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Paul Ingendaay erklärt den Deutschen spanische Lebensart
Die Gebrauchsanweisung für Spanien wendet sich nicht an den üblichen deutschen Touristen, der auf die Kanaren, Balearen oder an die Costa del Sol reist, um sich zu bräunen, sondern an die Reisenden, die das eigentliche, noch nicht vertouristete Spanien kennenlernen möchten. Zur Einführung wie zur Vertiefung ihrer Reise präsentiert ihnen der derzeitige Kulturkorrespondent der FAZ in Madrid, Paul Ingendaay, mit leichter Feder einen Reigen persönlicher Erlebnisse, erhellender wie nützlicher Betrachtungen und kurzer Einblicke in die spanische Geschichte, etwa in die vergeblichen Bemühungen Philipps II, einen zentralistischen Staat aufzubauen, oder in den gewaltfreien Übergang vom FrancoFaschismus zur Demokratie.
Zu lesen ist von einer Vielzahl spanischer Eigenheiten: vom Essen, von den zerstrittenen Regionen und ihren Sprachen, ebenso wie von der Angewohnheit der Spanier, laut zu sprechen und sich ständig gegenseitig zu unterbrechen. Nur den sprichwörtlichen Stolz der Spanier sucht man vergebens, denn für charakteristischer hält Ingendaay ihren Großmut. Auch hält er sich nicht lange bei der berüchtigten spanischen Neigung zu makabrer Grausamkeit auf, wie sie sich im Stierkampf oder in den retablos der Kirchenaltäre auslebt, sondern erklärt einfach die Frage für unentscheidbar, ob in Spanien nun Lebensbejahung oder Todeskult vorherrsche.
Unfreiwillig kurios wirkt die Gebrauchsanweisung hingegen, wenn Ingendaay sich bemüht, seinen deutschen Lesern spanische Verhältnisse als etwas für sie schlichtweg Unbegreifliches näherzubringen. Kurios deshalb, weil der Graben zwischen Deutschland und der Spanien längst nicht mehr so tief ist, wie er früher einmal war und wie er für Ingendaay, der 1998 nach Spanien ging, noch heute ist. Denn wer kennt heute in Deutschland nicht auch die Verzweiflung Ingendaays, der mit seinen telefonischen Reklamationen immer wieder bei einer anderen Dame landete, ohne dass je etwas geschehen wäre? Und wem wäre auf deutschen Straßen die von Ingendaay als spanisch deklarierte Sitte des dichten Auffahrens noch fremd?
Von den deutlichen Unterschieden, die Ingendaay zwischen Deutschland und Spanien sieht, haben zwei allerdings nach wie vor Bestand: der andere Umgang Spaniens mit der faschistischen Vergangenheit und die andere Einstellung zur eigenen Sprache. Denn die Spanier, so Ingendaay, lieben ihre Sprache und achten ihre Dichter als Sprachkünstler. Sachte und sinnvoll werde die Rechtschreibung des Spanischen reformiert. Eine Sprachvergewaltigung, wie sie die deutsche Rechtschreibreform uns antat und -tut, wäre in Spanien undenkbar. Interessanterweise hält Ingendaay übrigens diese Liebe, diesen Stolz auf die eigene Sprache für den eigentlichen Grund, warum das Spanische zur zweiten Weltsprache avancierte.
Ingendaays Gebrauchsanweisung ist gut zu lesen, instruktiv und amüsant. Es fehlt ihr allerdings an Eigentümlichkeit und Originalität, wie sie noch Anfang des 20. Jahrhunderts Reisebücher zumeist auszeichneten. Sie wirft keinen persönlichen Blick auf Spanien, wie man es von Ingendaay als einem profunden Kenner der spanischen Literatur hätte erwarten dürfen, sondern ist nichts weiteres als eben eine „Gebrauchsanweisung”, den Belangen und Klischees des flüchtig interessierten Lesers weithin angepasst.
FRANZISKA MEIER
PAUL INGENDAAY: Gebrauchsanweisung für Spanien. Piper Verlag, München 2002. 182 Seiten, 12,90 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
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