Ein Rheinländer in Ost-Berlin - von 1980 bis 1983 fotografierte Wendelin Bottländer auf mehreren Reisen in die damalige Hauptstadt der DDR, den östlichen Teil der Spreemetropole, ihren Alltag zwischen dezenter Farbigkeit und tristem Grau, zwischen postuliertem Fortschritt, Stillstand und Verfall. Es gelingen ihm einzigartige und - beim bevorstehenden Grenzübertritt auf der Rückfahrt - gewagte Porträts einer urbanen Landschaft wie Detailstudien eines Alltags, der längst historisch ist. Ursprünglich für den Abdruck in Zeitschriften gedacht, liegen nun viele dieser besonderen Aufnahmen in diesem Band in Erstveröffentlichung vor.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.10.2019Golden strahlen die Schokobananen
Schon wieder ein Fotobuch über die DDR. Schon wieder Plattenbauten und Trabis. Dreißig Jahre nach dem Ende von alledem! Alles grau und mürbe, hundertmal gesehen. Der Fotograf heißt Wendelin Bottländer. Ein Blick auf seine kurze Biographie aber macht das Buch auf einmal interessant. Hier ist ein Westdeutscher, noch dazu ein Rheinländer, Anfang der achtziger Jahre immer wieder nach Ost-Berlin gereist und hat dort alles fotografiert, was für ihn ungewöhnlich war. Der Anlass war ein Auftrag des F.A.Z.-Magazins, aber die meisten Fotos werden in dem Buch zum ersten Mal gezeigt. Ungewöhnlich war für Bottländer eigentlich das ganze Leben in der DDR. Und so hat er es eingefangen und bewahrt. Und wer eigentlich erinnert sich noch so genau, wie die Schaufenster damals aussahen, die Kleidung der Menschen, das Geschirr im Restaurant, die Mittagsmahlzeiten, das Kuchenangebot beim Bäcker, die Auslagen im Obst- und Gemüsegeschäft, die Posterwände, Kleingärten und Wohnungseinrichtungen? Auch die Zeitungskioske hat Bottländer fotografiert, einschließlich der mit Wäscheklammern befestigten Zeitschriften. Oder den Inhalt eines Einkaufswagens mit grauem Klopapier, goldenen Schokobananen und klumpigem "Kristall-Speisesalz". Als hätte er geahnt, dass diese Welt bald untergehen würde und wenigstens im Bild bewahrt sein sollte. Wer diese Welt miterlebt hat, sagt sich beim Blättern auf jeder Seite: Genau so war es. Die Fotos wollen anklagen oder karikieren, nicht verherrlichen. Sie zeigen den DDR-Alltag, wie ihn Millionen erlebten. Nur ganz am Schluss gibt es einige Aufnahmen von der Grenze. Bei wem sich bis dahin Nostalgie eingestellt haben sollte, der wird auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt: Diese Welt ist untergegangen - zum Glück.
F.P.
"Bunt und grau. Ost-Berlin 1980 bis 1983" von Wendelin Bottländer, mit einem Text von Bernd Lindner. Mitteldeutscher Verlag, Halle 2019. 128 Seiten, viele Farbfotos. Gebunden, 18 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Schon wieder ein Fotobuch über die DDR. Schon wieder Plattenbauten und Trabis. Dreißig Jahre nach dem Ende von alledem! Alles grau und mürbe, hundertmal gesehen. Der Fotograf heißt Wendelin Bottländer. Ein Blick auf seine kurze Biographie aber macht das Buch auf einmal interessant. Hier ist ein Westdeutscher, noch dazu ein Rheinländer, Anfang der achtziger Jahre immer wieder nach Ost-Berlin gereist und hat dort alles fotografiert, was für ihn ungewöhnlich war. Der Anlass war ein Auftrag des F.A.Z.-Magazins, aber die meisten Fotos werden in dem Buch zum ersten Mal gezeigt. Ungewöhnlich war für Bottländer eigentlich das ganze Leben in der DDR. Und so hat er es eingefangen und bewahrt. Und wer eigentlich erinnert sich noch so genau, wie die Schaufenster damals aussahen, die Kleidung der Menschen, das Geschirr im Restaurant, die Mittagsmahlzeiten, das Kuchenangebot beim Bäcker, die Auslagen im Obst- und Gemüsegeschäft, die Posterwände, Kleingärten und Wohnungseinrichtungen? Auch die Zeitungskioske hat Bottländer fotografiert, einschließlich der mit Wäscheklammern befestigten Zeitschriften. Oder den Inhalt eines Einkaufswagens mit grauem Klopapier, goldenen Schokobananen und klumpigem "Kristall-Speisesalz". Als hätte er geahnt, dass diese Welt bald untergehen würde und wenigstens im Bild bewahrt sein sollte. Wer diese Welt miterlebt hat, sagt sich beim Blättern auf jeder Seite: Genau so war es. Die Fotos wollen anklagen oder karikieren, nicht verherrlichen. Sie zeigen den DDR-Alltag, wie ihn Millionen erlebten. Nur ganz am Schluss gibt es einige Aufnahmen von der Grenze. Bei wem sich bis dahin Nostalgie eingestellt haben sollte, der wird auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt: Diese Welt ist untergegangen - zum Glück.
F.P.
"Bunt und grau. Ost-Berlin 1980 bis 1983" von Wendelin Bottländer, mit einem Text von Bernd Lindner. Mitteldeutscher Verlag, Halle 2019. 128 Seiten, viele Farbfotos. Gebunden, 18 Euro.
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