Marktplatzangebote
Ein Angebot für € 14,00 €
  • Gebundenes Buch

Hattuscha war die Hauptstadt des mächtigen Hethiterreichs, das von 1750 bis 1200 v. Chr. in Blüte stand. Um 1180 v. Chr. aber müssen schwerste innenpolitische, kulturelle und wirtschaftliche Erschütterungen diese Hochkultur so hart getroffen haben, dass sie sich nie wieder von dieser Katastrophe erholte und zur Bedeutungslosigkeit herabsank. Im 19. Jahrhundert wusste man überhaupt nur noch dank einiger Bibelstellen vom Volk der Hethiter. Dann aber entdeckte man in Zentralanatolien die gewaltigen Ruinen Hattuschas und machte sich daran, sie zu enträtseln. Andreas Schachner, der Chefausgräber…mehr

Produktbeschreibung
Hattuscha war die Hauptstadt des mächtigen Hethiterreichs, das von 1750 bis 1200 v. Chr. in Blüte stand. Um 1180 v. Chr. aber müssen schwerste innenpolitische, kulturelle und wirtschaftliche Erschütterungen diese Hochkultur so hart getroffen haben, dass sie sich nie wieder von dieser Katastrophe erholte und zur Bedeutungslosigkeit herabsank. Im 19. Jahrhundert wusste man überhaupt nur noch dank einiger Bibelstellen vom Volk der Hethiter. Dann aber entdeckte man in Zentralanatolien die gewaltigen Ruinen Hattuschas und machte sich daran, sie zu enträtseln.
Andreas Schachner, der Chefausgräber Hattuschas, hat ein spannendes Buch zur Geschichte der Hethiter und ihrer Metropole geschrieben, in dem er anhand zahlreicher archäologischer Quellen, Schriftquellen, Photographien und Plänen ein facettenreiches Bild der einstigen Großstadt entwirft. Er beschreibt anschaulich die Häuser, Straßen, Paläste, Tempel, Befestigungs- und Versorgungsbauwerke, die Keramik, Kunstwerke und Grabstätten, aber auch die geistige Welt der Hethiter und macht auf diese Weise ihre vor drei Jahrtausenden verschwundene Kultur wieder lebendig.
Autorenporträt
Bereits angekündigt u.d.T.: Hattusa. Die Hauptstadt der Hethiter
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 03.11.2011

Ein Leben auf Messers Schneide
Ordnung und Innovation: Der Archäologe Andreas Schachner erkundet das Reich der Hethiter und die Gründe für seinen Untergang
Schon aus 20 Kilometern Entfernung war auf einem Hochplateau am südlichen Ende der Talauen auf rund 1000 Metern Höhe die imposante Silhouette einer Stadt mit ihren zahlreichen Türmen zu erkennen. Das breite Tal des Flusses Budaközü, durch das man sich von Norden her Hattuscha näherte, war selbst nicht besonders spektakulär. Doch dafür entschädigte der Blick. Hattuscha lag eingebettet zwischen Felskegeln, die Kernstadt war von einer 6,8 Kilometer langen, mächtigen Stadtmauer eingefasst. Wo immer es ging, waren sogar die Felskuppen bebaut, so als wollten die Menschen zeigen, dass sie die Landschaft beherrschten. Wie grandios muss diese Stadt in ihrer Blütezeit im 13. und 14. Jahrhundert vor Christus auf einen Reisenden gewirkt haben, der sie einen Tagesmarsch lang vor Augen hatte.
Wenn man noch prächtige Details hinzufügt wie das eines farbigen Steinreliefs mit Göttern, Gauklern und Akrobaten oder einer mit Gold überzogenen Wettergottstatue, die im Allerheiligsten des Großen Tempels oben im Tempelbezirk der Stadt stand, ergibt sich ein wunderbares Panorama. Mit ein wenig Aufwand könnte Hattuschas deutscher Chefausgräber Andreas Schachner sogar wie bei der aktuell in Berlin laufenden Pergamon-Ausstellung ein 360-Grad-Rundbild der Herrscherstadt Hattuscha zaubern, und etwa einen Moment im Frühjahr des Jahres 1329 vor Christus hervorrufen, als die Sonne durch die offenen Tempelfenster auf den goldenen Gott und die beiden, silberglänzenden Steinfiguren schien, die diesen tragen.
Auch Hattuscha war eine Machtmetropole, zu einer anderen Zeit als Pergamon, aber vermutlich nicht weniger schillernd. Und auch Andreas Schachner will eine jahrtausendelang vergessene Stadt wiederbeleben. Doch er gehört einer modernen Generation von Ausgräbern an, die an tiefer liegenden Strukturen, an einem dynamischen Stadtbild mehr interessiert sind als an einer glänzenden Oberfläche. So macht sich Schachner in seinem neuen Buch „Hattuscha“ auf die Suche nach den Ursachen, warum das Großreich der Hethiter um 1200 vor Christus innerhalb weniger Jahrzehnte praktisch völlig von der Bildfläche verschwand, wo Hattuscha doch mehr als 500 Jahre zuvor das Zentrum eines Weltreichs war. Die Gründe dafür sind rätselhaft. Schachner vermutet, dass schwerste innenpolitische Streitigkeiten, wirtschaftliche Probleme und eine kulturelle Krise diese mysteriöse Hochkultur derart erschüttert haben, dass das komplexe Herrschaftssystem zusammenbrach.
Danach ging es lange relativ beschaulich zu im Flusstal des Budaközü. Die Talbewohner plünderten das Baumaterial, die Stadt verschwand über die Jahrhunderte, bis Charles Texier im Jahr 1834 die Ruinen mitten im unwirtlichen zentralanatolischen Plateau nahe dem Dorf Bogazköy entdeckte – die Hauptstadt eines unbekannten Großreichs mitten im Nichts. Hochkulturen, das war die gängige Meinung im 19. Jahrhundert, konnte es eigentlich nur entlang der Flüsse Mesopotamiens und Ägyptens gegeben haben. Vom Volk der Hethiter wusste man damals nur noch dank einiger Passagen in der Bibel. So war der Fund eine Sensation. Heute ist Hattuscha Weltkulturerbe.
Seit fünf Jahren leitet Andreas Schachner für das Deutsche Archäologische Institut die Ausgrabungen in Hattuscha-Bögaskoy. Um die vielfältigen Fragen zu Aufstieg und Fall der einstigen Weltmacht zu klären, nutzt er alle wissenschaftlichen Möglichkeiten: Textquellen, Urkunden, Funde und Analysen der Umweltbedingungen. Aus diesem vielfältigen Material entwirft Schachner ein facettenreiches Bild einer der größten Städte ihrer Zeit. Er will mit seinem reich bebilderten Buch Laien und Wissenschaftler gleichermaßen erreichen, hält interessante Details bereit, etwa das vom rot gepflasterten Weg im Torhof des Königspalastes, den er mit einem roten Teppich unserer Tage vergleicht. Oder er erzählt, dass hier erstmals in großem Stil Bronzedübel und Steinsägen aus Bronze zum Einsatz kamen.
Schachner arbeitet das Erfolgsprinzip von Hattuscha heraus. Hattuscha lag nicht etwa in einer von der Natur gesegneten Umgebung, im Gegenteil. Das Plateau zwischen den Hängen des Taurus-Gebirges im Süden und des Pontus-Gebirges im Norden war schon damals eine der niederschlagsärmsten Gegenden der Region. Im Winter lag hoch der Schnee, die Sommer dagegen waren heiß und trocken. Nur eine Ernte pro Jahr war möglich. Das Leben in dieser alten Metropole war „ein Leben auf Messers Schneide“, sagt Schachner. Die Hethiter mussten, um sich gegen die unkalkulierbaren klimatischen Bedingungen abzusichern, Getreideüberschüsse sammeln und große Bewässerungsanlagen bauen. 70 Meter lange, 15 Meter breite und 7,5 Meter tiefe Teiche und unterirdische, gegen Feuchtigkeit und Tiere geschützte Saatgutsilos stehen für das vorausschauende Denken der Menschen. Diese schafften es, ihre Lebensgrundlagen erfolgreich zu kontrollieren. Auf dieser stabilen Basis konnten sie ihre Stadt weiter entwickeln.
Das Geheimnis dieser Blüte in einer eigentlich nicht blühenden, abgelegenen Region war die strenge Ordnung des Alltags. Architektur, Handwerk, Waffenkunst, Schrift, Kunst – all das war im hethitischen Reich überall gleich hoch entwickelt. Dies lasse, so Schachner, auf eine intensive staatliche Kontrolle und die Integration der einzelnen Gebiete in ein übergeordnetes soziokulturelles System schließen. Die Ordnung durchdringt die Welt.
Schachner verweist zu Recht auf die zunehmende Stadtplanung. Ständig wurde Hattuscha umgebaut, aus kleinen verwinkelten Bauten wurden größere, modulartige Häuser, aus der einfachen Königsburg ein immer differenzierterer Herrscherpalast.
Innerhalb der Stadt entstanden voneinander abgegrenzte Bereiche, zum Beispiel das Wohnviertel in der Unterstadt oder das Tempelviertel in der Oberstadt, wo sogar die großen Straßen sauber gepflastert und mit Abflusskanälen für Starkregen versehen waren. Schachner kann sogar einen Innovationsschwerpunkt nachweisen: Die Metallverarbeitung mit ihren neuen Gusstechniken und ausgeklügelten Schmelzverfahren wurde zum Exportschlager. Innovation war die zweite Triebkraft des Aufstiegs. Monumentale Architektur wie der große Tempel zeigten demonstrativ das Selbstbewusstsein der Herrscher.
Möglicherweise ist der Verlust der Struktur auch der Grund für den Verfall. Schachners Buch präsentiert keine lauten Thesen, es lädt durch seinen Detailreichtum und den klaren Aufbau zum Mitdenken ein. So kann man am Ende mit ihm spekulieren, ob tatsächlich eine Dürreperiode das austarierte System aus dem Gleichgewicht gebracht haben könnte und daraufhin innenpolitische Konflikte den Abschwung auslösten. Oder ob doch Feinde von außen das System stürzten. Klar ist, dass das fragile hethitische Wirtschafts- und Sozialgefüge nicht mehr stabilisiert werden konnte. So verschwand vor knapp 3200 Jahren das Großreich der Hethiter innerhalb weniger Jahrzehnte.
HUBERT FILSER
ANDREAS SCHACHNER: Hattuscha. Auf der Suche nach dem sagenhaften Großreich der Hethiter. Verlag C.H. Beck, München 2011. 364 S., 34 Euro .
Kopf der Sphinx von Hattuscha: 1907 ausgegraben, 1915/17 zur Restaurierung nach Berlin geschickt, in diesem Jahr zurückgegeben. Foto: Patrick Sinkel/dapd
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
…mehr

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Hubert Filser zeigt sich sehr gefesselt und beeindruckt von Andreas Schachners sich gleichermaßen an Laien wie an Leser vom Fach wendenden Studie zum Hethiterreich und seiner Metropole Hattuscha. Der Autor ist seit fünf Jahren Ausgrabungsleiter des Deutschen Archäologischen Instituts in der 1834 wiederentdeckten Hethiterstadt Hattuscha in Anatolien, die nach einer ungeheuren Blütezeit im 13. und 14. vorchristlichen Jahrhundert innerhalb weniger Jahrzehnte mit dem Untergang des Weltreichs verschwand, erfahren wir. Der Autor zeigt nicht nur sehr detailreich und wissenschaftlich belegt die Gründe für den ungeheuren Aufschwung des Hethiterreichs, sondern macht sich auch sehr fruchtbare Gedanken zum plötzlichen und schnellen Niedergang dieser Hochkultur, lobt der Rezensent. Dass er sich dabei nicht in grelle Thesen versteigt, sondern seine Leser durch die Klarheit seiner Ausführungen zum "Mitdenken" bringt, findet Filser sehr ansprechend.

© Perlentaucher Medien GmbH