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Hiermit liegt der erste Band einer Auswahl von Briefen Max Webers auf der Grundlage der Max Weber-Gesamtausgabe vor. Dieser erste Band Reisebriefe enthält mehr als siebzig Briefe und Karten, die Max Weber auf seinen zahlreichen Reisen innerhalb Europas und in Nordamerika geschrieben hat. Der Band setzt mit Webers Jugendbriefen ein, denn er war früh eingeübt in die Kulturpraxis des Bürgertums, Anderen von seinen Reiseerfahrungen ausführlich und anschaulich Mitteilung zu machen. Schon von den Reisen mit Vater und Brüdern berichtete der junge Max lebhaft seiner Mutter. Über die ausgedehnten, mit…mehr

Produktbeschreibung
Hiermit liegt der erste Band einer Auswahl von Briefen Max Webers auf der Grundlage der Max Weber-Gesamtausgabe vor. Dieser erste Band Reisebriefe enthält mehr als siebzig Briefe und Karten, die Max Weber auf seinen zahlreichen Reisen innerhalb Europas und in Nordamerika geschrieben hat. Der Band setzt mit Webers Jugendbriefen ein, denn er war früh eingeübt in die Kulturpraxis des Bürgertums, Anderen von seinen Reiseerfahrungen ausführlich und anschaulich Mitteilung zu machen. Schon von den Reisen mit Vater und Brüdern berichtete der junge Max lebhaft seiner Mutter. Über die ausgedehnten, mit Marianne Weber unternommenen Reisen nach Schottland und Irland 1895, Frankreich und Spanien 1897 und die berühmte Reise quer durch die Vereinigten Staaten 1904 erhielt Helene Weber eingehende Berichte. Es sind kulturhistorische Momentaufnahmen mit dem Blick auf Clans und Sozialstrukturen in Schottland und Irland, auf den Erzabbau im Baskenland, den "Brutstätten des Capitalismus", oder die amerikanischen Sekten. Wir können Max Weber, stets mit Manuskripten und Lektüre unterwegs, bei seinem Besuch des Rijksmuseums in Amsterdam und in den mediterranen Süden begleiten. Der Band endet 1914 mit der letzten Reise in den Süden, wenige Monate vor Ausbruch des 1. Weltkriegs. Eingeleitet wird die Auswahl der Reisebriefe durch einen Essay von Hinnerk Bruhns (Paris); ein biografisches Personenregister erschließt die Briefe, die gegenüber der zugrundeliegenden Max Weber-Gesamtausgabe vereinfacht zum Abdruck gelangen. Die Briefauswahl wird durch einen weiteren Band Gelehrtenbriefe fortgeführt.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Autorenporträt
Geboren 1864 in Erfurt; Studium der Jurisprudenz, Geschichte, Nationalökonomie und Philosophie in Heidelberg, Berlin und Göttingen; 1889 Promotion über die Geschichte der Handelsgesellschaften im Mittelalter; 1891 Habilitationsschrift über Römische Agrargeschichte; Ordinarius für Nationalökonomie in Freiburg (ab 1894) und Heidelberg (ab 1897); Mitherausgeber des Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik und Redakteur des Grundriß der Sozialökonomik; umfassende Beiträge zur Methodologie der Sozialwissenschaften, zur Politik des deutschen Kaiserreichs, zu Wirtschaft, Politik, Religion, Recht und Kunst in universalgeschichtlicher Perspektive; nach langem, krankheitsbedingtem Interim schließlich Professor für Gesellschaftswissenschaft, Wirtschaftsgeschichte und Nationalökonomie in München (ab 1919); gestorben 1920 in München.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 30.01.2020

Besichtigung kapitalistischer Kulturblüten
Mit dem Baedeker im Gepäck: Eine gut edierte Auswahl aus den Reisebriefen Max Webers

Briefreich ist das Gelehrtenleben. Von den 3500 von Max Weber verfassten und in der Gesamtausgabe edierten Briefen ist nun eine kleine Auswahl von Reisebriefen erschienen. Sie beginnen mit den Erkundungen des Schülers von Blocksberg und Schneekoppe zwischen 1877 und 1880 und enden mit kürzeren Reiseberichten aus Südfrankreich, Italien und Ascona des Erholung suchenden Forschers aus der Zeit von 1902 bis 1914. Dazwischen liegen die Hochzeitsreise nach London und auf die Isle of Wight, Reisen nach Südwestfrankreich und Nordspanien sowie nach Schottland und Irland, Amerika und schließlich den Niederlanden und Belgien.

Insbesondere die amerikanische Reise, bei der er eine Einladung zu einem Kongress anlässlich der Weltausstellung in St. Louis 1904 zu einem dreimonatigen Aufenthalt nutzte, zeigt ihn als aufgeschlossenen und begierigen Beobachter einer fremden und doch nahen Kultur mit fast ethnographischem Blick. "Am eindeutigsten begeistert ist wie immer auf Reisen: Max, er findet dank seines Temperaments u. wohl auch seines überschauenden Wissens u. wissenschaftlichen Interesse's erst mal grundsätzlich alles schön u. besser als bei uns", schreibt seine Frau Marianne in die Heimat.

Webers besonderes Interesse gilt dabei der Frage, was mit dem Land der Indianer geschieht. Er trifft ihre Vertreter, schildert die Verkäufe ihrer Territorien, konstatiert ebenso nüchtern wie betroffen das Verschwinden ihres Kulturraums. "Die Stunde des Urwalds hat auch hier geschlagen." Jene der "capitalistischen ,Cultur'", die sich gefräßig alles aneignet, ist längst da. Auch ein Besuch in einem Clubhaus, das an der Stelle errichtet wurde, wo Longfellows Hiawatha-Legende "Urwald-Poesie" schrieb, zeigt nur ein letztes Residuum inmitten einer Landspekulation, die aus dem "Landcommunismus" der Indianer eben "Civilisation" in Anführungszeichen macht.

Der nächste Schritt ist dann in Chicago zu beobachten, wo Weber eine "eigentümliche Culturblüte" antrifft, welche die komplexe Organisation eines "Durcheinanderwehens der nationalen Zusammengruppierung" mit einer harten Ökonomisierung des Alltags verbindet. Die Stadt erscheint ihm wie ein Mensch ohne Haut, bei dem man "die Eingeweide arbeiten sieht". Weber besucht mit den Schlachthäusern auch den Ort, der später nicht zuletzt durch Upton Sinclairs Roman "Der Sumpf" zum Emblem der industrialisierten Moderne wird. "Überall fällt die gewaltige Intensität der Arbeit ins Auge", notiert er angesichts der durch den Rhythmus der Maschinen vorgegebenen Zerteilung der Tierkörper, um dann zu konstatieren, dass die Stadt das unfiltrierte Wasser des Lake Michigan trinkt und Typhus an der Tagesordnung ist.

Weber beobachtet in Amerika eine Übergangs- und Umbruchszeit, die auf der einen Seite auf ökonomische Modernisierung setzt und sich doch auf der anderen durch eine Fülle von Kirchen und religiösen Praktiken auszeichnet. Die Urwälder und die Romantik verschwinden, die Kirchen mit ihren mitunter überkommenen Vorstellungen bleiben. Ohnehin besucht Weber - ganz Religionssoziologe - auf allen seinen Reisen Kirchen und Gemeinschaften und interessiert sich für ihre Organisation inmitten einer Welt, in der die Industrie längst auch den Tourismus in Beschlag genommen hat.

Weber hat den Baedeker im Gepäck und lässt sich mitunter durch Thomas Cooks Firma seine Aufenthalte organisieren. Auch seine Reisen folgen bereits touristisch gebahnten Wegen und sind weit davon entfernt, Entdeckungstouren zu sein, auch wenn ihn die "große wunderbare Einsamkeit" Schottlands begeistert. Max Weber berichtet allerdings allenfalls am Rande von kunst- und kulturhistorischen Highlights und interessiert sich weitaus mehr für die Bevölkerung mit ihren Eigenheiten. Sein Blick ist scharf und seine Feder spitz, seine Beobachtungen sind pointiert und seine Schilderungen ebenso elegant wie detailreich. Gleichwohl sind ihm auch koloniale Stereotypen wie die Rede von "Negern" nicht fremd, und auch wenn er die "Rassenfrage" mit der "Klassenfrage" verbunden sehen möchte, spricht er despektierlich von den schwarzen Arbeitern der Plantagen des Cotton Belts.

Letztlich machen gerade diese Widersprüchlichkeiten den heutigen Reiz seiner Briefe aus und ihre Lektüre zu einer Erkundung einer Welt im Umbruch. Die Auswahl hätte vielstimmiger ausfallen können, wenn die Herausgeberinnen anstelle der alles in allem deutlich lapidareren späten Reisebriefe auch jene seiner Frau Marianne aufgenommen hätten, die sie während der Amerika-Reise verfasst hat. Sie - "Schnauzel" genannt - erscheint daher einzig als Adressatin von Briefen und Karten, die ihr Max Weber aus dem Süden Europas sendet und in denen die Faszination der Ferne allmählich in die Gewohnheit des Bekannten übergeht.

BERND STIEGLER

Max Weber: "Reisebriefe 1877-1914".

Hrsg. von Rita Aldenhoff-Hübinger und Edith Hanke. Mit einem Einleitungsessay von Hinnerk Bruhns.

Mohr Siebeck Verlag, Tübingen 2019. 241 S., geb., 29,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Am meisten fasziniert haben Rezensent Bernd Stiegler in dieser kleinen Auswahl aus dem Gesamtwerk der Briefe jene aus den USA von 1904. Weniger an "kulturellen Highlights" sondern vor allem an der Bevölkerung interessiert zeigt sich Max Weber hier, neugierig auf die Formen ihrer Arbeit und Religionsausübung, so Stiegler. Weber beeindruckte offenbar der Widerspruch zwischen großer Modernität in der industrialisierten Organisation der Arbeit und den eher rückwärts gewandten religiösen Praktiken. "Despektierlich", so der aufmerksame Kritiker, spricht er über die Schwarzen des "Cotton Belts", hartnäckig dagegen folgt er den Schicksalen der indigenen Bevölkerung und ihres Landes, trifft sich mit den Vertretern und notiert betroffen den Niedergang, der nach den jeweiligen Verkäufen der Territorien einsetzte. Stiegler reizen diese Widersprüche, aber er bedauert die Auswahl dennoch ein wenig, da ihn die späteren Kartengrüße des inzwischen routiniert Reisenden weitaus weniger interessiert haben. Dagegen hätte eine Auswahl der Briefe seiner Frau Marianne das Bild besser abgerundet, informiert uns der kundige Rezensent.

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