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Die "Globalisierung" führt heute jeder im Munde, aber was genau darunter zu verstehen ist, darüber herrscht vielfach Unklarheit. Jürgen Osterhammel, der seit seinem Bestseller Die Verwandlung der Welt zu den angesehensten Historikern unserer Zeit gehört, geht in diesem Band einer ubiquitären "Denkfigur" des 21. Jahrhunderts genauer auf den Grund und stellt die grundsätzliche Frage nach den Maßstäben und Methoden einer Vorgeschichte der globalen Gegenwart. Wer die Vergangenheit verstehen will, der bedarf - wie die Essays dieser Sammlung höchst eindrucksvoll zeigen - der "Flughöhe der Adler": In…mehr

Produktbeschreibung
Die "Globalisierung" führt heute jeder im Munde, aber was genau darunter zu verstehen ist, darüber herrscht vielfach Unklarheit.
Jürgen Osterhammel, der seit seinem Bestseller Die Verwandlung der Welt zu den angesehensten Historikern unserer Zeit gehört, geht in diesem Band einer ubiquitären "Denkfigur" des 21. Jahrhunderts genauer auf den Grund und stellt die grundsätzliche Frage nach den Maßstäben und Methoden einer Vorgeschichte der globalen Gegenwart. Wer die Vergangenheit verstehen will, der bedarf - wie die Essays dieser Sammlung höchst eindrucksvoll zeigen - der "Flughöhe der Adler": In seiner großen Höhe hat er den weiten Überblick und behält dennoch die Details am Boden fest im Auge.
Autorenporträt
Jürgen Osterhammel ist Professor für Neuere Geschichte an der Universität Konstanz. Er ist zusammen mit Akira Iriye Herausgeber der "Geschichte der Welt", in der er zuletzt gemeinsam mit Sebastian Conrad den Band "Wege zur modernen Welt. 1750 – 1870" (2016) veröffentlicht hat.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.02.2017

Wer wird denn immer gleich global werden?
Lob des Plurals: Jürgen Osterhammel erweitert die historischen Perspektiven

Wann sieht der "Westen" alt aus? Warum gibt es eine historische Grenzforschung, aber keine historische Brückenforschung? Seit wann steigt Asien auf - und wohin eigentlich? Wie gingen Menschen mit Tigern um? Gibt es nur eine Globalisierung? Mit solchen Fragen befassen sich die Kapitel in Jürgen Osterhammels jüngstem Essayband zur "Globalen Gegenwart". Sie repräsentieren dabei so unterschiedliche Genres wie den wissenschaftlichen Lehrbuchbeitrag, den Festvortrag, den Zeitschriftenaufsatz und die Dankesrede.

Osterhammel geht seine Fragen dezidiert als Historiker an. Das ist eine in Zeiten manchmal produktiver, manchmal aber auch erzwungener Interdisziplinarität keineswegs selbstverständliche Positionsbestimmung. In Essays zielt diese professionelle Selbstverortung naheliegenderweise nicht auf die Kompetenz zur umfassenden Darstellung vergangener Diversität, wie es Osterhammel in seinem Buch "Die Verwandlung der Welt" am neunzehnten Jahrhundert vorgeführt hat.

Sie markiert vielmehr eine Skepsis gegenüber linearen Prognosen und allzu simplen Großerzählungen über Kontinente und Jahrhunderte hinweg, wie sie etwa das Reden von einer unvermeidbaren "Globalisierung", die sich überall beobachten lässt, als herausragender Eigenschaft der Gegenwart darstellt.

Diese Historikerperspektive führt zu zwei Herangehensweisen an die ausgewählten Gegenstände. Eine insistiert auf einen nur scheinbar trivialen Punkt: Seit wann und für wen war eine begrifflich scheinbar leicht fassbare Entwicklung erkennbar? Die Antwort führt fast immer zu einer zeitlichen, räumlichen oder sozialen Eingrenzung und damit zu der Anschlussfrage nach Wert und Grenzen des Konzepts "Globalisierung".

Die andere Herangehensweise fragt danach, was zu erwarten sein könnte, wenn man die Geschichte einer aktuellen Problemstellung erzählen oder die Historisierung eines scheinbar ahistorischen Gegenstands betreiben würde. Um zwei konkrete Beispiele zu nennen: Der "Westen" ist ein zentraler Bezugspunkt politischer Wertediskussionen, aber auch historischer Großerzählungen wie Heinrich August Winklers "Geschichte des Westens".

Osterhammels Essay zum "Westen" wendet sich nicht polemisch, aber bestimmt gegen den Ansatz, einen normativen Westen zu bestimmen und diesen in die europäisch-atlantische Geschichte zu projizieren. Stattdessen weist er darauf hin, dass zum "Westen" auch ein "Osten" gehört, der sein negatives Gegenbild darstellt; dass "der Westen" als Markierung eines politischen Raumes strenggenommen auf das Jahr 1942 zurückgeht, aber eine bis ins neunzehnte Jahrhundert reichende Vorgeschichte hat; und dass in dieser Vorgeschichte die Außenansicht vom "Osten" (dem Osmanischen Reich, Russland, China oder Japan aus) eine oft unterschätzte Rolle spielte.

Auch Osterhammels Auseinandersetzungen mit "der Globalisierung", der einige Essays gewidmet sind, oder den Ambivalenzen von "Schutzverantwortung" in kolonialen und nachkolonialen Konstellationen oder dem "Aufstieg Asiens" führen zu einer Historisierung dieser Begriffe, indem sie genau auf die Kontexte bezogen werden, in denen sie auftauchten und prominent wurden. Der Vorschlag, statt von Globalisierung zu reden, über "Globalisierungen" nachzudenken, die unterschiedliche Lebensbereiche, Personen und Regionen in sehr verschiedener Weise betreffen, ist ein wichtiger Ertrag.

Der Essay über Brücken ist ein Beispiel für diesen zweiten Zugang. Brücken haben eine Geschichte, sind aber kein zentraler Gegenstand historischer Forschung. Dabei ist die Brücke ebenso wenig selbstverständlich wie die Grenze. Das gilt für ihre bauliche Gestalt, aber auch für Fragen der privaten und öffentlichen Finanzierung, die Nutzung von Brücken als Kontrollpunkt oder als Brückenkopf, der zum einen oder anderen Ufer gehört, die Verletzlichkeit von Brücken in Kriegen und die Nutzung von Brücken als politischem Symbol. Nach der Lektüre der Erwägungen zu Unterschieden zwischen europäischen und asiatischen Brücken sieht man die Abbildung auf den Eurobanknoten in einem anderen Licht. Ähnliches gilt für "Bürgerkriege" oder "Öffentlichkeiten", aber auch für Themen wie das Wechselspiel von Naturschutz und Jagd (am Beispiel der Tiger). Es ist ein Band, der Perspektiven produktiv verändert.

ANDREAS FAHRMEIR.

Jürgen Osterhammel: "Die Flughöhe der Adler". Historische Essays zur globalen Gegenwart.

Verlag C. H. Beck, München 2017. 300 S., br., 19,95 [Euro].

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"Vorzüglich (...) Die Fähigkeit, diesen Überblick mit profunder Detailkenntnis zu verbinden, gehört zu den Vorzügen des Osterhammelschen uvres. Die Form des kurzen Aufsatzes beherrscht er perfekt. In dieser Beschränktheit zeigt sich der Meister."
ZEIT , Andreas Eckert

"Fulminant."
Kathrin Meier-Rust, Neue Zürcher Zeitung am Sonntag, 26. Februar 2017