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Wir leben in einer Wissensgesellschaft, die freien Zugang zu Informationen ermöglicht. Doch ist längst eine paradoxe Situation entstanden: Wissen ist gefährlich. Die Möglichkeiten, Wissen zu erwerben, können zu erheblichen Konflikten führen. »Was darf ich wissen?« Diese Frage könnte in unserem Informationszeitalter zu einer Schlüsselfrage werden. Wer Wissen erwirbt, noch dazu technisches Wissen, kann schnell an den Rand der Legalität geraten. Je mehr Technologien vermögen, desto weniger wird das Wissen über diese Technologien frei verfügbar. Wir müssen uns daher mehr und mehr mit dem bizarren…mehr

Produktbeschreibung
Wir leben in einer Wissensgesellschaft, die freien Zugang zu Informationen ermöglicht. Doch ist längst eine paradoxe Situation entstanden: Wissen ist gefährlich. Die Möglichkeiten, Wissen zu erwerben, können zu erheblichen Konflikten führen. »Was darf ich wissen?« Diese Frage könnte in unserem Informationszeitalter zu einer Schlüsselfrage werden. Wer Wissen erwirbt, noch dazu technisches Wissen, kann schnell an den Rand der Legalität geraten. Je mehr Technologien vermögen, desto weniger wird das Wissen über diese Technologien frei verfügbar. Wir müssen uns daher mehr und mehr mit dem bizarren Konzept des »Verbrechens der Vernunft« auseinandersetzen, damit, daß frei erworbene Erkenntnisse aus wirtschaftlichen, politischen oder militärischen Gründen als illegal erklärt werden. So gehört es zu den Absurditäten des Patentrechts, daß Konzerne in großem Umfang neue und auch zu erwartende Entwicklungen schützen lassen und damit andere Erfindungen blockieren; ein Geistesblitz kann dann schnell eine Verletzung des Patentrechts bedeuten. Ob es um Atomphysik geht, um Gentechnik oder Computerprogramme - der Physiknobelpreisträger Robert B. Laughlin enthüllt in seinem Essay die Mechanismen der Geheimhaltung von Wissen und zeigt anhand von vielen Beispielen, daß bald ein neues 'Dunkles Zeitalter' beginnen könnte, dessen Kennzeichen nicht Information und Wissen sind, sondern Desinformation und Ignoranz.
Autorenporträt
Robert B. Laughlin, geboren 1950, Professor für Physik an der Stanford University, Nobelpreis für Physik 1998 (zusammen mit Horst Störmer und Daniel C. Tsui für die »Entdeckung einer neuen Art von Quantenflüssigkeit«). Von 2004 bis 2006 war Laughlin Präsident der Technischen Universität KAIST in Südkorea. Er hält regelmäßig Vorträge an international renommierten Universitäten auf der ganzen Welt. Ausgezeichnet wurde er auch mit dem Ernest O. Lawrence Award for Physics, der Benjamin Franklin Medal, dem Oliver E. Buckley Prize und der Onsager Medal. Robert B. Laughlin ist Eröffnungsredner der unseld lectures am Forum Scientiarum im Mai 2008.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 15.12.2008

Im Bann der Vielfalt
Die Edition Unseld vermisst unsere Wissenskultur
Grüne Gentechnologie ist trotz vielfacher Anstrengungen von Wissenschaft und Wirtschaft nur schwer durchsetzbar, und je nach Umfrage glauben bis zu 60 Prozent der Bevölkerung nicht an die menschliche Evolution. Woran liegt das? Sind die Argumente der Gentechnologiegegner oder der Kreationisten so gut, dass sie eine Mehrheit zu überzeugen vermögen? Nicht unbedingt, auch wenn das immer wieder geprüft werden muss.
Möglicherweise wird umgekehrt ein Schuh daraus, indem man fragt, ob die in der breiten Öffentlichkeit kursierende Art, Wissenschaft darzustellen, überhaupt angemessen ist. Vieles spricht dagegen, wenn beispielsweise Wissenschaft wie eine Getränkemarke angepriesen wird. Das hat meistens zur Folge, dass die Realität dieser Wissenschaft zu einem absonderlichen Gebilde verzerrt wird, das vorrangig dazu dient, Forschungsgelder einzutreiben und gesellschaftliche Autorität zu erlangen. Und wenn das, wie im Falle der grünen Gentechnologie, schiefgeht, glauben immer noch einige, dass die falsche PR-Strategie gewählt worden sei.
Die Realität der Wissenschaft ist aber, dass eine Studie behauptet, Rotwein sei gut für die Blutgefäße und wirke lebensverlängernd, während die nächste Studie zumindest letzteres in Frage stellt. Und es ist auch eine Realität der Wissenschaft, dass die Evolutionstheorie die am besten bewährte Theorie über die Entstehung des Menschen ist, aber eine absolute Gewissheit vermag sie nicht zu verschaffen. Jeder reflektierende Wissenschaftler weiß das, und doch gehen die entscheidenden Nuancen im öffentlichen Gefecht immer wieder unter. Gleichzeitig erheben vor allem die Neuro- und die Biowissenschaften wieder einmal den Anspruch, den innersten Kern von uns Menschen endlich entdecken zu können. Und auch hier muss die Frage erlaubt sein, ob sie dafür wirklich so gute Argumente vorweisen können.
Interessante Probleme gibt es zur Genüge, aber die lassen sich eben nur bedingt in aufwendigen Leistungsshows darstellen. Gefragt sind vielmehr die Tugenden einer intellektuellen Wissenschaft, die zugleich informiert und distanziert ist, genaue Beschreibungen liefert und sich traut, die Wissenschaften aus einer ungewöhnlichen, überraschenden und provozierenden Perspektive zu betrachten. Die Wissenschaften verändern sich, und nun geht es auch darum, neue Wege im Nachdenken und Reden über sie zu beschreiten. Solche Versuche sind schon mehrfach unternommen worden: mit den großen Stilisten der Naturwissenschaften wie etwa Helmholtz, Poincaré oder Schrödinger, die Popularisierung von Wissenschaft so verstanden haben, dass sie die über ihr Fachgebiet hinausgehenden Fragen der wissenschaftlichen Entwicklung behandelt haben; oder mit der Diskussion um die zwei Kulturen, die eigentlich zu deren Überwindung beitragen sollte, im Grunde aber nicht mehr war als ein Schlagabtausch zwischen zwei Wissenskulturen, die ihren Einfluss in Zeiten des Kalten Krieges sichern wollten.
Wenn die neue „edition unseld” einen weiteren Versuch einer Annäherung von Geistes- und Naturwissenschaften wagt, so geht es um neue Wege, die durch Wissenschaft und Technik hervorgerufenen Veränderungen in den Blick zu nehmen. Betrachtet man die ersten Bände, so fällt auf, dass niemand über ein Deutungsmonopol verfügt. Natur- und Geisteswissenschaftler, Essayisten und Poeten kommen gleichberechtigt zu Wort. Der Traum von einer Einheit der Wissenschaft, wie ihn der Wiener Kreis, die Kybernetik und manche Vertreter der analytischen Philosophie verfolgen, bleibt bis auf Weiteres ein Wunschtraum.
Genau um diesen Punkt geht es in dem Band der Wissenschaftsphilosophin Sandra Mitchell, wenn sie argumentiert, dass die Kategorien der klassischen Newtonschen Wissenschaften wie Allgemeingültigkeit, Einfachheit oder Einheitlichkeit angesichts der Erforschung von Komplexität nicht mehr recht greifen. Das Klima oder die Depression, Verkehrsaufkommen oder Katastrophen lassen sich nicht erschöpfend nach dem Prinzip erforschen, wonach komplexe Prozesse so weit wie möglich in ihre Einzelteile zerlegt werden, um sie auf diese Weise von unten nach oben zu erklären. Stattdessen geht es darum, einen systemischen Ansatz zu verfolgen, der mit Kategorien wie Kontingenz, Chaos und Emergenz operiert.
Mitchell geht es nun weniger darum, den Klimaforschern die Wissenschaftsphilosophie nachzuliefern; es geht ihr vielmehr darum, dass die Philosophie selbst noch nicht die epistemologischen Konsequenzen aus diesen wissenschaftlichen Veränderungen gezogen hat. Die Annahme der einen wissenschaftlichen Methode ist passé, und was bleibt, sind pragmatische, pluralistische Auffassungen vielfältiger Methodensysteme.
Nun wird die Einheit der Wissenschaften schon seit längerem ernsthaft in Zweifel gezogen, und insofern ist Mitchells Essay nicht ganz der Anfang zum Verständnis der Welt, wie der Untertitel vollmundig verspricht. Hingegen sind wir allerdings erst am Anfang einer vernünftigen Umgehensweise damit, dass wir im Zeichen der Komplexität nicht mehr die gleiche Sicherheit einer Voraussage annehmen können wie etwa bei einer Sonnenfinsternis oder einer Mondlandung.
Da es um komplexe Phänomene wie Ökosysteme, Gehirn oder Volkswirtschaften geht, sind Voraussagen zwar unabdingbar, aber sie bleiben äußerst schwierig. Dieser Umstand ist auch für die gesamte Gesellschaft relevant. Mitchell weist zurecht darauf hin, dass Politiker die Uneinigeit unter den Wissenschaftlern gern nutzen, um Entscheidungen hinauszuzögern. Insofern ist es ein drängendes Problem, wie mit einer vermehrt auf bloßen Wahrscheinlichkeiten aufbauenden Wissenskultur in der Gesellschaft verfahren wird.
Eine ähnliche Frage ließe sich auch ausgehend von Robert Laughlins Polemik über den Betrug an der Wissensgesellschaft formulieren, nur dass es hier nicht um Wahrscheinlichkeit sondern um Erkenntnis als Ware geht. Laughlin sorgt sich um das Ideal einer freien, nicht von Interessen geleiteten Forschung, die in erster Linie der Erkenntnis dient. Dieses aus dem 19. Jahrhundert stammende Ideal schmilzt in unserer globalisierten Welt tatsächlich so schnell wie das Eis der Antarktis. Die Klage, dass wir auf eine Situation zusteuern, in der immer mehr Wissen nicht der Allgemeinheit zur Verfügung steht, weil das gegen die Interessen militärischer oder wirtschaftlicher Lobbys geht, ist also völlig berechtigt.
Nur wäre Laughlins Argumentation überzeugender, wenn er ökonomische Habgier und legitime Sicherheitsinteressen der Menschheit etwas genauer auseinanderhielte. Es ist eines, dass Firmen Gensequenzen patentieren lassen, bevor sie überhaupt wissen, was der biologische Nutzen dieser Sequenzen ist; aber es ist etwas anderes, bestimmte biotechnologische Forschung geheimzuhalten, wenn sie eine umfassende Gefahr darstellen. Vermutlich lässt sich wissenschaftliches Wissen auf längere Sicht ohnehin nicht geheimhalten, aber dann müssen politische und nicht wissenschaftliche Mechanismen geschaffen werden, die vor den potentiellen Gefahren dieses Wissens effektiv zu schützen vermögen.
Darüber hinaus kann Laughlin leider ein verschwörungstheoretisches Hintergrundrauschen nicht ganz unterdrücken, und das läuft dann auf das etwas abgestandene Muster hinaus, dass genialische Erfinder oder Entdecker von undurchsichtigen Kräften in ihrer Kreativität behindert werden. Als ob das nicht schon seit der Antike so wäre. Dennoch öffnet der Band die Augen dafür, dass geheimes Wissen noch lange nach dem Zeitalter der Geheimwissenschaften eine wichtige Rolle spielt. Auch die vermeintlich offene Gesellschaft der Moderne hat ihre dunklen Kammern, und denen gilt es sich zuzuwenden.
Einen Rückfall in barbarische Zeiten befürchtet auch Dietmar Dath, wenn er neuen rechten Darwinisten (besser noch: Globaldarwinisten) vorwirft, den Solidarvertrag aufzukündigen, indem sie ganzen Gruppen der Gesellschaft klarmachen, dass sie nicht weiter gebraucht werden. Vergegenwärtigt man sich die Tendenz zur Schrumpfung des Mittelstands bei gleichzeitiger Vergrößerung der Kluft zwischen arm und reich, so muss man ernstlich an neuen Adel und neuen Feudalismus denken. Anstatt nun in einen kulturpessimistischen Trübsinn zu verfallen, wie ihn die Linken seit dem Ende der siebziger Jahre bevorzugt pflegen, optiert Dath kämpferisch für einen sozialistischen, aufgeklärten Universalismus, der sich dadurch auszeichnet, dass die Gleichheit der Menschen der Gnaden- und Lieblosigkeit der Natur entgegengesetzt wird.
Manches an Daths Spekulationen bleibt etwas verschwommen, doch sehr bemerkenswert ist sein Naturbegriff, der eben nicht von einer sorgsamen ökologischen Pflege der lieben Natur ausgeht, sondern der Kälte, Absichtslosigkeit und Zufälligkeit der natürlichen Prozesse ins Auge blickt. Die Pointe dabei ist, dass dies ein bislang wenig beachteter, aber doch zentraler Gedanke bei Darwin ist: Überleben in der Natur ist eine Frage von Zufall, Anpassung und Stärke, doch die höchste zivilisatorische Entwicklung des Menschen besteht darin, diesen Mechanismus zu durchbrechen. Wahre Humanität heißt, die vermeintlich Schwachen und Nichtprivilegierten zu unterstützen – zumal jeder irgendetwas kann, wie Dath hinzufügt.
So unterschiedlich die Texte von Mitchell, Laughlin und Dath auch sind, sie alle setzen voraus, dass wir unsere Zukunft viel mehr selbst in der Hand haben, als es uns eine technologischer oder ökonomischer Determinismus suggeriert. Genau das ist der Gegenstand einer intellektuellen Wissenschaft. MICHAEL HAGNER
SANDRA MITCHELL: Komplexitäten. Warum wir erst anfangen, die Welt zu verstehen. Aus dem Amerikanischen von Sebastian Vogel. Edition Unseld, Frankfurt am Main 2008, 173 Seiten, 10 Euro.
ROBERT B. LAUGHLIN: Das Verbrechen der Vernunft. Betrug an der Wissensgesellschaft. Aus dem Amerikanischen von Michael Bischoff. Edition Unseld, Frankfurt am Main 2008. 193 Seiten, 10 Euro.
DIETMAR DATH: Maschinenwinter. Wissen, Technik Sozialismus. Eine Streitschrift. Edition Unseld, Frankfurt am Main 2008. 130 Seiten, 10 Euro.
Unser Gehirn ist komplexer als eine Sonnenfinsternis
Der Traum von der Einheit der Wissenschaft bleibt Wunschtraum
Was setzen wir der Gnadenlosigkeit der Natur entgegen?
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