Annett Gröschner ist eine leidenschaftliche Sammlerin: Sie sammelt Lebensgeschichten, sie sammelt Alltag, und sie sammelt Städte. Ob in Alexandria, Kasan oder Peking - immer besteigt sie Bus oder Straßenbahn der Linie 4, denn die fährt in Bezirke, die den wahren Charakter der Stadt enthüllen. In ihrem Fahrtenbuch erzählt sie von ihren Begegnungen: In der 4 in Tartu wird viel geküsst; in Tel Aviv sitzt sie neben einer jungen Soldatin, deren Gewehr ihr an die Hüfte drückt. Über das Heute dringt Annett Gröschner in das Gestern vor und verknüpft souverän Geschichte mit Politik, Architektur-mit Literaturgeschichte, Abenteuer mit Lebensphilosophie - unprätentiös und poetisch, warmherzig und lustmachend.
"Die Städtesammlerin" versammelt hauptsächlich Reportagen aus dem 2012 erschienenen Buch "Mit der Linie 4 um die Welt".
"Die Städtesammlerin" versammelt hauptsächlich Reportagen aus dem 2012 erschienenen Buch "Mit der Linie 4 um die Welt".
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Welch verrückte und welch charmante Idee. Annett Gröschner, gebürtige Magdeburgerin, fuhr in ihrer Kindheit immer mit der Straßenbahn Linie Nr. 4. Als Vielreisende beschließt sie, überall auf der Welt Straßenbahnen zu suchen, die ebenfalls die Nummer 4 tragen - und einzusteigen. Natürlich ist das eine willkürliche, vielleicht banale Klammer für ein Reisebuch - aber der Autorin gibt sie die Gelegenheit, überall Impressionen zu sammeln, zu verdichten, aufzuschreiben. Quasi als eine fahrende Flaneurin steigt sie in Alexandria in die älteste Straßenbahn Afrikas und erfährt, dass Fahrpläne sinnlos sind, weil der Verkehr keine regelmäßigen Zeiten erlaubt. Mit dem Trolleybus durchs kasachische Astana kreuzt sie vor Plattenbauten, in Berlin schummelt sie ein bisschen; weil ihr die Linie 4 nicht gefällt, greift sie auf die historische Vorgängerin zurück, die heute als Bus M 10 einer Rundtour folgt. In Istanbul hofft sie, eine Fähre mit der 4 zu finden, die zwischen Europa und Asien pendelt. Doch die Fähren sind nicht numeriert, schließlich fährt sie mit einem Bus, der den Stadtteil Kadiköy auf der anatolischen Seite umrundet. Gröschner erforscht auf diese Weise Budapest und Bielefeld, Minsk und Manhattan, Reykjavik und Riga, um nur ein paar Orte zu nennen. Ihre Impressionen unterfüttert sie mit Geschichte und Gegenwart der bereisten Städte, und man versteht, warum sie schreibt: "Ich mochte diesen gleichzeitigen Blick nach innen und außen." Eine Fahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln erlaubt Reisenden Einblicke in den Alltag, erlaubt Teilnehmen aus der Distanz.
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"Mit der Linie 4 um die Welt" von Annett Gröschner. DVA Verlag, München 2012. 400 Seiten. Gebunden, 22,99 Euro.
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»Mein Lieblingsbuch der Herbstsaison: Annett Gröschner - 'Mit der Linie 4 um die Welt'.« die tageszeitung, 06.10.2012