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Für die späte Römische Republik ist die Zeit zwischen 133 und 27 v. Chr. vor allem durch schwere Krisen geprägt, die von den Gracchen bis zur Schlacht von Actium reichen und schließlich mit dem Prinzipat des Augustus enden. Es kommt zu regelrechten Gewalteruptionen im Inneren: Einzelne Heerführer wie Marius, Sulla oder Pompeius verschaffen sich so viel Macht, dass der innere Zusammenhalt der Republik zerbricht. Das Römische Reich versinkt im Bürgerkrieg. Doch zeitgleich ist trotz der inneren und äußeren Konflikte ein wachsender Wohlstand zu beobachten, der zu gesellschaftlichen…mehr

Produktbeschreibung
Für die späte Römische Republik ist die Zeit zwischen 133 und 27 v. Chr. vor allem durch schwere Krisen geprägt, die von den Gracchen bis zur Schlacht von Actium reichen und schließlich mit dem Prinzipat des Augustus enden. Es kommt zu regelrechten Gewalteruptionen im Inneren: Einzelne Heerführer wie Marius, Sulla oder Pompeius verschaffen sich so viel Macht, dass der innere Zusammenhalt der Republik zerbricht. Das Römische Reich versinkt im Bürgerkrieg. Doch zeitgleich ist trotz der inneren und äußeren Konflikte ein wachsender Wohlstand zu beobachten, der zu gesellschaftlichen Umwälzungsprozessen im öffentlichen wie privaten Bereich führt: zu sehen in der Architektur, in der Produktion und im Konsum. Anhand von Bauwerken und Bildern, aber auch Ritualen und Staatsakten untersucht Dominik Maschek diese spätrepublikanisch-römische Krisenzeit und bietet erstmals eine kulturgeschichtliche Gesamtinterpretation.
Autorenporträt
Maschek, DominikDominik Maschek, geboren 1981 in Wien, studierte Klassische Archäologie, Alte Geschichte und Ur- und Frühgeschichte an der Universität Wien. Von 2007 bis 2008 war er Rom-Stipendiat der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und ab 2001 auf Ausgrabungen in Österreich, Griechenland und Syrien tätig. Zur Zeit ist er Associate Professor of Roman Archaeology and Art an der Faculty of Classics und Fellow am Wolfson College in Oxford (UK). Seine Forschungsschwerpunkte liegen auf der Kunst und materiellen Kultur der römischen Republik sowie auf antiker Architektur, Urbanistik und Skulptur.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 01.06.2018

An den Wurzeln einer enthemmten Gewalt

Wie kann die hundertfach nacherzählte Krise der Republik so rekonstruiert werden, dass sie uns angeht? Dominik Maschek deutet die römischen Bürgerkriege überzeugend neu und entdeckt, wer die Begleitmusik zur Vernichtung spielte.

Über die spätere römische Republik aus unserer Gegenwart heraus zu handeln kann darin bestehen, mit breitem Pinsel Krisenbewusstsein und Heimatlosigkeit der Zeitgenossen von damals festzustellen, um dann Parallelen zu Entwicklungen im heutigen Europa zu ziehen und einen quasimonarchischen Superstaat analog dem Prinzipat des Augustus zu prognostizieren. Wiederholungsfiguren in der Nachfolge Spenglers führen aber nicht weiter (F.A.Z. vom 8. August 2014).

Der junge Archäologe und Althistoriker Dominik Maschek wählt einen anderen Zugang. Aktuelle Phänomene wie Massenmigration, Konflikte um Bürgerrecht und Status, Wohlstandsgefälle, religiöse Aufladung und Elitenversagen kennzeichneten auch die letzten hundert Jahre der römischen Republik; ihre Kumulation mündete damals in eine permanente Bürgerkriegskonstellation, die wiederholt aktualisiert wurde und exzessive Gewalt entfesselte. Physische Gewalt wohlgemerkt, nicht die medial vermittelte, wie sie in einer kulturalistisch übersteuernden Altertumswissenschaften seit langem durch den Diskurswolf gedreht wird.

Hier traut sich einer was! Maschek verlässt die vielfach vermessenen kommunikativen Echoräume der Metropole Rom und blickt stattdessen - die Geographie stets im Blick - auf die realen wirtschaftlichen und demographischen Umwälzungen in Italien wie im gesamten Mittelmeerraum. Die von ihm auf der Grundlage einer rasant anwachsenden archäologischen Forschung rekonstruierten Prozesse wirkten desorientierend, weil sie zugleich schöpferische Dynamiken in Gang setzten: Krieg, Ausbeutung und Menschenhandel, Eigentumswechsel, neue ökonomische Beziehungen und agrarische Produktionsweisen sowie Urbanisierungsprozesse wälzten in Italien wie in Illyrien, Spanien und anderswo gewachsene Verhältnisse um und ließen den Bedarf von alten und neuen Eliten an Sinngebung und Selbstdarstellung wachsen.

So zogen römische Tributforderungen verdichtete Formen der Siedlungs- und Produktionsorganisation nach sich; Importe überformten bestehende Konsumgewohnheiten und Werte, und über Generationen hinweg mussten lokale Führungen zwischen Vernichtungsdrohung und eigener sozialer Legitimierung lavieren. Die gewaltgenährte mediterrane Globalisierung mag man Imperialismus nennen oder nicht; wichtiger ist Mascheks Hinweis, dass die römisch-italischen Akteure eine als barbarisch ausgeflaggte, daher rechtsfreie Peripherie schufen, um Güter abzusetzen und Sklaven zu generieren. Zu dieser Peripherie gehörten auch Norditalien und Ligurien, und mit vollem Recht rückt der Autor diese triumphgesättigten Tummelplätze weniger bekannter römischer Feldherren neben die um einzelne Großereignisse gruppierten Feldzüge eines Aemilius Paullus gegen Makedonien oder eines Scipio Aemilianus gegen Karthago.

Beeindruckend, dabei gewiss zu diskutieren ist der hier unternommene Versuch, die räumliche wie zeitliche Verteilung und Verdichtung von Gewalt in Karten darzustellen. In der Tat gab es bereits zwischen dem Ende des Hannibalkrieges und der Zeit von Pompeius und Caesar in der Mittelmeerwelt mehrere kritische Zonen, "in denen unmittelbare Gewalterfahrung das Leben vieler Menschen über Jahre und Jahrzehnte hinweg geprägt und beeinträchtigt haben muss".

Für die Verhältnisse in Italien macht Maschek die Zerstörung der verbündeten Stadt Fregellae durch Rom in der Gracchenzeit zum Leitmotiv. Dieses wenig beachtete Ereignis gewinnt im Verlauf des Buches mehr und mehr an Plausibilität. So erklärt erst die weit gediehene wirtschaftliche, familiale und kulturelle Verflechtung der Elite einer solchen Stadt mit Rom, warum die rein innerrömisch motivierte Verweigerung des Bürgerrechts eine Rebellion auslösen konnte. Weshalb wurde die Stadt aber von den Römern so gründlich ausgelöscht? Eine enthemmte Kriegführung gegen sogenannte Aufständische war den Herren der Tiberstadt zur Routine geworden. Doch die religiöse Begleitmusik zur Vernichtung war auch Indiz einer tiefen Verunsicherung der Verantwortlichen.

Auf die Gewaltexzesse des Bundesgenossenkrieges, für die Fregellae gut dreißig Jahre zuvor ein Vorspiel gewesen war, folgten Besitzumverteilungen großen Stils und formierten sich vielerorts neue Eliten und Hierarchien. In einem Kabinettstück ikonographischer Deutung liest der in Birmingham wirkende Gelehrte die Reliefbilder auf der sogenannten Ara des Domitius Ahenobarbus neu: Das großenteils im Louvre ausgestellte Stück stelle nicht etwa eine rituell begleitete Registrierung von Bürgern unter Leitung eines Censors dar, sondern die Einrichtung einer Siedlungskolonie, womöglich Neptunias durch Gaius Gracchus. Das Monument spiegele "die Ambitionen und Hoffnungen seiner Bauherren in Bezug auf die Zukunft der römischen Republik". Geradezu aufregend liest sich, wie der Autor Bevölkerungswachstum, Migrationsprozesse, Urbanisierung und Monetarisierung der Wirtschaft miteinander verknüpft.

Mit Anleihen bei einem Modell des Humangeographen David Harvey zur Erklärung rezenter Verstädterungen stellt er die Kosten dieser Veränderungen heraus: Nicht Zivilisation oder Romanisierung seien das Resultat gewesen, sondern extreme soziale Ungleichheit und die rasche Zerstörung vertrauter Lebenswelten sowie explosive Konflikte zwischen Stadt und Land. Und anders als heute konnten die Reichen ihr Vermögen im Krisenfall nicht nach London oder Singapur bringen, sondern mussten gewärtigen, ihre Arbeitskräfte durch Abwanderung oder gar ihr Land durch Enteignung zu verlieren.

Ein Resultat dieses mit feinen Beobachtungen, überzeugenden Kausalverknüpfungen und mutigen Vorstößen gegen Orthodoxien gespickten Buches: Erfahrungshorizont und Erwartungsraum fielen nicht erst seit der "Sattelzeit" auseinander; schon in der römischen Republik wurden Herausforderungen für die Gesellschaftsordnung und das politische System von der herrschenden Elite teilweise erkannt, "doch zum größten Teil mit den traditionellen und daher kaum wirksamen Methoden der Elterngeneration bekämpft". Die Abfolge der sozialen Alterskohorten zwischen dem Hannibalkrieg und den finalen Bürgerkriegen nach Caesars Ermordung, die Erfahrungen und Handlungen ihrer Angehörigen bildet daher einen roten Faden der Untersuchung.

Forschungstrends stellt der junge Autor wiederholt in Frage. So führten die in den Altertumswissenschaften zuletzt so markant ausgeprägten Konzepte von Konkurrenz und Identität in die Irre: Wenn römische und italische Oberschichten monumentale Bauten errichteten oder neue Standards von Konsum setzten, sollten die Grundlagen dafür in den Eruptionen von Eroberungs- und Bürgerkriegen gesucht werden.

Wie kann die hundertfach nacherzählte Krise der römischen Republik so rekonstruiert werden, dass sie uns angeht: gut geschrieben, modern ohne modische Attitüden, forschungs- und materialgesättigt, geerdet und mit Empathie für menschliche Schicksale, dabei systemisch komplex, intellektuell souverän und tatsächlich interdisziplinär? "Die römischen Bürgerkriege" weist gangbare Wege; das Buch schreibt Ronald Symes Klassiker "Die römische Revolution" zeitgemäß fort.

UWE WALTER

Dominik Maschek: "Die römischen Bürgerkriege". Archäologie und Geschichte einer Krisenzeit.

WBG/Philipp von Zabern Verlag, Darmstadt 2018. 352 S., geb., 49,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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»Dominik Maschek deutet die römischen Bürgerkriege überzeugend neu und entdeckt, wer dei Begleitmusik zur Vernichtung spielte.« Uwe Walter, Frankfurter Allgemeine Zeitung »Das Buch beeindruckt nicht nur durch den schieren Reichtum des archäologischen Materials, das M. vor dem Leser ausbreitet und zum Sprechen bringt [...]. Darüber hinaus beweist er ein feines Gespür für naturräumliche, geographische und topographische Bedingungen und ihre Bedeutung für Kriegführung, Handel und Wandel sowie für Art, Grad und Intensität der Kontrolle über Räume und Regionen.« Die Historische Zeitschrift