Schon auf Seite 9 kam mir der Verdacht, dass der Autor von "Tanz auf dem Vulkan" nicht besonders sorgfältig recherchiert hat. Da wird ein Foto untertitelt mit "Trubel vor der Gedächtniskirche bei der Ankunft der historischen Lokomotive "Adler". Um 1927". Zum einen existiert die historische "Adler"
schon seit der Mitte des 19. Jahrhunderts nicht mehr, zum anderen sieht man auf dem Foto nur den…mehrSchon auf Seite 9 kam mir der Verdacht, dass der Autor von "Tanz auf dem Vulkan" nicht besonders sorgfältig recherchiert hat. Da wird ein Foto untertitelt mit "Trubel vor der Gedächtniskirche bei der Ankunft der historischen Lokomotive "Adler". Um 1927". Zum einen existiert die historische "Adler" schon seit der Mitte des 19. Jahrhunderts nicht mehr, zum anderen sieht man auf dem Foto nur den Nachbau der "Adler" von 1935, also wurde das Foto frühestens 10 Jahre später aufgenommen. Nun, damit war mein Misstrauen erst einmal geweckt. Als ich dann aber ein anderes Foto entdeckte, das angeblich von 1930 stammte, auf dem man aber ein Plakat vom erst 1945 gedrehten Film "Rhapsody in Blue" sieht, und dieses auch noch mit "Filmbühne Wien" (am Kurfürstendamm) bezeichnet war, wurden meine grundsätzlichen Zweifel schon wieder bestätigt. Das Foto zeigt weder die Filmbühne, noch ist es von 1930. Wahrscheinlich ist es nicht einmal Berlin. Kleinere Nachlässigkeiten und unnötig ungenaue Bildlegenden gibt es noch weitere, nachvollziehbare Quellenverweise, die zur tatsächlichen Herkunft oder Datierung der Fotos beitragen würden, fehlen weitgehend. Alle Bilder stammen aus einer einzigen Quelle, nämlich von akg-images, einem kommerziellen Fotoarchiv.
Nun kann man von Einzelfällen nicht auf das Ganze schließen, aber die Angaben sollte man jedenfalls mit Vorsicht betrachten. Das Ziel des Buches ist auch, die Atmosphäre der Zwanzigerjahre darzustellen, und das gelingt ihm recht gut. Berlin erscheint als sehr technikaffine, fortschrittsgläubige und vergnügungssüchtige Metropole, die wie eine Insel im Deutschen Reich liegt. Das Buch thematisiert allerdings so gut wie nicht die bittere Armut und Arbeitslosigkeit, die eben auch zu den Zwanzigern gehört. Insofern wird nur die glänzende Seite der Medaille gezeigt, aber das ist vom Autor ausdrücklich beabsichtigt.
Ein interessanter Blick in die Goldenen Zwanziger, die eigentlich nur in Berlin stattfanden und auch nicht sehr lange dauerten. Mit der Weltwirtschaftskrise war alles schnell vorbei. Die teilweise groben Recherchepatzer und ungenauen Bildlegenden haben mich trotz des interessanten Konzepts sehr gestört.