Was sollte man einem Mann raten, um vor dem 60. Geburtstag einen Herzinfarkt zu vermeiden? Psychologische Beratung? Männer gehen nicht zu Psychologen, BEVOR sie einen Herzinfarkt bekommen haben. Man könnte einem solchen Zeitgenossen aber vorschlagen, ein Buch von Michael Hertig zu lesen, welches
wesentlich mehr zu bieten hat als Moritäten. Hertigs autobiografischer Roman beginnt im alten…mehrWas sollte man einem Mann raten, um vor dem 60. Geburtstag einen Herzinfarkt zu vermeiden? Psychologische Beratung? Männer gehen nicht zu Psychologen, BEVOR sie einen Herzinfarkt bekommen haben. Man könnte einem solchen Zeitgenossen aber vorschlagen, ein Buch von Michael Hertig zu lesen, welches wesentlich mehr zu bieten hat als Moritäten. Hertigs autobiografischer Roman beginnt im alten Westberlin mit illustren Namen und schillernden Orten, was schon neugierig macht (prominente Freunde, zwischen den Gags auftauchend, erscheinen auf den Textzeilen immer mit dem jeweiligen Statusauto), das alles begleitet von Schrullen des Alltags und Zeichen einer pubertären Depression des Romanhelden, welche der Leser sehr wohl zwischen den Lachsalven wahrnimmt, ohne dass sich der Protagonist davon abhalten lässt, ein Leben auf der Überholspur zu führen. Die Moral fehlt im Buch, nur die sensible Beschreibung „Auf welchen Wegen bin ich da gelandet wo ich jetzt bin?“ witzig, traurig, unterhaltsam. Der Held versucht, seiner Depression tatsächlich davonzufahren, bis der Tank leer ist. Der Autor, den manche als Klinikarzt aus dem Fernsehen kennen, ist in seinen Filmrollen einer, dem „nichts Menschliches fremd ist“. Im realen Leben ist es, wie man erfährt, ebenso.
In der Romanhandlung surft der Protagonist auf guten GeschäftsIdeen, immer auf der Suche nach der perfekten Welle. Sein Problem: er ist ein Wertschöpfer, nur selten ein Wertabschöpfer der Arbeit Anderer. Das ganze Milieu ist spannend und im Buch zu lesen. Es ist der Markt, der ihre Gespräche bestimmt, fast alles was miteinander gesprochen wird und voneinander gefragt. Die perfekte Welle ist mehrmals im Roman da, doch wer kann da stehenbleiben und ankommen?
Der Held ahnt, dass die Wellentäler zwischen den Kicks des Lebens ihn immer wieder zu einer Zwangsbewegung bringen, die Körper und Geist erfasst, aus der er nicht einfach aussteigen kann, indem er einfach aufhörte zu surfen. Surfen ist längst zu einer Lebensweise geworden. Die Freunde tun es ebenso. Die gewonnene Freude in Form satter Geldbündel wird in Kerosinschleifen um den Erdball verwandelt und an den Stränden dieser Welt rausgeschmissen, es fließt in Sylt in den Sand, und jeder zeigt jedem, dass Geld keine Rolle spielt. Alle Beteiligten sind Teil einer Gruppendynamik, die den Leser, vielleicht aus dessen eigenem langweiligem Leben, mitnimmt auf erregende Momentaufnahmen, nach Kapstadt, Rio oder New York. Alle sind Teil einer Fiktion. Diese Fiktion ist nach vielen Seiten offen für Unkonventionelles und Abenteuerliches, doch sie hat eine heimliche Prämisse: Geld, viel davon. Als das Geld versiegt, bricht die Fiktion zusammen. Wer vermuten würde, dass die Romanhandlung damit ihren Höhepunkt erreicht, liegt falsch. Der Held macht die erfüllende Erfahrung, dass es innerhalb der Geschäftswelt menschelt, dass er einfach gemocht wird weil es ihn gibt, dass er Hilfe bekommt und Vertrauen. Er beginnt, einen Gedanken zu fassen: Das Wasser, auf dem er gesurft ist, ist kein Wasser. Es ist sein Leben. Doch was ist unter der Welle? Fast alles.