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Produktdetails
  • Verlag: Manutius
  • 1., Aufl.
  • Seitenzahl: 248
  • Deutsch
  • Abmessung: 210mm x 125mm
  • Gewicht: 358g
  • ISBN-13: 9783925678820
  • ISBN-10: 3925678824
  • Artikelnr.: 07720221
Autorenporträt
Bettina von Arnim, geb. Elisabeth Catharina Ludovica Magdalena Brentano, auch Bettine; geb. am 4. April 1785 in Frankfurt am Main; gest. 20. Januar 1859 in Berlin) war eine deutsche Schriftstellerin und bedeutende Vertreterin der deutschen Romantik
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.01.1999

Lieber Kronprinz!
Knetversuche: Der Briefwechsel zwischen Karl und Bettine

Begleitet von seinem Hofmarschall und seinem Militärgouverneur, traf im März 1841 Kronprinz Karl von Württemberg in Berlin ein. Sein Vater, König Wilhelm, wollte seinen Sohn hier drei Semester studieren lassen und bat Bettine von Arnim in einem Brief, sich des Achtzehnjährigen anzunehmen. Die verwitwete sechsundfünfzigjährige Bettine unterhielt in Berlin einen Salon, und da Bettines Töchter mit einigen Preußenprinzen befreundet waren, schien dem Königsvater in Stuttgart die Arnimsche Familie ein gediegener Umgang für seinen einzigen Sohn zu sein. Ein Biograph Karls charakterisiert den jungen Mann als "weich und musisch veranlagt" und - ein leichtes Stirnrunzeln ist nicht zu übersehen - "empfindsam und gehemmt, vor allem aber unsoldatisch". Varnhagens Urteil fällt härter aus, für ihn ist der Kronzprinz ein "wirrer, schauspielender, ungezogener, launenhafter und schwachmüthiger Phantast".

Zu Bettines Lieblingsbeschäftigungen gehörte es, junge Männer erziehen zu wollen. Zuerst sollte es gleich die ganze deutsche Studentenschaft sein, der sie ihr Buch "Die Günderode" (1840) gewidmet hatte. Als die sich aber nicht in der Autorin Sinne erziehen lassen wollte, sollten es die Fürsten sein. Schon in ihrem vielgelesenen "Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde" (1835) hatte sie dem Publikum vorgeflunkert, welch wohltätigen Einfluß sie auf König Ludwig I. von Bayern schon in dessen Kronprinzenzeit habe ausüben können. Danach kamen dann Erbgroßherzog Karl Alexander von Sachsen-Weimar-Eisenach und der preußische Kronprinz und spätere König Friedrich Wilhelm IV. an die Reihe. Der weiche und sehr anhängliche, Musik und Blumen liebende Karl von Württemberg erschien als geradezu ideal, einen künftigen Herrscher nach Bettines Vorstellungen zu formen. Von 1841 bis 1844 korrespondierten sie miteinander.

Das zitierte Urteil Varnhagens gibt Bettines Einschätzung des neuen Zöglings wieder, auch ihre Erkenntnis, daß aus dem jungen Karl schwerlich ein "Volkskönig" Bettinescher Prägung zu kneten war. Die Herausgeberinnen des Briefwechsels meinen, der Kronprinz sei "von Intensität und Dichte der Gespräche mit Bettine schlicht überfordert" gewesen. Das mag sein, aber liest man die Monologe Bettines, so hätten sich auch intelligentere Naturen von diesen verschwafelten Freiheitsideen "schlicht überfordert" gesehen.

Denn was da über das Verhältnis von Volk und Monarchen vorgetragen wird, vermeidet das real Umsetzbare. Einmal wird sie fast konkret. Karl hatte ihr geschrieben, er besuche regelmäßig die Zuchthäuser, Militärhospitäler und "Narrenhäuser" seines Landes, um sich von deren Beschaffenheit ein Bild zu machen. Erschüttert spricht er von psychisch Kranken, die er beobachtet, und von den "trüben" und "leidenden" Gesichtern der Häftlinge. "Mich führte die Liebe zu den Menschen durch diese traurigen Gemächer."

Statt nun den jungen Thronfolger für sein Engagement zu loben und ihm endlich auch einmal Reformvorschläge zu machen, bekommt Karl gehörig den Kopf gewaschen. Wozu Gefängnisse und Zuchthäuser? Überflüssig. "O laßt die Verbrecher nicht entgelten, daß Ihr sie dazu gemacht habt", denn an jedem Verbrechen sei nur der Staat, die Gesellschaft schuld. Also weg mit allen Gefängnissen. Eine Alternative? Die kennt sie nicht. Das Verbrechen mache sich aus den "schönsten Geheimnissen einer geistigen Anlage als Caprizzio - oder auch als Salto mortale Luft". Der Mord als schöne Kunst betrachtet. Auch "Narrenhäuser und Spitäler" habe ein Fürst künftig abzuschaffen. Warum? Wodurch sie ersetzen? Wie physisch Kranke behandeln, wie die sozial fast ungesicherten Soldaten bei Verwundung oder Krankheit versorgen? Das interessiert Bettine nicht. Hauptsache, es wird alles abgeschafft, was ihre verschwiemelte Sozialästhetik stört.

Auf diese Epistel geht Karl mit keinem Wort ein, seine Briefe werden nun konventioneller und kühler. Als er ihr im April 1844 schreibt, in Württemberg würden nun auch die Eisenbahnen eingeführt, antwortet sie: "Lassen Sie doch immer die gereiften Erscheinungen der Cultur ihre Bahn ungehindert fortlaufen." Als wäre Württemberg ein Hort kultureller Unterdrückung, natürlich anders als das so tolerante Preußen. Dabei liebt Karl die Kultur und die Literatur und protegiert eine Schriftstellervereinigung. Bettines Moralpredigten richteten sich an einen Kronprinzen, dessen Land sich lange vor Preußen eine Verfassung gegeben hatte und in dem die Landstände ein Mitspracherecht besaßen, von dem die Preußen nur träumen durften. Der Briefwechsel endete 1844 mit einem Brief Bettines, auf den Karl nicht mehr antwortete.

Im Dezember 1847 kam Emma Herwegh nach Berlin, Frau des aus Preußen ausgewiesenen Georg Herwegh, und erhielt Besuch von Bettine, worüber Emma ihrem Mann schrieb: "Komisch war die Frage: Warum wohnt Ihr Mann nicht in Württemberg, wo er auf den Kronprinzen gewiß viel Einfluß haben könnte?" Wenige Monate vor den in Europa ausbrechenden Revolutionen hatte die politisch etwas realistischer denkende Emma Herwegh "für diese Albernheit keine andere Antwort als die, daß in einer Zeit wie die unsre ein Mensch wie Georg eine höhere Aufgabe hat als die, blödsinnige Kronprinzen zu erziehen".

Karl heiratete 1846 eine russische Großfürstin. Die kinderlose Ehe verlief wenig glücklich, was wohl auch mit Karls homoerotischer Veranlagung zu tun hatte. König wurde er 1864, beliebt beim Volk wegen seiner unprätentiösen und liebenswürdigen Umgangsformen. Er starb 1891.

Die aus 42 Briefen und Briefentwürfen bestehende Korrespondenz wird jetzt erstmals veröffentlicht; darin eingeschlossen sind sechs Briefe, die zwischen Bettine und Julius von Hardegg, dem Militärgouverneur des Kronprinzen, zwischen 1842 und 1847 gewechselt worden sind. Es handelt sich nicht um einen bedeutenden Fund, bezeugt aber die Fruchtlosigkeit der in Deutschland zwischen Herrschern und Autoren geführten Dialoge. Bettines verstiegene Vorstellungen negierten stets die gesellschaftliche, also politische Wirklichkeit, weswegen ihre meist undeutlich artikulierten Wünsche von vornherein unerfüllbar bleiben mußten. Das lag nicht allein an den weltfremden ideologischen Konzepten der Romantik. Wir haben auch heute genug Beispiele, wie Schriftsteller und Politiker aneinander vorbeireden, weil keiner die Sprache des anderen versteht und sie offenbar auch nicht verstehen will. Anders als in Frankreich und England ist diese Unfähigkeit zum Gespräch eine sehr deutsche Eigentümlichkeit, und dieser Briefwechsel liefert dafür auf seine Weise erneut einen traurigen Beleg. ECKART KLESSMANN

"Lieber Kronprinz! Liebe Freundin!" Briefwechsel zwischen Bettine von Arnim und Karl von Württemberg. Hrsg. v. Ulrike Landfester und Friderike Loos. Manutius Verlag, Heidelberg 1998. 224 S., 8 Abb., geb., 38,- DM.

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