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Der Briefwechsel zwischen dem dänischen Dichter Hans Christian Andersen und der Oldenburger Leserin Lina von Eisendecher ist das Dokument einer herzlichen Freundschaft, die sich nach zehn Jahren in den Wirren des politischen Verhängnisses verliert, das die uralten Beziehungen zwischen Dänen und Deutschen trübte.Der bisher unveröffentlichte Briefwechsel zwischen dem dänischen Schriftsteller und Märchendichter Hans Christian Andersen und einer bisher unbekannten Oldenburger Leserin, Lina von Eisendecher, ist ein bewegendes Zeugnis literarischen Lebens in Deutschland zwischen 1843 und 1862. Die…mehr

Produktbeschreibung
Der Briefwechsel zwischen dem dänischen Dichter Hans Christian Andersen und der Oldenburger Leserin Lina von Eisendecher ist das Dokument einer herzlichen Freundschaft, die sich nach zehn Jahren in den Wirren des politischen Verhängnisses verliert, das die uralten Beziehungen zwischen Dänen und Deutschen trübte.Der bisher unveröffentlichte Briefwechsel zwischen dem dänischen Schriftsteller und Märchendichter Hans Christian Andersen und einer bisher unbekannten Oldenburger Leserin, Lina von Eisendecher, ist ein bewegendes Zeugnis literarischen Lebens in Deutschland zwischen 1843 und 1862. Die kleine norddeutsche Residenzstadt wurde für Andersen eine »zweite Heimat«. In dem Haus an der Gartenstraße fand er Zuneigung und Verehrung. Die gefühlvollen Briefe erzählen die Geschichte wachsenden Ruhms des schwierigen, nach Liebe und Ansehen strebenden einsamen Künstlers und das einfühlsame Verständnis einer jungen Frau für die Werke des dänischen Dichters.Der Briefwechsel ist ein schönes Beispiel für die Lesekultur zwischen Biedermeier und frühindustrieller Gesellschaft. Er wird jedoch in den Jahren 1848 bis 1850 unter dem Druck der politischen Auseinandersetzungen zwischen Deutschland und Dänemark auch zu einem beklemmenden Dokument wachsender Entfremdung.Die vorliegende Edition der 87 Briefe wird um Andersens Tagebucheintragungen aus Oldenburg und weitere Dokumente aus diesem Lebenskreis ergänzt. Der Briefwechsel wird ausführlich kommentiert und intensiv erschlossen.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Autorenporträt
Hans Christian Andersen (1805-1875) begann seine schriftstellerische Karriere mit Reisebeschreibungen und Skizzen. Seinen Weltruhm begründeten die »Märchen und Erzählungen für Kinder«, die er unter dem Einfluss der deutschen Romantik schrieb.

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Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 17.08.2004

Schwesterliche Güte
Andersens Briefwechsel mit Lina von Eisendecher
Erst im nächsten Jahr gilt es Hans Christian Andersens 200. Geburtstag zu feiern, aber die Einstimmung auf das Jubiläum hat längst begonnen. Spätestens seit dem Erscheinen einer zweibändigen Auswahl aus seinen Tagebüchern vor vier Jahren hat das Bild des Dänendichters auch bei uns deutlichere Konturen erhalten; es dürfte nicht länger nur Philologen geläufig sein, dass der romantische Poet mit dem Kinderblick im wirklichen Leben ein von Komplexen und Depressionen heimgesuchter Hypochonder war, ewig hadernd mit seiner armseligen Herkunft, umgetrieben von der Sucht nach Zuneigung, Anerkennung und Ruhm. Für seine Märchenkunst wurde ihm das alles reichlich zuteil, kaum jedoch für sein übriges Prosaschaffen, mit dem er, wie manche heute meinen, seiner Zeit voraus war. Was ihn jenseits von Meerjungfrauen, Nachtigallen und Zinnsoldaten literarisch beschäftigte, wurde vor kurzem durch die Neuübersetzung des Roman-Essay-Zwitters „Sein oder nicht sein” ins Licht gerückt, und fünf weitere Romane harren der Wiederentdeckung.
Vortrefflich fügt sich dazu die Edition eines Briefwechsels, der den Dichter von einer ungewohnt offenherzigen, ja entspannten Seite zeigt und uns zugleich mit einer Frau bekannt macht, die den Typus der gebildeten, selbstbewussten Leserin im neunzehnten Jahrhundert auf besonders einnehmende Weise verkörpert: Lina von Eisendecher, geborene Hartlaub, Gattin eines oldenburgischen Hofrats, erlaubte sich schon damals, den Romancier Andersen höher zu schätzen als den Märchenerzähler, und sie flößte ihm, dem notorisch Rastlosen, ein solches Zutrauen ein, dass er in dem kleinen norddeutschen Herzogtum Oldenburg zeitweilig seine „zweite Heimath” fand.
Die erste Epistel der Dame erreichte Andersen während eines Paris-Aufenthaltes im März 1843. Der Unterschied zu sonstiger Verehrerpost muss ihm sogleich ins Auge gefallen sein, denn er antwortete schnell, seine chronische Angst vor Unzulänglichkeit freimütig offenbarend, und als er sich im Mai auf den Rückweg nach Kopenhagen machte, war die Brieffreundschaft so weit gediehen, dass der erste Besuch bei Familie Eisendecher auf dem Reiseplan stand.
Oldenburger Geistesleben
Auch wenn in der Korrespondenz, die sich über fast zwei Jahrzehnte erstreckt, der Ehemann immer wieder mit Grußbotschaften in Erscheinung tritt, auch wenn Andersen in seiner Autobiographie den „Hofrath von Eisendecher und seine geistreiche Frau, die ich unter allen Freunden im Auslande zu den theilnehmendsten rechnen kann”, dankbar erwähnt, findet der schriftliche Dialog so exklusiv wie unverfänglich zwischen ihm und Lina von Eisendecher statt. Eine erotische Spannung dürfte allenfalls im virtuellen Keimstadium dieser Beziehung eine Rolle gespielt haben. Sind auch Andersens sexuelle Neigungen und Kompetenzen philologisch noch nicht restlos geklärt, so lässt das Bildnis der Hofrätin doch vermuten, dass ihre intellektuelle Ebenbürtigkeit und „schwesterliche Güte” sein Triebleben nicht in Wallung brachten, anders als die „wahre, heilige Natur” der schwedischen Sängerin Jenny Lind, die ihn - auch das vertraute er seiner Oldenburger Freundin an - kurzzeitig beinahe wieder an die eigene Liebesfähigkeit glauben ließ.
„Es geht so schlecht mit das Deutsche, ich schäme mich!” heißt es in dem betreffenden Brief, und: „Gott, wie wollen Fremden lachen, wenn sie so was lesen konnte . . .” Hatte Andersen seine Briefe anfangs noch auf Dänisch abgefasst und mit fremder Hilfe ins Deutsche übersetzt, ließ er nach dem Zusammentreffen mit den Eisendechers diese Skrupel fallen und plauderte unbekümmert drauflos, nicht ohne mit seinen Defiziten im fremden Idiom zu kokettieren. Der Charme seiner sprachlichen „Jonglir-Künste” und sein kindliches Mitteilungsbedürfnis machen die Korrespondenz zu einem so erheiternden wie anrührenden Leseerlebnis. Andersens Hypochondrie, seine Geltungssucht, seine irrationalen Ängste treten deutlich zutage, doch ebenso viel erfährt man von seiner Arbeit und seinen Reisen, seinen Freunden und Feinden, seinen Erfolgen und Enttäuschungen, seinem Standpunkt im literarischen und politischen Zeitgeschehen. Lina von Eisendecher verfolgt seinen Weg mit nie ermüdender Anteilnahme, instruiert ihn über das - damals staunenswert umtriebige - Geistesleben im Herzogtum Oldenburg und erkundigt sich immer wieder dringlich nach den Fortschritten seiner Romanproduktion.
Die Politik ist es, die der wunderbaren Freundschaft eine Trübung zufügt: Als es 1848 zwischen Deutschland und Dänemark zur ersten militärischen Auseinandersetzung um Schleswig-Holstein kommt, gerät der Briefwechsel ins Stocken - und wird danach nie wieder, was er war. Der neue Nationalismus und der Krieg, „ein furchtbares Ungeheuer”, wie Andersen schreibt, führen nicht nur zur Entfremdung zwischen Staaten und Kulturen, sondern beschädigen auch menschliche Beziehungen. Eineinhalb Jahrhunderte später aber zeugt diese liebevoll gestaltete, mit vielen erhellenden Dokumenten angereicherte Publikation von einem friedlichen und fruchtbaren Kapitel deutsch-dänischer Zusammenarbeit.
KRISTINA MAIDT-ZINKE
HANS CHRISTIAN ANDERSEN/LINA VON EISENDECHER: Briefwechsel. Hrsg. v. Paul Raabe und Erik Dal. Wallstein Verlag, Göttingen 2003. 494 Seiten, 38 Euro.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 26.07.2003

Ich bin wie ein Vöglein ohne Flügel, wenn ich in einer fremden Sprache auftreten muß
Doch sprekken, plaudern und erzehlen kann er wunderbar: Nie zeigte sich Hans Christian Andersen so spontan, ungeniert und unbeschwert wie in seinem Briefwechsel mit Lina von Eisendecher

Lina von Eisendecher? Allenfalls versierte Andersen-Kenner werden mit diesem Namen etwas anfangen können, und auch diese dürften dankbar dafür sein, daß ihnen hier im Anhang die einschlägige Passage aus Andersens Autobiographie in Erinnerung gebracht wird. An eine "geistreiche und liebenswürdige Familie in Oldenburg" erinnert der dänische Dichter sich da im Jahr 1847, an "Hofrath von Eisendecher und seine geistreiche Frau, die ich unter allen Freunden im Auslande zu den theilnehmendsten rechnen kann".

Unter allen Freunden im Ausland - er hätte hinzufügen können: und ausgerechnet in Deutschland. Denn es hatte sich, als er diese Zeilen schrieb, der erste deutsch-dänische Krieg um die Herrschaft in Schleswig-Holstein angekündigt; als er im Jahr darauf ausbrach, zerstörte er für lange Zeit auch die engen, oft freundschaftlichen Beziehungen Andersens zu seinen deutschen Förderern und Lesern. In Deutschland hatte er seinen literarischen Durchbruch erlebt, hier fühlte er sich seither beinahe so zu Hause wie in Dänemark. Die Entzweiung der beiden Länder im Zeichen eines noch neuen Nationalismus hat er denn auch, seinen brieflichen Schilderungen zufolge, als einen schmerzhaften Riß erlebt, der ihm durch den Leib gehe. Um so erstaunlicher diese Freundschaft mit der geistreichen und teilnehmenden Hofrätin aus Oldenburg in einem nun erstmals edierten Briefwechsel, den man ohne Übertreibung eine Entdeckung nennen darf.

Allein die Hofrätin ist hier in Wahrheit Andersens Briefpartnerin; ihr gebildeter und politisch einflußreicher Gatte beschränkt sich auf einige trotz wiederholter Freundschaftsbekundungen doch amtlich korrekte Zeilen. Anders Lina von Eisendecher. Diese Frau kennengelernt zu haben ist nicht die kleinste unter den schönen Überraschungen, die dieser Briefwechsel bereithält. So offensiv, wie die Konventionen es nur eben zulassen, macht sie sich 1843 an den Dichter heran, dessen Romane und Reisebücher, "Märchen und Geschichten" sie so bewundert wie so viele ihrer Landsleute. Namentlich in der Jüdin Naomi, der gefährlich emanzipierten Heldin seines Erfolgsromans "Nur ein Spielmann", glaubt sie sich selbst wiederzuerkennen; "der Naomi kann ich alles nachfühlen".

Was zunächst wie einigermaßen zudringliche Fanpost aussieht, wird bald zu einem Dialog in Augenhöhe, an dem sich der Umworbene dankbar, ja erleichtert beteiligt. Das liegt nicht nur daran, daß die anfangs beunruhigende erotische Komponente sich als unverfängliche Spielerei erweist, sondern vor allem daran, daß die Begeisterung für Dichter und Dichtung sich hier verbindet mit ausgesprochener Kennerschaft und einem Urteilsvermögen, von dem die "schwesterliche Güte" sehr selbstbewußt Gebrauch macht. Von Lina von Eisendecher läßt Andersen, der ewig Lobeshungrige, sich auch so unangenehme Wahrheiten sagen wie die, daß die unheimliche Zigeunerin seiner jüngsten Geschichte doch eher eine überflüssige Staffagefigur sei und daß er sich lieber an jene "einfachen Zustände" halten solle, die er poetisch verzaubern könne, "das verstehen Sie wie Niemand".

Es ist ein anrührendes Schauspiel, wie Andersen gegenüber dieser klugen und energischen Leserin nach und nach seine üblichen Rollenspiele aufgibt, wie er sich erleichtert gehen läßt. "Anerkennung macht mich sonderbar weich und demüthig, erweckt in mir Angst", warnt er gleich zu Beginn; aber "ich weiß, ich darf an Sie in allen meinen Stimmungen schreiben". Diese Unbefangenheit zeigt sich am anschaulichsten in seiner Sprache. Denn Andersen antwortet in einem Deutsch, das er so geschmeidig wie eigenwillig behandelt. Eigentlich ist ihm jede Unsicherheit eine Pein; "ich bin wie ein Vöglein ohne Flügel, wenn ich in einer fremden Sprache auftreten muß", klagt er in einem der ersten Briefe nach Oldenburg. Und wirklich verschwindet dieser Schmerz in anderen deutschen Korrespondenzen Andersens nie ganz, bis er ihm, mit dem Aufkommen der nationalistischen Gegensätze, geradezu wie eine Bestätigung einer doch unüberwindlichen Fremdheit in Deutschland erscheint - so im etwa gleichzeitig geführten Briefwechsel mit dem Weimarer Herzog Carl Alexander, an dessen Musenhof Andersen doch zeitweise sogar eine zweite Heimat zu finden gehofft hatte.

Ganz anders hier. Bereits nach seinem ersten Besuch bei den Eisendechers nämlich faßt Andersen einen bemerkenswerten Entschluß: "Da ich ginge aus Oldenburg, haben Sie gesagt, ,je mehere Fehler in Ihre Brief, des besser' - nun sind Sie heute zufrieden? Erste Mahl ins Leben habe ich, ohne Klade, ohne koregieren, ganz ungenirt, so wie, wenn ich eine dänische Brief schreibe, dieses geschrieben, Gott weiß um Sie etwas davon verstehen! Ich fürgte Sie muß sagen wie meine kleine Freund im Hause: ,Er spricht ganz sonderbar!'" Man versteht ihn sogar sehr gut; denn so spontan und ungeniert wie hier hat man Andersen selten erlebt. Wahrhaftig "ohne Klade" plaudert er drauflos, von seinen hypochondrischen Leiden ("bin ich gräßlich mit Zahnschmerz gequällt, ach ich habe sehr gelitten", "ich bin beinahe ertrunken"). Er erzählt von seinen Reisen kreuz und quer durch Europa und von seinen neuen Arbeiten, kommentiert das literarische Zeitgeschehen, prahlt wie immer mit den berühmten Menschen, denen er begegnet ist und die ihn gelobt haben, und redet freimütig von Ängsten und Selbstzweifeln - und, je näher der absehbare Krieg rückt, von seiner Verzweiflung über die politische Lage. "Der Krieg ist ein furchtbares Ungeheuer!"

Gerade angesichts dieser politischen Kontexte liest sich dieser Briefwechsel wie ein ermutigendes Gegenstück zur Korrespondenz mit dem Weimarer Erbgroßherzog, against all odds. Dort werden, unter dem immer mehr zur rhetorischen Floskel verkommenden Freundschaftskult, die privaten Beziehungen unrettbar zwischen den nationalen Fronten zerrieben - hier bewähren sie sich über alle nationalen und sprachlichen Grenzen hinweg, in einem gegenseitigen Verständnis, das ebendeshalb allen Bedrohungen standhält, weil jeder so reden darf, wie ihm der Schnabel gewachsen ist. "Verstehen Sie! - O, wenn Sie doch Dänisch lesen könnten, dann sollte ich mich ausdrücken konnen, sprekken, plaudern, erzehlen, aber jezz - ja! - ich bin prostituirt." Eben weil er hier so ungezwungen sprekken darf, vermag er sich der Freundin so gut verständlich zu machen. Kann er sich nach einer seiner strapaziösen Reisen ein wenig erholen, seufzt er, nun sei er "endlich im Ruhestand". Auch habe er "sex neue Märchen" geschrieben, darunter "der häsliche Ente-Junge! (ja wie heis das ins Deutsch, es ist das Kind eine Ente, aber maskulinum)". Über die Komik mancher Sprachschnitzer lacht dabei niemand so herzlich wie er selbst, manchmal mitten in einem sentimentalen Gefühlsausbruch: "Wie viele innige und wahre Freunde hat der Herr Gott mir / mich (wie Sie wollen) gegeben."

Erik Dal, Doyen der dänischen Andersen-Forschung, und Paul Raabe haben dieser wunderbaren Korrespondenz das Gewand geschneidert, das sie verdient. Ausführlich und erfreulich gleichberechtigt werden beide Briefpartner vorgestellt; die Briefe werden angenehm lesbar kommentiert und überdies durch Auszüge aus Andersens Tagebüchern und autobiographischen Schriften so ergänzt, daß der Band sich über weite Strecken fast wie ein Briefroman liest; zeitgenössische Dokumente ergänzen das Bild. Das letzte von ihnen ist, wie könnte es anders sein, ein Märchen von Andersen. Geschrieben hat er es für jenen "kleinen Freund", der seine Redeweise so "sonderbar" fand: Lina von Eisendechers Sohn Carl, genannt Tuk. Für ihn schreibt Andersen das Märchen vom "kleinen Tuk", der sich in der Schule die dänischen Städte nicht merken kann und von dieser Sorge buchstäblich im Schlaf befreit wird. Er habe den Jungen also "zum Kopenhagener gemacht", entschuldigt er sich in einem Brief an seine Freundin, das sei nun der Dank für die Gastfreundschaft - "Ich stehle die Kinder und mache sie zu Kopenhagenern!"

Das hat er allerdings getan, mit ungezählten Kindern in der Welt; und in seinem zauberhaft falschen Deutsch gesteht er es nun ein, über ein zur dänischen Märchenfigur gewordenes Kind aus Deutschland. Schöner ist der Widerstand der Poesie gegen den Ungeist eines kriegerischen Nationalismus selten formuliert worden.

Hans Christian Andersen / Lina von Eisendecher: "Briefwechsel". Herausgegeben von Paul Raabe und Erik Dal. Wallstein Verlag, Göttingen 2003. 494 S., 22 Abb., geb., 38,- [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Es kann, gerade im Falle des Märchen-Autors Hans Christian Andersen, nicht schaden, der Literatur die Wirklichkeit zur Seite zu stellen, meint jedenfalls Hansjörg Graf. Und genau das geschehe in diesem Briefband, der die vollständige Korrespondenz des dänischen Autors mit Lina von Eisendecher dokumentiere. Bei der Familie Eisendecher in Oldenburg fand der viel reisende Andersen immer wieder ein Domizil - und in Lina eine Verehrerin, die stets ein offenes Ohr hatte und für den unter erotischen und literarischen Misserfolgen leidenden Dichter die richtigen Worte fand. Des Deutschen war Andersen nur bedingt mächtig, jedoch ist gerade das "Ungelenke", meint der Rezensent, "reizvoll" - und zeuge von der "Sprachphantasie" des Autors. Traurig sei es allerdings, dass die über Jahre andauernde, sehr enge, ja intime Freundschaft zuletzt an politischen Misshelligkeiten scheiterte. An deutsch-dänischen Streitereien über Politik zerbricht die Seelenverwandtschaft. Dieser Band aber, betont der Rezensent, leistet "zur Rezeptionsgeschichte des dänischen Dichters" einen "unschätzbaren Beitrag".

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