoza-Diktatur. Entsprechend den Fronten im damaligen Kalten Krieg formierten sich im geteilten Deutschland Solidaritätsbewegungen unterschiedlichster Couleur. Während die Führung der DDR die Unterstützung für den vermeintlichen neuen Ideologie-Partner zur Staatsaufgabe erklärte, entstanden in Westdeutschland (die BRD hatte jegliche staatliche Unterstützung eingestellt) zahlreiche private Hilfsprojekte. Mit ihrem Buch „Aufbruch nach Nicaragua” wollen die Herausgeber Erika Harzer und Willi Volks diese Anstrengungen – nun, was eigentlich? Vorstellen? Kritisch analysieren? Feiern?
In Essays, historischen Abrissen und Erlebnisberichten erzählen gut 30 Autoren über ihre Arbeit in verschiedenen Entwicklungsprojekten. In selteneren Momenten sind das rührende Geschichten, die etwa die Schwierigkeit deutsch-deutscher Kommunikation selbst in abgelegenen Winkeln der Welt widerspiegeln – sei es aufgrund politischer Restriktionen, ideologischer Vorbehalte oder weil man sich schlicht nichts zu sagen hatte. Das Spannungsfeld zwischen staatlich entsandten DDR-Arbeitern (deren private Affinität sich oft in Grenzen hielt), westdeutschen Freiwilligen (die in Nicaragua einen neuen, gerechteren dritten Weg im Krieg der Ideologien witterten) und einer noch desorientierten, unerfahrenen nicaraguanischen Jungregierung schimmert durch die nostalgischen Erinnerungen.
Leider krankt die Sammlung an ihrem Schwanken zwischen Analyse und Huldigung, zwischen objektiver Beschreibung und subjektiver Wahrnehmung. Streckenweise unnötig polemische Darstellungen („Diese Dokumente sind eine Anklage gegen die hündische Vasallenpolitik der Bundesregierung”) beeinträchtigen die Glaubwürdigkeit. Zudem lesen sich manche Texte wie Reiseberichte in Internetforen („Es war einer dieser Tage, an denen der tropische Regen, gemischt mit tropischer Sonne, eine unerträgliche Schwüle hervorbrachte”), Groschenromane („Bis heute weiß ich nicht, wer damals mein gutaussehender, dunkelhaariger, sympathischer Tanzpartner war. Seine Leidenschaft für Latinomusik hat sich in meiner Erinnerung festgesetzt”) oder enthalten schlicht groteske Anmerkungen („Viele junge Nicaraguaner, die in der DDR studierten, hatten zwar kaum Kontakt zur Bevölkerung, doch gelang es ihnen trotzdem bisweilen, Vater zu werden”).
Was den Leser möglichst nah an das Geschehen bringen soll, verfehlt so sein Ziel, weil zu oft jegliche Distanz verlorengeht. JAKOB BIAZZA
ERIKA HARZER / WILLI VOLKS (Hrsg.): Aufbruch nach Nicaragua. Deutsch-deutsche Solidarität im Systemwettstreit. Christoph Links Verlag, Berlin 2008. 248 Seiten, 19,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.sz-content.de
Im Sommer 1979 stürzte in Nicaragua die FSLN (die „Sandinistische Front der Nationalen Befreiung”) die Somoza-Diktatur. Entsprechend den Fronten im damaligen Kalten Krieg formierten sich im geteilten Deutschland Solidaritätsbewegungen unterschiedlichster Couleur. Während die Führung der DDR die Unterstützung für den vermeintlichen neuen Ideologie-Partner zur Staatsaufgabe erklärte, entstanden in Westdeutschland (die BRD hatte jegliche staatliche Unterstützung eingestellt) zahlreiche private Hilfsprojekte. Mit ihrem Buch „Aufbruch nach Nicaragua” wollen die Herausgeber Erika Harzer und Willi Volks diese Anstrengungen – nun, was eigentlich? Vorstellen? Kritisch analysieren? Feiern?
In Essays, historischen Abrissen und Erlebnisberichten erzählen gut 30 Autoren über ihre Arbeit in verschiedenen Entwicklungsprojekten. In selteneren Momenten sind das rührende Geschichten, die etwa die Schwierigkeit deutsch-deutscher Kommunikation selbst in abgelegenen Winkeln der Welt widerspiegeln – sei es aufgrund politischer Restriktionen, ideologischer Vorbehalte oder weil man sich schlicht nichts zu sagen hatte. Das Spannungsfeld zwischen staatlich entsandten DDR-Arbeitern (deren private Affinität sich oft in Grenzen hielt), westdeutschen Freiwilligen (die in Nicaragua einen neuen, gerechteren dritten Weg im Krieg der Ideologien witterten) und einer noch desorientierten, unerfahrenen nicaraguanischen Jungregierung schimmert durch die nostalgischen Erinnerungen.
Leider krankt die Sammlung an ihrem Schwanken zwischen Analyse und Huldigung, zwischen objektiver Beschreibung und subjektiver Wahrnehmung. Streckenweise unnötig polemische Darstellungen („Diese Dokumente sind eine Anklage gegen die hündische Vasallenpolitik der Bundesregierung”) beeinträchtigen die Glaubwürdigkeit. Zudem lesen sich manche Texte wie Reiseberichte in Internetforen („Es war einer dieser Tage, an denen der tropische Regen, gemischt mit tropischer Sonne, eine unerträgliche Schwüle hervorbrachte”), Groschenromane („Bis heute weiß ich nicht, wer damals mein gutaussehender, dunkelhaariger, sympathischer Tanzpartner war. Seine Leidenschaft für Latinomusik hat sich in meiner Erinnerung festgesetzt”) oder enthalten schlicht groteske Anmerkungen („Viele junge Nicaraguaner, die in der DDR studierten, hatten zwar kaum Kontakt zur Bevölkerung, doch gelang es ihnen trotzdem bisweilen, Vater zu werden”).
Was den Leser möglichst nah an das Geschehen bringen soll, verfehlt so sein Ziel, weil zu oft jegliche Distanz verlorengeht. JAKOB BIAZZA
ERIKA HARZER / WILLI VOLKS (Hrsg.): Aufbruch nach Nicaragua. Deutsch-deutsche Solidarität im Systemwettstreit. Christoph Links Verlag, Berlin 2008. 248 Seiten, 19,90 Euro.
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