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18 Tagebuch-Hefte (in zwei Bänden) werden hier erstmals veröffentlicht. Sie enthalten Eintragungen aus den drei Jahrzehnten zwischen 1936 und 1966 - in sehr unterschiedlicher Dichte und unterschiedlicher Nähe zum eigenen Erleben.

Produktbeschreibung
18 Tagebuch-Hefte (in zwei Bänden) werden hier erstmals veröffentlicht. Sie enthalten Eintragungen aus den drei Jahrzehnten zwischen 1936 und 1966 - in sehr unterschiedlicher Dichte und unterschiedlicher Nähe zum eigenen Erleben.
Autorenporträt
Kaschnitz, Marie LuiseMarie Luise Kaschnitz wurde am 31. Januar 1901 in Karlsruhe geboren und wuchs in Potsdam und Berlin auf. Nach einer Ausbildung zur Buchhändlerin arbeitete sie beim O.C. Recht Verlag in München und in einem Antiquariat in Rom. Nachdem sie den Archäologen Guido Kaschnitz von Weinberg geheiratet hatte, begleitete sie ihn auf mehrere seiner Forschungsreisen und wohnte u.a. in Rom, Marburg und Königsberg, nach 1941 vor allem in Frankfurt am Main. Nach der Geburt ihrer Tochter 1928 begann sie zu schreiben - Romane, Erzählungen, Essays und Gedichte. Ihr erster Roman Liebe beginnt erschien 1933. Ab 1950 widmete sie sich zudem zunehmend dem Hörspiel. Sie wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet und war Mitglied u.a. des P.E.N.-Zentrums der Bundesrepublik Deutschland, der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung und der Bayerischen Akademie der Schönen Künste. Sie starb am 10. Oktober 1974 in Rom.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 15.04.2000

Ein Leben voller Orte
Zum Erscheinen der Tagebücher von Marie Luise Kaschnitz
Die erste Regung bei der Lektüre ist leise Enttäuschung. Ist diese, den sieben Bänden der Gesammelten Werke angeglichene Publikation der 18 Notizbücher aus dem Nachlass der Dichterin nicht eher überflüssig? Es handelt sich um die ungekürzte Wiedergabe der privaten Aufzeichnungen, die sie am 31. Januar 1936, ihrem 35. Geburtstag, begonnen und bis zum Mai 1966 mit vielen Unterbrechungen fortgesetzt hat: fast tausend Seiten Text. Die Eintragungen wirken relativ unpersönlich; das authentische Ich, das man in solchen Tagebüchern doch eigentlich sucht, findet man eher in den fiktiven Texten der Kaschnitz. Wir haben es vor allem mit einer Sammlung von Material zu tun, das in das literarische Werk transformiert, manchmal auch direkt übernommen wurde. Diese Diarien unterscheiden sich also grundsätzlich nicht nur von a priori zur Veröffentlichung bestimmten Tagebüchern wie denen von Gide, Julien Green oder Jünger, sondern auch von den bekenntnishaften Selbstgesprächen und Rechenschaftsablagen, wie wir sie beispielsweise von Kafka, Thomas Mann, Pavese, Nossack kennen.
Mit einer gewissen Ungeduld liest man sich durch die ersten hundert Seiten, die zwar mit einer verheißungsvoll eindringlichen Skizze des in Königsberg dirigierenden Furtwängler einsetzen – „Unaufhörliches Vibrieren und Zucken des Gesichtes, des Kopfes. In die Knie Gehen Locken Beschwören Bedrohen Abwehren Dämpfen Bitten Flehen” –, sich dann aber in Notizen verlieren, die ihre Funktion als bloße Gedächtnisstütze nur zu deutlich erkennen lassen.
Es genügt, die eine Seite über Königsberg in Marie Luise Kaschnitz’ letztem Prosawerk Orte nachzulesen, um sich den Prozess der unerhörten Verdichtung vor Augen zu führen, die ein jahrzehntelang zurückliegender Lebensstoff (Guido von Kaschnitz hatte 1936 eine Professur in Königsberg) erfahren hat. Das sehr lehrreiche Exerzitium solchen Vergleichens lässt dann bald die provisorischen Aufzeichnungen in einem ganz anderen Licht erscheinen. Nur der oberflächliche Blick vom literarischen Werk auf seine im Journal festgehaltenen Vorstufen entwertet diese als erledigtes Konzept. Das Glück, schreibt Paul Valéry, ist die grausamste Waffe in den Händen der Zeit. Der scheinbar harmlose Alltag, könnte man allgemeiner sagen, gibt seine Essenz erst preis, wenn er von einer außergewöhnlichen Erinnerungskraft in die Sprache der Dichtung übersetzt ist. Und diese Essenz ist gar nicht mehr harmlos, sondern tief unheimlich, weil an ihr das Grauenvolle des Zeitverrinnens erst fühlbar wird.
Im September 1963 notiert die Kaschnitz: „L. über B. , ganz richtig: Sie sieht die tragische Existenz des Menschen noch nicht. ” Diese Eintragung zitiert sie in ihrem Mainzer Vortrag von 1965 über „Das Tagebuch des Schriftstellers” und bemerkt dazu, sie sei ihr nachgegangen; „immer wieder habe ich mich darüber besonnen, wann eigentlich und wodurch eigentlich der Mensch erfährt, dass seine Existenz eine tragische ist”. Die Notiz wurde zum Kern der Erzählung „Zu irgendeiner Zeit”. „Zu irgendeiner Zeit und auf irgendeine Weise muss man es erfahren”, lautet der erste Satz. Dieses „es” ist in der Dokumentation des Erlebens nicht zu finden; die Erfahrung des Tragischen, der Schmerz und die Trauer, die ihm gelten, werden erst in der literarischen Gestaltung wirklich und das im Tagebuch sprechende Ich, kommt, weil es eben das Ich einer Schriftstellerin ist, erst im künstlerischen Ausdruck zu sich. Diese Merkbücher bieten also im Hinblick auf das Werk hochinteressante und bewegende Einblicke in das Verwandlungswunder, das sich bei der poetischen Transformation eines recht unauffälligen, die eigene Person keineswegs übertrieben wichtig nehmenden, durch keinerlei Stilisierungen und Sentimentalitäten sich in Szene setzenden Daseins begibt.
Am vernehmlichsten reden die Tagebücher der Kaschnitz gerade dann, wenn der Celansche „Neigungswinkel zum Verstummen” ihren Stil bestimmt. Die Erschütterung durch Naziterror und Krieg, Auschwitz und Hiroshima, im Privaten durch den Verlust der hoch begabten Schwester Lonja und des unendlich geliebten Mannes, die beide der gleichen grausamen Krankheit zum Opfer fielen, wird um so nachhaltiger spürbar, je zurückhaltender sie sich mitteilt. Mit sanfter Unausweichlichkeit zieht der unprätentiöse Ton dieser immer wieder verstummenden, aber auch immer wieder anhebenden Tagebuch-Stimme in ihren Bann. Die nie sich erschöpfende sinnliche und intellektuelle Neugier einer Frau, deren Werk die deutsche Literatur im dritten Viertel des 20. Jahrhunderts eine ihrer Unvergesslichkeitsgarantien verdankt, springt auf den Leser über. Wie gern würde er seiner Dichterin auch in ihre letzten acht Jahre folgen. Aber: „Schriftsteller schreiben Gedächtnistagebücher meist nur, wenn sie gerade nicht intensiv arbeiten”, hieß es im Mainzer Vortrag von 1965. In den späten Jahren entstanden neben herrlichen Gedichten („Kein Zauberspruch”) ihre schönsten Prosawerke, in denen das Tagebuch als Kunstform triumphiert: Tage, Tage, Jahre, Steht noch dahin, dann die Aufzeichnungen Orte – zum Ende eines Lebens, „das voller Orte war” (Arnold Stadler).
ALBERT VON SCHIRNDING
MARIE LUISE KASCHNITZ: Tagebücher aus den Jahren 1936-1966. Hrsg. : Christian Büttrich, Marianne Büttrich, Iris Schnebel-Kaschnitz. Nachwort: Arnold Stadler. Zwei Bde. Insel Verlag, Frankfurt/M. 2000. 1340 S. , 148 Mark.
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

In einer sehr ausführlichen Besprechung begrüßt Hanns-Josef Ortheil euphorisch die Herausgabe von Kaschnitz` Tagebüchern. Die Aufzeichnungen sind keine Selbstauskunft über das Innenleben, sie enthalten so gut wie nichts "Intimes" und sind keine psychischen Auseinandersetzung mit der Außenwelt, stellt der Rezensent fest. Stattdessen sei das Tagebuch ein Reservoir von "Weltbrocken", die dann in den Prosawerken der Autorin weiterverarbeitet wurden. Ortheil schwärmt von den Tagebüchern als "poetisches Wunderwerk", die die literarische Entwicklung Kaschnitz` verständlich machten. Zudem lobt er begeistert den Anmerkungsapparat der Herausgeber, der manch rätselhafte Stelle erhelle und zum Verständnis unbedingt erforderlich sei. So könne es passieren, dass man sich im Anmerkungsteil geradezu festlese, denn er enthalte "Geschichten" und mache die "Doppelbödigkeit" mancher Eintragungen der Autorin transparent.

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