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Bayern wird gerne mit Stabilität und Wohlstand in Verbindung gebracht. Bayern steht für »gelebte Tradition, jahrhundertealte Kultur. Bayern ist Erfolg, Lebensqualität und Spitzenleistungen« (CSU), ja mithin »die Vorstufe zum Paradies« (Horst Seehofer). Wie steht es aber um diese Tradition, wenn man nur wenige Jahrhunderte in diesem Paradies zurückgeht? Werfen wir einen Blick auf die Realität um 1800!In den letzten Jahren des 18. Jahrhunderts, kurz bevor Bayern zum Königreich wurde, erstellt der Kurpfalzbaierische General-Landesdirektionsrat Joseph von Hazzi ein monumentales Werk über die…mehr

Produktbeschreibung
Bayern wird gerne mit Stabilität und Wohlstand in Verbindung gebracht. Bayern steht für »gelebte Tradition, jahrhundertealte Kultur. Bayern ist Erfolg, Lebensqualität und Spitzenleistungen« (CSU), ja mithin »die Vorstufe zum Paradies« (Horst Seehofer). Wie steht es aber um diese Tradition, wenn man nur wenige Jahrhunderte in diesem Paradies zurückgeht? Werfen wir einen Blick auf die Realität um 1800!In den letzten Jahren des 18. Jahrhunderts, kurz bevor Bayern zum Königreich wurde, erstellt der Kurpfalzbaierische General-Landesdirektionsrat Joseph von Hazzi ein monumentales Werk über die Realitäten des Landes: Statistische Aufschlüsse über das Herzogthum Baiern. In 9 Bänden, auf über 4.000 Seiten sammelt Hazzi Daten und Fakten. Hazzi zählte buchstäblich jedes Haus in Altbayern.Doch zwischen Zahlen und Tabellen finden sich detailversessene Beschreibungen und Erzählungen. Hazzi berichtet auch von den Bräuchen, Trachten und Traditionen, vom Zustand des Landes und der Menschen, der Bildung und der Aufklärung. Bei aller Nüchternheit erweist er sich dabei als bedingungsloser Menschenfreund und radikaler Religionskritiker. Seine Ansprüche und Forderungen gelten bis heute, sie gelten überall. Wer sagt, dass früher alles besser war, der wird hoffentlich auch weiterhin Unrecht haben. Denn früher war, hoffentlich auch weiterhin, alles schlechter.Der von Tobias Roth herausgegebene Band versammelt diese teils lakonischen, teils reich kolorierten Beschreibungen zu einem Panorama Bayerns um 1800: Eine ganz vertraute und völlig fremde Welt.
Autorenporträt
JOSEPH VON HAZZI (1768-1845), Sohn eines Maurermeisters aus Abensberg, studierte in München und Ingolstadt Philosophie und Rechtswissenschaften. Ab 1793 arbeite er als Verwaltungsbeamter im Herzogtum und dann Königreich Bayern und wurde für seine Arbeit 1816 geadelt. Er arbeitete versessen an aufklärerischen Reformen, besonders im Gebiet der Landwirtschaft, und schrieb unermüdlich. Seine Statistischen Aufschlüsse erschienen von 1801 bis 1808.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 10.10.2019

Das bayerische Elend
Joseph von Hazzi schilderte vor zwei Jahrhunderten in unerreichter Opulenz, wie
die Menschen damals lebten und dachten. Nun gibt es eine komprimierte Fassung
VON HANS KRATZER
Erlangen – „Früher war alles besser!“ Dieser Satz wird gerade in der unübersichtlichen Gegenwart gerne zitiert. Wie falsch er ist, belegen sehr eindrucksvoll die Schilderungen des einstigen Verwaltungsbeamten Joseph von Hazzi (1768-1845). Sie ermöglichen uns Einblicke in das Bayern vor 200 Jahren, in dem fast alles viel schlechter war als heute. Wir blicken in ein Land, in dem Aberglauben, Hunger, Mangel und das blanke Elend herrschten. Wie finster die Situation damals war, schildert Hazzi mit stechender Deutlichkeit: „Das Brod ist durchgängig schlecht; nirgends ißt man Fleisch“, schrieb er über Wolfratshausen, und über Kelheim: „Überhaupt ist die ganze Kleidung noch sehr sklavenmäßig und arm. Auch die Kost harmonisiert damit.“
Hazzi, ein geborener Abensberger, verfasste sein Hauptwerk am Ende des 18. Jahrhunderts. Auf der Basis einer Volkszählung schilderte er in monumentalem Umfang die Realitäten des Landes. Die Daten und Fakten, die er sammelte, füllten am Ende neun Bände mit 4000 Seiten. Unter dem Titel „Statistische Aufschlüsse über das Herzogthum Baiern“ nimmt dieses Werk in der bayerischen Landes- und Literaturgeschichte bis heute einen anerkannten Rang ein. Zwischen Statistiken, Zahlen und Tabellen finden sich detaillierte Beschreibungen und Erzählungen. Hazzi berichtet von Bräuchen, Trachten und Traditionen, vom Zustand des Landes, der Menschen und der Bildung. Er schuf damit die ersten systematischen Beschreibungen und Erhebungen dieser Art über Bayern. Wer sich dem 1801 bis 1808 erschienenen Werk leicht lesbar nähern will, kann jetzt auf ein Buch zurückgreifen, in dem Hazzi auf gut 250 Seiten quasi in Kurzfassung dargeboten wird. Der von Tobias Roth im Erlanger Homunculus Verlag herausgegebene Band versammelt eine Auswahl dieses grandiosen Bayern-Panoramas, das sich aus heutiger Sicht einerseits als eine durchaus vertraute und dann doch wieder völlig fremde Welt offenbart.
Hazzi schildert beispielsweise auch die Verbohrtheit der damaligen Bevölkerung, die sich, gebeugt vom Untertanenstaat, dennoch gegen jedwede Neuerung sperrte. Ähnlichkeiten zu manchen heutigen Bayern flackern nicht nur einmal auf. Die latente Engstirnigkeit schildert Hazzi am Beispiel Kötzting: „Es gibt hier keine Straßen, und jede Verbindung der Gegend ist wie abgeschnitten. Um von einem Ort zum andern zu kommen, riskirt man Leib und Leben. Ungeheure Steine versperren die Wege; Jeder sucht sie glücklich zu passiren, aber Niemand denkt daran, sie wegzuschaffen und den Weg zu bahnen.“
Herausgeber Roth bemerkte beim Nachschlagen in Hazzis Werk schnell, wie riesenhaft die statistischen Aufschlüsse sind – „und dass er eben zu Orten etwas sagt, zu denen sich sonst kaum jemand äußert.“ Es ist eine wahre Fundgrube, da er keinen Ort ausließ und auch keine menschliche Regung. In Viechtach fiel ihm auf: „Sie überlassen sich dem Genuss der Liebe ohne Rückhalt, und leider! oft gar viel zu frühe.“ Das lässt einen schmunzeln, aber trotzdem ist das Buch nicht geeignet, Nostalgie zu wecken. Vieles ist verheerend, sagt Roth. „Ich kann mir heute niemanden vorstellen, der damals leben möchte.“
Nachdenklich stimmt Hazzis Anmerkung zum einstigen Problem, in Bayern gebe es „zu viel Wald und zu wenige Menschen“. Die französische Armee, die 1800 an München vorbeizog, war tatsächlich dreimal so groß wie die Stadt München, die erst 40 000 Einwohner zählte. Außerdem wird im Buch überdeutlich, was Segnungen wie Elektrizität, Penizillin und Wasserversorgung später für eine Wirkung entfalteten. Dennoch verorten manche, wenn sie einen schlechten Tag haben, in jener Vergangenheit ein Paradies – weil es eben die modernen Zumutungen noch nicht gab.
Realien aus der guten alten Zeit. Alltag und Elend im Herzogtum Bayern. Joseph von Hazzi. Hrsg. von Tobias Roth, Homunculus Verlag, 2019.
Die Bedrückungen der Untertanen seien groß, aber es gebe reichlich Natur, und ihr Zustand sei gut, schrieb Hazzi über das Landgericht Straubing. Der Stich zeigt die Stadt Straubing im frühen 19. Jahrhundert.
Foto: Imago
Joseph von Hazzi war Jurist im Staatsdienst und eifriger Aufklärer. 1816 wurde er geadelt.
Foto: Museum Abensberg/Gemeinfrei
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