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Seit vierzig Jahren dreht Rosa von Praunheim Spiel- und Dokumentarfilme. Er zählt weltweit zu den produktivsten schwulen Filmemachern. Sein engagiertes künstlerisches Schaffen hat die Emanzipationsbewegung maßgeblich beeinflusst und vorangetrieben. Seit seinem 17. Lebensjahr führt er Tagebuch, schonungslos gegen sich selbst und seine Umwelt. Erst sechzigjährig erfährt er, dass seine leibliche Mutter 1946 in der Psychiatrie verstorben ist, und sehr wahrscheinlich ermordet wurde. Rosa von Praunheim hatte das Glück, seine Verrücktheit in über siebzig Filmen zu verarbeiten, und das Glück schwul…mehr

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Produktbeschreibung
Seit vierzig Jahren dreht Rosa von Praunheim Spiel- und Dokumentarfilme. Er zählt weltweit zu den produktivsten schwulen Filmemachern. Sein engagiertes künstlerisches Schaffen hat die Emanzipationsbewegung maßgeblich beeinflusst und vorangetrieben. Seit seinem 17. Lebensjahr führt er Tagebuch, schonungslos gegen sich selbst und seine Umwelt. Erst sechzigjährig erfährt er, dass seine leibliche Mutter 1946 in der Psychiatrie verstorben ist, und sehr wahrscheinlich ermordet wurde. Rosa von Praunheim hatte das Glück, seine Verrücktheit in über siebzig Filmen zu verarbeiten, und das Glück schwul und kämpferisch zu sein, in einer Zeit, in der es kein KZ mehr gab. "Rosas Rache" ist eine Abrechnung mit sich selbst und seinen Feinden, mit spießigen Schwulen, Heteros und Menschen, die die Kunst verraten. Seine Adoptiv-Mutter sagte ihm einmal, sie hätte zwei Weltkriege überlebt: Er sei der Dritte.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.10.2009

Wer braucht Star Wars?
Rosa von Praunheims Notizen aus der Prominenz

"Ich liebe Memoiren", jubelt Rosa von Praunheims Tagebuch am 19. August 1985. Und acht Jahre später kommen auch schon seine eigenen heraus: "50 Jahre pervers", pikanterweise erst nach dem eigentlichen Lebensjubiläum publiziert, das auf den 25. November 1992 fiel. Aber die erste Fassung der Memoiren ging noch einigermaßen pünktlich am 4. April 1992 an den Autor zur Überprüfung, wie wir dem entsprechenden Tagesnotat entnehmen können. Was mag Rosa von Praunheim danach noch geändert haben - der Mann, der dafür bekannt ist, alles öffentlich zu machen? Das erfahren wir leider aus seinen Tagebüchern nicht, die nun, noch einmal sechzehn Jahre später, die Erinnerungen aufs amüsanteste und interessanteste ergänzen und aktualisieren.

Rosa von Praunheim wurde als Holger Mitschwitzky geboren und führt seinen Künstlernamen schon fast so lange wie sein Tagebuch. Das setzt 1960 ein, Holger ist da siebzehn, und sein Comingout als Homosexueller steht erkennbar kurz bevor: "Abends um halb neun mit Mutti und Vati im Kino: Anders als Du und ich von Veit Harlan über den § 175. Verwirrte mich sehr." In den Jahren danach - Praunheim ist aus Praunheim nach Berlin umgezogen - lebt er sich immer intensiver in die Schwulen- und die Künstlerszene der Stadt ein. Im Tagebuch nimmt er betreffs der dabei jeweils gängigen Praktiken genauso wenig ein Blatt vor den Mund wie im Filmschaffen, das seit "Schwestern der Revolution" von 1969 im Zeichen des Kampfes von Homosexuellen beiderlei Geschlechts um ihre Freiheit steht.

Mittlerweile hat Rosa von Praunheim 62 Filme gedreht, der 63., "Rosas Höllenfahrt", wird am 31. Oktober in die deutschen Kinos kommen, und der 64. ist in Arbeit. Wie man dem letzten Eintrag von Praunheims Internet-Tagebuch entnehmen kann, ist er derzeit zu Dreharbeiten in New York, seiner zweiten Lebensstadt. Heißen wird der Film "New York Memories".

Ein stolzes Schaffen für jemanden, der als nicht einmal Dreißigjähriger bereits elf Filme abgedreht hat, darunter die famose "Bettwurst" und das sprichwörtlich gewordene Werk "Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt", und der 1972 festhält: "Der Sinn des Lebens besteht für mich aus Spiel, Fantasie, Exzentrik, Einfällen und spielerischem Intellekt . . . Filme zu machen ist nicht die Hauptsache, die Hauptsache ist, intensiv zu leben: Erfahrungen, Abenteuer, Erkenntnisse." Und von diesem Anspruch ist Rosa von Praunheim nicht abgewichen - zum Glück auch nicht in der Nebensache Film, die ihm doch recht häufig zur Hauptsache gerät, auch im Ärger, etwa, nachdem er 1977 in Amerika "Star Wars" gesehen hat: "diesen unsensiblen Kriegsfilm".

"Rosas Rache" heißt der gerade bei Martin Schmitz erschienene Band, der so schön produziert ist, wie man es von dem Berliner Kleinverlag gewohnt ist. Zu den drastisch gekürzten Notaten - Auslassungen werden nicht ausgewiesen - gibt es ein Propädeutikum zu wichtigen Lebensthemen wie "Mütter", "Sex und Liebe" oder "Aids". Und es gibt Bilder, viele Bilder, ein Drittel des Buchs. Das soll wohl den Untertitel "Filme und Tagebücher seit 1960" rechtfertigen, aber es ist viel Material gesammelt worden, das mit Praunheim selbst, nicht aber mit seinem Werk zu tun hat. Oder sagen wir: nicht direkt, denn natürlich ist Rosa von Praunheim sein eigenes Kunstwerk, und dieses Buch ist noch eine Facette im paradiesvogelbunten Kaleidoskop dieser Schöpfung.

So muss man es denn auch lesen: mit Freude an der schillernden Figur. Wer dazu bereit ist, der findet unter allem Tratsch und dem "Toll, toll, toll"-Jauchzen des Autors subkutan eine Geschichte der Schwulenbewegung, Stadtporträts von Berlin und New York, die anders aussehen als jeder Reiseführer, und ein Bekenntnis zur Individualität, das vor allem gegen eines keine Rücksicht kennt: sich selbst. Auch das ist eine Kunst.

ANDREAS PLATTHAUS

Rosa von Praunheim: "Rosas Rache". Filme und Tagebücher seit 1960. Martin Schmitz Verlag, Berlin 2009. 333 S., Abb., geb., 29,80 [Euro].

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