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Ernst Günther Schenck (1904-1998) war einer der vielen Mediziner, die sich dem Nazi-Regime andienten. Der Sohn aus gutbürgerlichem Haus erwarb zwei Doktortitel. Nach Hitlers Machtübernahme wurde er Mitglied der NSDAP und der Waffen-SS. Er engagierte sich für die im 'Dritten Reich' forcierte 'wissenschaftliche Naturheilkunde', bevor diese angesichts der militärischen Anforderungen gegenüber der konventionellen Medizin wieder in den Hintergrund geriet. In seiner Eigenschaft als Ernährungsfachmann beriet er während des Zweiten Weltkriegs Herbert Backe, den Staatssekretär im Ernährungsministerium,…mehr

Produktbeschreibung
Ernst Günther Schenck (1904-1998) war einer der vielen Mediziner, die sich dem Nazi-Regime andienten. Der Sohn aus gutbürgerlichem Haus erwarb zwei Doktortitel. Nach Hitlers Machtübernahme wurde er Mitglied der NSDAP und der Waffen-SS. Er engagierte sich für die im 'Dritten Reich' forcierte 'wissenschaftliche Naturheilkunde', bevor diese angesichts der militärischen Anforderungen gegenüber der konventionellen Medizin wieder in den Hintergrund geriet. In seiner Eigenschaft als Ernährungsfachmann beriet er während des Zweiten Weltkriegs Herbert Backe, den Staatssekretär im Ernährungsministerium, der entschied, wer im Krieg wie viel zu essen bekam. Schenck hatte Kenntnisse von Massakern an Juden in der Sowjetunion und von den Lebensbedingungen in Ostarbeiterlagern und in Konzentrationslagern. Er war zudem verantwortlich für medizinisch sinnlose Ernährungsversuche an Häftlingen im KZ Mauthausen.Ein in den 1960er Jahren deshalb gegen ihn angestrebtes Ermittlungsverfahren wurde eingestellt. Schenck gelang es mit zahlreichen Publikationen, die mediale Öffentlichkeit in der Bundesrepublik für sich einzunehmen, nicht zuletzt mit seinem Buch 'Patient Hitler' von 1989. Das bislang jüngste Beispiel für die wohlwollende Rezeption ist der Film 'Der Untergang' - hier wird Schenck als selbstlos für die Verwundeten der letzten Kriegstage wirkender Arzt gezeigt, ohne Hinweis auf seine Vorgeschichte.
Autorenporträt
Gine Elsner, Prof. Dr., geboren 1943 in Hamburg, bis 2009 Direktorin des Instituts für Arbeitsmedizin des Fachbereichs Medizin der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt am Main. 2009 gab sie bei VSA das Buch von Fanny Englard, 'Vom Waisenhaus zum Jungfernhof. Deportiert von Hamburg nach Riga: Bericht einer Überlebenden' heraus.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.02.2011

Entlarvt
Ernst Günther Schenk

Die langjährige Direktorin des Instituts für Arbeitsmedizin an der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt am Main wurde 1989 auf ein Buch mit dem Titel "Patient Hitler" von Ernst Günther Schenk aufmerksam. Es hatte mehrere positive Besprechungen erhalten, doch kein Rezensent nahm Anstoß daran, dass Schenk im Nachwort seine eigenen Mitgliedschaften in NSDAP, NS-Ärztebund, SA sowie Waffen-SS erwähnte. Eine kritische Rezension ihrerseits führte dazu, dass sie ein Einschreiben Schenks erhielt: Er bezichtigte sie der Verleumdung und der Lüge. Schenk starb 1998. Zehn Jahre später konnte die Autorin Akten eines eingestellten Ermittlungsverfahrens gegen Schenk wegen Mordes, Mordversuchs oder Beihilfe zum Mord bei "Ernährungsversuchen" im KZ Mauthausen einsehen.

Gine Elsner zeigt an Schenk beispielhaft den Aufstieg eines derjenigen deutschen Mediziner auf, die - wie schon Michael H. Kater über "Ärzte als Hitlers Helfer" ausführte - "das nationalsozialistische Klima nutzten, um auf jede erdenkliche Weise eine wissenschaftliche Karriere zu machen". Katers Vorwurf, auch Schenk habe die eigene Rolle im NS-Unterdrückungssystem verschwiegen, findet jetzt eine Bestätigung. Schenk war zunächst Chefarzt in München und Berater des "Instituts für Heilpflanzenkunde und Ernährung" in Dachau. Der dortige große Kräutergarten wurde von dem Kommando "Plantage", etwa 1500 Häftlinge aus dem Konzentrationslager Dachau, unterhalten. Von 1939 bis 1945 leitete Schenk die Abteilung "Krankenernährung" bei der Reichsärztekammer in Berlin. Er besuchte in dieser Funktion auch das KZ Auschwitz-Birkenau sowie das Lager der "Ostarbeiter" beim Volkswagenwerk. Im September 1942 ordnete Heinrich Himmler an, SS-Sturmbannführer Schenk solle sich als "Ernährungsinspekteur" um die "Ernährungsversuche" im KZ Mauthausen kümmern. Über diese Versuche sowie die Sterblichkeit unter den beteiligten Häftlingen war bis 1968 eigentlich genug veröffentlicht worden. Doch ließ ein ihn entlastendes Gutachten die Aufnahme eines Prozesses gegen Schenk nicht zu. Bei der Firma Chemie Grünenthal in Stolberg konnte er daher ungestört bis zu seiner Pensionierung arbeiten und dann den Ruhestand genießen.

REINER POMMERIN

Gine Elsner: Heilkräuter, "Volksernährung", Menschenversuche. Ernst Günther Schenck (1904-1998): Eine deutsche Arztkarriere. VSA Verlag, Hamburg 2010. 142 S., 12,80 [Euro].

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