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- Produktdetails
- Verlag: wbg Philipp von Zabern
- Seitenzahl: 231
- Erscheinungstermin: 15.10.2014
- Deutsch
- ISBN-13: 9783805347778
- Artikelnr.: 41617333
Eine Studie über Elagabal, den
skandalösesten Herrscher Roms
Von allen wahnsinnigen Caesaren ist er der mit Abstand schrägste: Elagabal, Herrscher des römischen Reichs von 218 bis 222, war Priester des syrischen Sonnengottes gleichen Namens, den er, weibisch gewandet, tanzend verehrte. Er hetzte Löwen und Leoparden auf seine Dinnergäste und Giftschlangen auf das im Zirkus versammelte Volk, fuhr nackt durch Rom in einem Wagen, den nackte Frauen zogen, ließ sich eine künstliche Vagina schneiden, um an den Lüsten beider Geschlechter Anteil zu erlangen, und baute einen Selbstmord-Turm, von dem er sich herabzustürzen gedachte; denn, so sagte er, noch sein Tod verdiene es, über die Maßen kostbar zu sein.
Zur Benutzung des Turms kam es nicht mehr, die Truppen putschten, sie töteten ihn und schleiften den Leichnam durch die Straßen, ehe sie ihn in den Tiber warfen. Der Senat verfügte die Auslöschung der Erinnerung an ihn – mit geringem Erfolg: Noch nach fast zwei Jahrtausenden machte er auf die französischen Décadents ebenso Eindruck wie später auf die Schwulenbewegung, Baudelaire verehrte ihn, Artaud verdankt ihm wesentliche Anregungen für sein „Theater der Grausamkeit“, Stefan George widmete ihm einen ganzen Gedichtband, „Algabal“: „Mein garten bedarf nicht luft und nicht wärme; / Mein garten den ich mir selber erbaut / Und seiner vögel leblose schwärme / Haben noch nie einen frühling geschaut.“ Seit 2000 wurde er, zumeist in der variierenden Namensform „Heliogabalus“, Gegenstand einer Comic-Serie, einer Oper, zweier Romane und von mindestens vier Theaterstücken.
Die Aufgabe eines seriösen Historikers im Umgang mit diesem schillernden Phantom muss man als eine recht undankbare bezeichnen. Ihr hat sich der Geschichtswissenschaftler Martijn Icks unterzogen. Er betreibt natürlich zunächst einmal Quellenkritik, und da stellt sich heraus, dass fast keine der Gruselanekdoten der genaueren Untersuchung standhält; so gut wie alles, was überliefert ist, stammt aus der Feder feindseliger Autoren, speziell der notorischen Klatschbase Dio Cassius.
Icks sammelt das verlässliche Material, wobei er sich besonders auf die Münzprägungen des Kaisers konzentriert. Heraus kommt ein weniger spektakuläres Herrscherporträt als dasjenige, das die Verleumdung gezeichnet hat. Ja, Elagabal war erst vierzehn, als er auf den Thron gelangte; ja, er stand sein kurzes Leben hindurch unter dem Pantoffel seiner Mutter und Großmutter. Ja, er hat mit einiger Wahrscheinlichkeit sowohl Männer als auch Frauen geehelicht. Ja, er wollte in Rom eine Neuordnung des staatlichen Götterkults durchsetzen und zog sich im Zusammenhang damit befremdliche Kleider an. Und ja, er hat viele Gegner beseitigt, aber das unterscheidet ihn kaum von anderen Monarchen der Zeit. Er war sozusagen nur normalgrausam – herauszufinden, wie es eigentlich gewesen, kann eben auch zu milden Enttäuschungen führen. Den größten Dienst haben ihm letztlich diejenigen erwiesen, die ihm am meisten schaden wollten – indem sie die Phantasie der Nachwelt anfachten. Die Faszination Elagabals überstrahlt bis heute den Ruhm von drei bis fünf „guten“ Kaisern.
BURKHARD MÜLLER
Martijn Icks: Elagabal. Leben und Vermächtnis von Roms Priesterkaiser. Aus dem Englischen von Erwin Fink. Verlag Philipp von Zabern, Darmstadt 2014, 231 S., 24,95 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
© Perlentaucher Medien GmbH
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