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Die Ära Brandt und der Abschied vom Kalten Krieg
"Wir wollen ein Volk der guten Nachbarn sein und werden, im Innern und nach außen." Als Willy Brandt seine erste Regierungserklärung als Bundeskanzler mit diesen Worten beendet, kündigt er damit einen bis dahin undenkbaren Umschwung in der Außenpolitik der Nachkriegszeit an.
Gottfried Niedhart begibt sich auf die Spuren des ersten Sozialdemokraten im Kanzleramt: Analysestark und mit Blick fürs Detail beschreibt er die Maxime und Ideen der Ostpolitik Willy Brandts und geht ihrem Erfolg auf den Grund. Welche Handlungsspielräume hatte die
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Produktbeschreibung
Die Ära Brandt und der Abschied vom Kalten Krieg

"Wir wollen ein Volk der guten Nachbarn sein und werden, im Innern und nach außen." Als Willy Brandt seine erste Regierungserklärung als Bundeskanzler mit diesen Worten beendet, kündigt er damit einen bis dahin undenkbaren Umschwung in der Außenpolitik der Nachkriegszeit an.

Gottfried Niedhart begibt sich auf die Spuren des ersten Sozialdemokraten im Kanzleramt: Analysestark und mit Blick fürs Detail beschreibt er die Maxime und Ideen der Ostpolitik Willy Brandts und geht ihrem Erfolg auf den Grund. Welche Handlungsspielräume hatte die Bundesregierung zwischen 1969 und 1974 und was können wir uns heute von ihr lernen?
Innovativer Blick auf die Politik in der zweiten Formationsphase der Bundesrepublik Zwei deutsche Staaten: Brandts "Politik der kleinen Schritte" und die Annäherung an die DDRParadigmenwechsel: eine neue Sichtweise auf den historischen Begriff "Kalter Krieg"Annäherung durch Kommunikation: Wie Willy Brandt den Frieden mit dem Ostblock sicherte und die Spaltung Europas aufhob
Wendepunkt in der deutschen Geschichte: Wandel durch Annäherung

Anfang der 60er-Jahre teilt der Konflikt zwischen den USA und der Sowjetunion die Welt. Der Ausbruch eines Atomwaffenkrieges scheint jederzeit möglich. Erst die "Ära Brandt" leitet die außenpolitische Wende ein: Mit Deeskalation und Entspannungspolitik stellt die sozial-liberale Regierung unter Willy Brandt Weichen für den Fall des Eisernen Vorhangs und das Ende des Kalten Krieges.

Auch den übrigen Ostblockstaaten gegenüber setzt sich Brandt für eine Normalisierung der Beziehungen ein: 1970 reist er als erster Bundeskanzler in die DDR und bricht mit dem Tabu innerdeutscher Staatsbesuche. Sein Kniefall von Warschau geht als große Geste der Wiedergutmachung in die polnisch-deutsche Geschichte ein. Nicht nur Historikern, sondern auch allen politisch interessierten Lesern zeigt dieses Sachbuch analytisch fundiert die Bedeutungund Wirkweise der Kommunikation in der Außenpolitik auf - damals wie heute!
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.01.2020

Latent offensiv
Mit viel Sympathie für den Protagonisten: Eine Geschichte der Brandt'schen Ostpolitik

Die Zeit zwischen 1945 und 1990 wird oft als die Zeit des Kalten Krieges beschrieben, die durch den Antagonismus zwischen dem von den Vereinigten Staaten geführten Westen und dem von der Sowjetunion dominierten Osten geprägt wurde. Der Mannheimer Historiker Gottfried Niedhart will den Begriff des Kalten Krieges allerdings nur für die Zeit zwischen 1948 und den 1960er Jahren gelten lassen. Danach, so Niedhart, habe eine neue, durch die Entspannungspolitik geprägte Epoche begonnen, die gleichwohl durch den Ost-West-Konflikt geprägt worden sei. Die Neue Ostpolitik der Bundesrepublik Deutschland war aus dieser Perspektive der Höhepunkt der Entspannungspolitik und beendet daher die Phase des Kalten Krieges.

Was aber unterscheidet die Phase der Entspannungspolitik von jener des Kalten Krieges? Niedhart nennt drei wesentliche Unterschiede. Zum einen habe sich die Kommunikation im Rahmen des Ost-West-Konfliktes in der Mitte der 1960er Jahre geändert. Zu diesem Zeitpunkt setzte ein Prozess ein, in dem neue gesellschaftliche Akteure als Mittler aktiv wurden. Das gilt beispielsweise für westliche Journalisten, die das östliche Europa und die Sowjetunion bereisten und von dort Bilder vermittelten, die in den westlichen Medien in den 1950er Jahren unbekannt waren. Auch Vertreter der westlichen Unternehmen, wie etwa Berthold Beitz, entdeckten neue Tätigkeitsfelder in Osteuropa. Gleiches gilt für die Kirchen und auch Wissenschaftler. Ebenso bedeutsam war, dass sich auch die Kommunikation im Rahmen der Diplomatie wandelte. Willy Brandt und Egon Bahr entwickelten Vertrauensverhältnisse zu Politikern in Osteuropa, die im Rahmen der medialen Kommunikation auch öffentlich dargestellt wurden. Besonders eindrucksvoll wirkte in diesem Zusammenhang die Inszenierung des Treffens von Brandt mit dem sowjetischen Staats- und Parteichef Leonid Breschnew auf der Krim im September 1971. Auch die geheimen Gesprächskanäle zwischen dem Bundeskanzleramt und wichtigen Protagonisten in Washington und Moskau waren im Vergleich zu den 1950er Jahren neue Kommunikationsinstrumente, die zentral waren für die Entstehung der Neuen Ostpolitik.

Der zweite wichtige Unterschied zum Kalten Krieg der 1950er Jahre war der aufrichtige Friedenswille, der die Phase der Ostpolitik prägte. "Nicht Demokratie und Menschenrechte, nicht einmal die Freiheit, sondern der Frieden muss global der oberste Wert bleiben", formulierte Willy Brandt. Diese Ansicht wurde in Osteuropa grundsätzlich geteilt und war daher die gemeinsame Basis der Neuen Ostpolitik wie der Entspannungspolitik insgesamt.

Gleichwohl gab es auf beiden Seiten zum Teil erhebliche Zweifel an dieser Prämisse. Insbesondere in Washington gab es Ängste, dass die weltpolitisch unerfahrenen Bonner Politiker gegenüber der Sowjetunion zu naiv auftreten und somit den Westen insgesamt schwächen könnten. In der deutschen Opposition wurden ähnliche Befürchtungen laut. Gleichwohl kann Gottfried Niedhart zeigen, dass die Verantwortlichen in Osteuropa ihre Friedensbekundungen in dieser Phase ernst meinten.

Schließlich betont der Autor die Dynamik der Entspannungspolitik. Hier allerdings lag in der Tat ein Zielkonflikt zwischen West und Ost. Während Egon Bahr auch öffentlich verkündete, dass das Ziel der Neuen Ostpolitik die Überwindung der Teilung Europas und Deutschlands sei, lag das Hauptinteresse der osteuropäischen Staaten in der Fixierung des Status quo. Die osteuropäischen Regierungen erwarteten vor allem die Anerkennung der durch den Zweiten Weltkrieg geschaffenen politischen Grenzen in Europa. Der latent offensive Charakter der Ostpolitik wurde in Osteuropa auch erkannt. In der Tat vertrauten Brandt und Bahr darauf, dass mit der Öffnung der osteuropäischen Gesellschaften für westliche Einflüsse auch ein struktureller Wandel in Osteuropa beginnen würde.

Auch wenn keineswegs alle Erwartungen an die Entspannungspolitik erfüllt wurden und diese in der Mitte der 1970er Jahre durch verschiedene Faktoren gar in Frage gestellt wurde, so betont der Autor doch den langfristigen Charakter der Entspannungspolitik. Die Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE), die gleichzeitig mit der Neuen Ostpolitik vorbereitet wurde, dient ihm hierzu als Beleg. Die im Rahmen der Entspannungspolitik neu geschaffenen Strukturen, neue Kommunikationswege und der unbedingte Wille zum Frieden, waren auch hier entscheidend. Diese Prinzipien wurden auch von den Nachfolgern Brandts und Bahrs geteilt und fortgesetzt.

Gottfried Niedhart hat sich seit Jahrzehnten mit der Neuen Ostpolitik beschäftigt und ist sicher einer der besten Kenner dieses Problems. Mit souveräner Übersicht bewegt er sich durch einen äußerst heterogenen Quellenkorpus. Dass hin und wieder seine große Sympathie für Willy Brandt und die Neue Ostpolitik durchscheint, mag man ihm gerne verzeihen.

GUIDO THIEMEYER.

Gottfried Niedhart: Durch den Eisernen Vorhang. Die Ära Brandt und das Ende des Kalten Kriegs.

WBG Theiss, Darmstadt 2019. 304 S., 28,- [Euro].

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»Gottfried Niedhardt hat sich seit Jahrzehnten mit der Neuen Ostpolitik beschäftigt und ist sicher einer der besten Kenner dieses Problems. Mit souveräner Übersicht bewegt er sich durch einen äußerst heterogenen Quellenkorpus.« FAZ