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Westberlin, graue Insel im grauen DDR-Meer, die achtziger Jahre wollen einfach nicht zu Ende gehen. Nick hat einen schrottigen Job bei einer namhaften Hamburger-Braterei. Daneben spielt er in der Band "Adolf and the Peopels", deren Musik nicht viel besser klingt als ihr Name. Endzeitstimmung ist immer noch ziemlich en vogue, trotzdem muss doch irgendwie ein Sinn im Leben zu finden sein. Kunst? Liebe? Kampfsport? Auf einer Party lernt Nick die traurige Frau mit den zwei Katzen kennen. Jacky ist schön, sehr schön. Und rätselhaft, sehr, sehr rätselhaft. Nick schnallt's überhaupt nicht mehr. Dabei hatte er doch vorher schon null Durchblick ...…mehr

Produktbeschreibung
Westberlin, graue Insel im grauen DDR-Meer, die achtziger Jahre wollen einfach nicht zu Ende gehen. Nick hat einen schrottigen Job bei einer namhaften Hamburger-Braterei. Daneben spielt er in der Band "Adolf and the Peopels", deren Musik nicht viel besser klingt als ihr Name. Endzeitstimmung ist immer noch ziemlich en vogue, trotzdem muss doch irgendwie ein Sinn im Leben zu finden sein. Kunst? Liebe? Kampfsport? Auf einer Party lernt Nick die traurige Frau mit den zwei Katzen kennen. Jacky ist schön, sehr schön. Und rätselhaft, sehr, sehr rätselhaft. Nick schnallt's überhaupt nicht mehr. Dabei hatte er doch vorher schon null Durchblick ...
Autorenporträt
Tägert, FilFil Tägert, Jahrgang 1966, lebt in Berlin. "Mitarbeiter des Monats" ist nach "Pullern im Stehn" sein zweiter Roman.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.11.2016

So sieht's mal aus
Noch eine Tauchfahrt ins Jahrzehnt der Trottel: Fil hat seinen zweiten Rückblick-Roman geschrieben

Berlin mal wieder, dieses hirngepiercte Luder von einer Stadt. Wieder war man drei Jahrzehnte cooler als der Rest der Welt: Gruselclowns gab es hier nämlich bereits in den erzkaputten Achtzigern, lehrt uns der neuste Krachbumm-Pikaroroman aus dem partyunterkellerten Hause Rowohlt. Outfittechnisch orientiert sich der junge Antiheld Nick (eigentlich Thomas, noch eigentlicher wohl Philip, genannt Fil), der sich selbst für einen Punk hält, an der Stilikone Ronald McDonald mit seinen roten Vierzehn-Loch-Doc-Martens-Tretern, der "auch sonst ziemlich clockwork-orange-mäßig rüberkam und dem man nachts lieber nicht begegnen wollte". Dass dieses Mode-Statement dem Protagonisten um 1985 viel genützt hätte, kann man nicht sagen: Einzig "Doris Klitoris", eine übergewichtige Skinheadbraut, scheint davon angetan. Und auch der Versuch, "faschistoide Kleidungsvorschriften und Normen bei uns Unnormalen" spielerisch zu hinterfragen, indem man in McDonald's-Uniform auf einem Nick-Cave-Konzert aufkreuzt, geht hier ziemlich in die Hose.

Wo nun das Böse bereits zweimal beim Namen ("McDonald's") genannt wurde, sei auch gleich der unerbittlichste Running Gag des Buches angedeutet: Unser cool auftretender, aber natürlich die Liebe suchender Tunichtgut, der ohne jeden Elan als Burgerbrutzler arbeitet, schafft es einfach nicht, den mies bezahlten Job zu verlieren, um mit seiner Band Adolf and the Peoples endlich ein berühmter Punk oder überhaupt irgendetwas zu werden. Sosehr er auch aufmuckt, sooft er auch kündigt, es springt allenfalls eine Beförderung zum Schichtleiter heraus. Und in der Tat, so waren die Achtziger, in denen es selbst an Universitäten unmöglich war, nicht Professor zu werden. Man nahm einfach jeden für alles. So sah das Land dann ja auch aus.

Nicks Selbstfindungsversuche erstrecken sich neben der Musik auf Malerei, Kung-Fu und sinnloses Zeitverdödeln mit den Kumpeln Burner, La Boum, Rocky, Milbe und Speichel, das in authentischen "Hehehehe"- und "So sieht's mal aus"-Dialogen abgebildet wird. Sein eigentliches Interesse freilich gilt - hormonell bedingt - dem Frauenkennenlernen, das trotz regelmäßiger Besuche der legendären Disko "Linientreu" hinter den Erwartungen zurückbleibt. Aus der Not heraus scheint der Held sogar kurz geneigt, den Avancen von "Faschosau" Doris nachzugeben: "Woher kamen diese kranken Gedanken? Vom Fettgeruch? Drang der Fettdunst in unsere Zellen und veränderte sie?" Aber dann kommt es doch noch zu tapsigen Annäherungen an die romantische Jacky, die reiche Kim, die durchtriebene Sonja. Ohne phallozentrische Missverständnisse geht das nicht ab. Nun je.

Dazwischen aber haut der Autor immer wieder Sätze von zeppelinpraller Lakonie heraus: "Wir sahen für sie aus wie Idioten mit unseren Clockwork-Orange-Clownsuniformen, aber wir hatten immerhin das Gleiche an. Das ist immer gut, wenn man es mit Schlägern zu tun hat, weil die dann denken: Wo zwei sind, könnten auch mehr sein - Schlägermathematik." Oder: "Das ist das eigentlich Beste an der Zeit: dass sie vergeht. In diesem Aspekt ähnelt sie einem Furz." Oder: "Nach einer Weile kam der Manager alleine zurück. Ich weiß, bestimmt war es nicht so, aber das sah für uns so aus, als hätte er Lotti aufgegessen." Hier hat man kurz den überragenden Fil vor sich, den Erschaffer der unablässig flatulierenden und erbrechenden Comic-Helden "Didi & Stulle" (bis heute Pflichtausstattung von WG-Toiletten, obwohl es keine neuen Abenteuer mehr gibt), die bühnengestählte, schlagfertige Rampensau, die spielend ganze Hallen unterhält, indem sie mit der Handpuppe Sharkey streitet oder Marie Antoinette einen Hip-Hop zum Niederknien widmet (anzusehen auf Youtube).

Und ebendas ist wohl das Problem des Buches: Fil ist ein Schnacker, der mit endloser Energie von Anekdote zu Anekdote springt. Bei der Bühnenshow hat das Zugkraft, in einem Roman wirkt es ermüdend. Auch der Stil des lässigen Unterlaufens jeder Stilerwartung verliert in der Schriftfassung mit der Zeit an Glanz. Da helfen auch bemüht unbeholfene Leseransprachen nicht weiter: "Das sind Metaphern, das checkt ihr, oder? Ich war nicht wirklich nackt." So ist es auch nicht wirklich ein Roman, was man hier vor sich hat, sondern komödiantisches Fastfood, ein grotesker Achtziger-Jahre-Eintopf aus kaum zusammenhängenden Lach- und Sachgeschichten, die im Hinblick auf den schlichten Plot und die derbe Komik nicht allzu weit entfernt sind vom Ohnsorg-Volkstheater, über das sich der Erzähler nur wundern kann: "Für uns Fernsehkuckkinder der siebziger Jahre war das damals zu hundert Prozent gut genug gewesen."

Vielleicht gibt es zu viele kopfschüttelnde Achtziger-Jahre-Rückblickromane. Für "gut genug" ist Fil jedenfalls viel zu gut: Man will ihn einfach live und mit Gitarre sehen.

OLIVER JUNGEN

Fil Tägert: "Mitarbeiter des Monats". Roman.

Rowohlt Verlag, Reinbek 2016. 304 S., geb., 19,95 [Euro].

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Liest sich wie eine Punk-Edition von Sven Regeners 'Herr Lehmann'. Schnoddrig und sehr witzig. Cosmopolitan