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1817 fuhr Karl Drais, studierter Forstlehrer und damals noch Freiherr, auf einem bisher nie gesehenen Fuhrwerk aus Mannheim hinaus. Im Vorjahr hatte es einen totalen Ernteausfall gegeben - mit Hungersnot, Futtermangel und Pferdesterben. Was man damals nicht wusste: Der Vulkanausbruch des Tambora 1815 östlich von Bali hatte den Globus mit einer Aerosolschicht überzogen, die durch Abkühlung eine derartige Klimakatastrophe verursacht hatte. Drais wollte mit seiner Laufmaschine, dem Urfahrrad auf zwei Rädern, die bedrohtenReitpferde ersetzen.Zum 200jährigen Jubiläum des Fahrrads präsentiert der…mehr

Produktbeschreibung
1817 fuhr Karl Drais, studierter Forstlehrer und damals noch Freiherr, auf einem bisher nie gesehenen Fuhrwerk aus Mannheim hinaus. Im Vorjahr hatte es einen totalen Ernteausfall gegeben - mit Hungersnot, Futtermangel und Pferdesterben. Was man damals nicht wusste: Der Vulkanausbruch des Tambora 1815 östlich von Bali hatte den Globus mit einer Aerosolschicht überzogen, die durch Abkühlung eine derartige Klimakatastrophe verursacht hatte. Drais wollte mit seiner Laufmaschine, dem Urfahrrad auf zwei Rädern, die bedrohtenReitpferde ersetzen.Zum 200jährigen Jubiläum des Fahrrads präsentiert der Drais-Biograph Hans-Erhard Lessing seine verblüffenden Erkenntnisse über die erstaunliche Karriere dieser Mobilitätsidee im ganzen Abendland, bevor Fahrverbote und die aufkommende Eisenbahndem Fortschritt ein Ende setzten.Mit transkribierten Originaltexten und kolorierten Kupferstichen.
Autorenporträt
Lessing, Hans-ErhardProf. Dr. habil. Hans-Erhard Lessing (_ 1938) war Professor für Physikalische Chemie an der Universität Ulm und als Hauptkonservator an Museen in Mannheim und Karlsruhe tätig. Seit den 1980er Jahren wurde er vor allem durch seinen Einsatz für einen Paradigmenwechsel in der Technikgeschichte bekannt, nämlich das Fahrrad historisch als Wegbereiter des Automobils anzuerkennen. Im Zuge dessen wurde er zum ausgewiesenen Experten für die Geschichte des Fahrrads, die ihn unweigerlich zu Karl Drais führte. Zum 200jährigen Jubiläum des Fahrrads erscheint nun mit vielen bisher unveröffentlichten Farbbildern die Geschichte seiner Anfänge im damaligen Deutschland und seiner Verbreitung bis in die USA und sogar nach Kalkutta.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.11.2017

Eine Welt, zwei Räder
Hans-Erhard Lessing kurvt durch die Fahrradgeschichte

Der deutsche Papst beharrt auf seinem Dogma: Es war der Ausbruch des indonesischen Vulkans Tambora im Jahr 1815, der dazu führte, dass der Reichsfreiherr von Sauerbronn, Karl Drais, am 12. Juni 1817 mit dem von ihm entwickelten Laufrad aus Eschenholz seine erste erfolgreiche Ausfahrt unternahm. Der Papst, das ist der Technik-Historiker Hans-Erhard Lessing, Jahrgang 1938, der einen Ruf zu verteidigen hat - gilt er doch als der Forscher, der das Fahrrad als Vorfahre des Automobils in den Stammbaum der Mobilitätsgeschichte verankert hat.

Aber sein Insistieren auf dem Zusammenhang zwischen Vulkanausbruch und Geistesblitz des Karl Drais - globale Missernten trafen in der Folge der Aschewolken auch Deutschland, erzeugten unter anderem Haferknappheit und befeuerten so die Ideen für pferdelosen Transport - hat mittlerweile einigen Widerspruch ausgelöst. Gerade für die Rheinebene, wo sich Drais aufhielt, scheint Lessings Beweislage umstritten. Zuletzt hat sich Johann-Günther König in "Fahrradfahren" (Reclam, 2017) an Lessings These abgearbeitet.

Der legt nun im Jubeljahr der weltverändernden Erfindung eine hübsch aufgemachte Kulturgeschichte vor, die den mittlerweile auch in diversen Ausstellungen zum Jubiläum (F.A.Z. vom 15. November 2016) gut dokumentierten Weg vom Laufrad über die Rollschuhe, Hochrad und das Kurbelveloziped, die Erfindung von Drahtspeichenrad und pneumatischem Gummireifen, von Diamantrahmen bis hin zum E-Bike unserer Tage nachzeichnet. Der Durchgang streift Alltags-, Mentalitäts- und Sozialgeschichte und gelegentlich sogar die Weltpolitik: Dass die Entwicklung des Rads im späten neunzehnten Jahrhundert maßgeblich von englischen Tüftlern vorangetrieben wurde, versuchten die Nationalsozialisten propagandistisch zu verschleiern, indem sie so taten, als hätten Benz, Daimler und Maybach aus dem Nichts heraus das Auto erfunden.

Der Boom des neuen Massentransportmittels ging, wie oft bei neuen Technologien, auf Kosten anderer Branchen. Erst traf es die Pferde, dann wurde weniger geraucht und getrunken - und die Amerikaner kauften weniger Klaviere, weil das halbe Land auf ein Fahrrad sparte. Bis die Motorisierung andere Begehrlichkeiten weckte. Lessing widmet sich auch dem Einfluss der Fahrrads auf die Emanzipation der Frauen und auf die Mode, Radsport interessiert ihn weniger, obendrein hält er sich sehr lange im vorletzten Jahrhundert auf.

Beklagt der Autor im Vorwort den Prestigeverfall des Fahrrads und seine Ablösung durch Motorrad und Automobil, sieht er am Ende einen Silberstreif am Horizont durch den derzeitigen Trend zum individualisierten Fahrrad. Freilich widmet er der zweiten Hälfte der Fahrradgeschichte, dem zwanzigsten Jahrhundert, nur ein Achtel seines Buches. Die Rennradentwicklung - die keinesfalls stagniert - interessiert ihn kaum, das Aufkommen von BMX, Mountainbike und E-Bike wird nur kurz gestreift, da hätte man gern mehr gelesen. Schließlich ist das Rad bei all seiner technischen Reife noch keineswegs am Ende.

hhm

Hans-Erhard Lessing:

"Das Fahrrad".

Eine Kulturgeschichte.

Klett-Cotta Verlag,

Stuttgart 2017. 255 S.,

geb., Abb., 20,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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