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Der Stadtneurotiker Annie Hall USA 1977 f 93 min R: Woody Allen B: Woody Allen, Marshall Brickman K: Gordon Willis D: Woody Allen (Alvy Singer), Diane Keaton (Annie Hall), Tony Robens (Rob), Carol Kane (Allison Portchnick), Paul Simon (Tony Lacey), Christopher Walken (Duane Hall) Der Film beginnt und endet mit einem Witz. Beide erzählt Alvy Singer, 'stand up comedian' in New York und ebendort zurückgelassen von Annie Hall, die sich wegen einer Karriere als Sängerin nach Los Angeles verabschiedet hat. In der direkten Publikumsanrede zu Beginn des Films betont Alvy, er werde niemals in einen…mehr

Produktbeschreibung
Der Stadtneurotiker Annie Hall USA 1977 f 93 min R: Woody Allen B: Woody Allen, Marshall Brickman K: Gordon Willis D: Woody Allen (Alvy Singer), Diane Keaton (Annie Hall), Tony Robens (Rob), Carol Kane (Allison Portchnick), Paul Simon (Tony Lacey), Christopher Walken (Duane Hall) Der Film beginnt und endet mit einem Witz. Beide erzählt Alvy Singer, 'stand up comedian' in New York und ebendort zurückgelassen von Annie Hall, die sich wegen einer Karriere als Sängerin nach Los Angeles verabschiedet hat. In der direkten Publikumsanrede zu Beginn des Films betont Alvy, er werde niemals in einen Club eintreten, der Leute wie ihn als Mitglieder aufnehme. In dieser Bemerkung liegt bereits die Tragik der Alvy-Singer-Figur begründet - eine Tragik, die auch für andere Woody-Figuren gilt. Sie rührt aus einer geradezu emphatischen Selbstausgrenzung: Der Komiker Alvy akzeptiert die Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft ebenso wenig, wie der Liebhaber Alvy sich auf eine Beziehung einlassen kann, die seine narzisstisch gehüteten Harmonievorbehalte gefährdet. Dass Alvy diese strukturelle Liebesunfähigkeit mit Besessenheit pflegt, macht die Komik seiner Figur aus. Im assoziativen Verfahren eines filmischen Bewusstseinsstroms geht der Film zunächst auf Zeitreise durch die Lebens- und Liebesgeschichten Alvy Singers. Geschichten aus früher Kindheit, aus erster und zweiter Ehe sind brillant verwoben mit Momentaufnahmen der Liebesbeziehung zu Annie Hall. Die Rückblenden setzen in der Schulzeit ein, zeigen die absurde Verzweiflung des kleinen Alvy über die Expansion des Universums und das frühe Erwachen seiner Sexualität. Die Durchdringung verschiedener Wirklichkeitsebenen - von Vergangenheit und Gegenwart, von Erzähler und Erzähltem - beherrscht Allen meisterhaft und in außerordentlich komischer Weise. Als zum Beispiel das Schulkind Alvy bei einer Kuss-Attacke auffliegt und zur Strafe in die Ecke gestellt wird, sitzt mit dem erwachsenen Alvy Singer mit einem Mal die Erzählerfigur an der Schulbank und rechtfertigt sich dem belästigten Mädchen gegenüber, sein sexuelles Begehren habe nie die von Freud beschriebene Latenzperiode gehabt. Raffiniert steigert Allen die Komplexität solcher Zeitreisen, etwa indem er die Rückblende in die Vergangenheit des Schulmilieus zu einer fiktiven Vorausschau auf das Leben seiner Klassenmitglieder wendet und die Knirpse Kurzberichte einer Biografie geben lässt, die ihnen zu diesem Zeitpunkt noch verborgen sein muss ("I used to be a heroine addict, now I'm a methodine addict"). In seiner Erzählstruktur gleicht der Film insbesondere in seinen Anfangssequenzen einer Achterbahnfahrt - eine deutliche Entsprechung zum Elternhaus von Alvy, das in einem Vergnügungspark direkt unterhalb einer Achterbahn liegt, wie auch zum weiteren Verlauf der Liebesgeschichte. "A nervous romance" lautete im amerikanischen Verleih der Werbeslogan des Films und Allen vermeidet von Beginn an alle Illusionen über die Zerbrechlichkeit der Liebe. Nachdem die ersten Szenen ein Psychogramm Alvy Singers entfaltet haben - seine sexuelle Obsession, das komische Talent, die Paranoia des jüdischen Intellektuellen -, wird das Liebespaar beim prototypischen Zeitvertreib aus vielen Woody-Allen-Filmen eingeführt: dem Kinobesuch. Die Beziehung, so wie sie die Chronologie des Filmes vorstellt, steckt von Beginn an in der Krise. Annie kommt verspätet. Sie hat schlechte Laune, Alvy noch schlechtere Erklärungen dafür ("Du hast deine Periode"). Nachdem der Vorspann des Ingmar-Bergman-Films um Minuten verpasst wird, beharrt Alvy auf dem Ortswechsel und diktiert Annie den wiederholten Besuch einer Kriegsdokumentation von Marcel Ophüls. Romantische Episoden behandelt der Film nur kurz: Tennisspielen, das Kochen von Hummern, der erste Kuss, gemeinsame Nächte und Alvys bizarrer Schwur vor der Brooklyn Bridge, er liebe Annie, weil sie "polymorph pervers" sei. Aber Annies Wunsch nach einer gemeinsamen Wohnung weckt bald das Autonomiebedürfnis Alvys, der Besuch ihrer protestantischen Familie verunsichert den Liebhaber tiefer. Alvys Paranoia registriert den latenten Antisemitismus der Familie, er fühlt sich stigmatisiert - eine Selbstwahrnehmung, die der Film mit einem erneuten Wechsel der Wirklichkeitsebenen in eine Einstellung übersetzt, die einen Alvy Singer mit Schläfenlocken als Klischeebild des orthodoxen Juden zeigt. Die anschließende Entzweiung der Liebenden verläuft entlang der Grundopposition amerikanischer Kultur: dem Gegensatz von New York und Los Angeles. Die von Annie bewunderte Sauberkeit erklärt Alvy damit, dass Kalifornien seinen Abfall nicht wegwerfe, sondern in Fernsehshows verwandle. Annie kehrt gleichwohl nach Hollywood zurück - mit einem Plattenvertrag und der emanzipierten Absage an Alvys Rettungsversuche. Der Film bietet dennoch ein Happyend - allerdings eines, das durch den engen Rahmen der neurotischen Glücksmöglichkeiten von Alvy Singer begrenzt ist. Es besteht nicht in erfüllter Gemeinsamkeit, sondern in Alvys bittersüßer Einsicht in den Wert seiner verflossenen Liebe. Die Filmkritik hat Allens Erzählverfahren mit psychoanalytischer Erinnerungsarbeit verglichen, und in der Tat herrscht in Annie Hall eine egozentrische Erzählperspektive vor. Jede Episode ist gleichermaßen imprägniert von der Subjektivität Alvy Singers. Ohne das außerordentliche Darstellungsvermögen Woody Allens wirkte die Ubiquität seines Schauspiels vermutlich schnell penetrant. So aber galt 'Annie Hall' mit seinem an die Marx Brothers erinnernden Tempo der Rede, seiner Erzähldynamik und der Experimentierfreude in der Verwendung filmischer Mittel - 'split screens', Animationen und Bildtitel - bald als Meilenstein der amerikanischen Filmgeschichte. Auch für die Karriere des Regisseurs besitzt der Film eine Schlüsselfunktion. Die einseitige Orientierung auf den Protagonisten exponiert Woody Allen für eine Rezeption nach der Methode des Autorenkinos. 'Annie Hall' markiert daher einen Wendepunkt in Allens Karriere. Seinen Ruf als Komiker hatte der Schauspieler und Regisseur schon zuvor manifestiert - in 'Love and Death' ('Die letzte Nacht des Boris Gruschenko', 1975) bereits im Gespann mit Diane Keaton. Aber erst in 'Annie Hall' verwendet Allen gezielt autobiografisches Material, macht Manhattan zum Schauplatz seiner Filme und verwandelt schließlich seine während der Dreharbeiten bereits beendete Partnerschaft mit Diane Keaton zur zentralen Fiktion des Films. Kino erscheint so als Fortsetzung des Lebens mit anderen Mitteln, und die Identifikationsangebote der Filme werden neben dem Darsteller und Regisseur Woody Allen um die pseudo-private Position des Star erweitert. Insbesondere in den Vereinigten Staaten traf 'Annie Hall' den Nerv der Zeit. Psychoanalyse und Feminismus waren in der Alltagswelt angekommen und etablierte Geschlechterrollen endgültig in die Krise geraten. Allens "Tragikomödie im Milieu der New Yorker Intellektuellen, deren erotischer Beziehungsdschungel von den eigenen Neurosen durchwuchert wird" Jürgen Felix), griff diese Themen mit Humor und einer cineastischen Phantasie auf, die nicht allein die New Yorker Filmkritik begeisterte. 'Annie Hall' wurde in den USA finanziell zu einem der erfolgreichsten Filme des Jahres und gewann 1978 sensationelle vier Academy Awards: in den Kategorien "Bester Film", "Beste Regie", "Bestes Originaldrehbuch" und "Beste Hauptdarstellerin". Woody Allen reagierte auf die Auszeichnung aus Kalifornien mit einer Chuzpe, die vielleicht als ultimativer 'Annie-Hall'-Witz gelten kann: Er ließ sich bei der Preisverleihung in Hollywood nicht blicken und zog es vor, in New York zu bleiben. 'Lutz Nitsche' 'Drehbuch': Woody Allen: Der Stadtneurotiker. Zürich 1981. - Woody Allen: Four Films of Woody Allen. New York 1982. - Woody Allen / Marshall Brickman: 'Annie Hall'. London 2000. 'Literatur': Hans Gerhold: Woodys Welten. Frankfurt a. M. 1991. - Jürgen Felix: Woody Allen. Komik und Krise. Marburg 1992. - Eric Lax: Woody Allen. Köln 1992. - Tanja Rausch / Peter Henning: Happy Birthday Mister Manhattan. Augsburg 1995. - Woody Allen: Woody Allen on Woody Allen. New York 1995. - Julian Fox: Woody Allen. Movies from Manhattan. London 1996. - Peter Cowie: 'Annie Hall'. London 1996. - Mary Nichols: Reconstructing Woody. Lanham 1998. - Bernd Schulz: Woody Allen Lexikon. Berlin 2000. - Vittorio Hösle: Woody Allen. Versuch über das Komische. München 2001. - Sam B. Girgus: The Films of Woody Allen. Cambridge 2002.
Rezensionen
Die Auswahl ist verblüffend vielfältig. -- Dresdner Neueste Nachrichten

Mit Komödie ist nun ein weiterer Band in der von Thomas Koebner herausgegebenen Reclam-Reihe "Filmgenres" erschienen; ein über 500 Seiten starkes Buch, das treffsicher Höhepunkte der Filmkomödie versammelt und dem Leser gekonnt näher bringt. Erfreulich ist, dass den über 100 Lemmata ein prägnantes Vorwort vorausgeht. Auf 474 Seiten werden dann (...) Komödien konzise vorgestellt und analysiert. Hierbei werden nicht etwa einfach nur Filme besprochen, zumeist wird auch die Spezifik des Komischen berücksichtigt und anschaulich gemacht. Beschlossen wird jeder Eintrag von einer kurzen, aber hilfreichen Bibliografie. Erfreulich ist, dass die Beiträge durchaus kritisch und sogar noch mit Vergnügen zu lesen sind. (...) Ohne Frage ist Filmgenres: Komödie ein Highlight der Filmgenres-Reihe und sollte zur Grundausstattung eines jeden Filmwissenschaftlers gehören. Es gilt festzuhalten, dass Heller und Steinle ein überaus gelungenes, ansprechendes und interessantes Buch vorgelegt haben, dessen Beiträge nicht nur klar, sondern auch analog strukturiert sind und sich zudem durchgängig auf einem hohen Niveau bewegen. Hinzu kommt, dass es dem Band gelingt, die Entwicklung innerhalb der Gattung deutlich zu machen. -- MEDIENwissenschaft

Lachen ist gesund, und welches Medium sollte uns zum Lachen bringen, wenn nicht der Film? In der Reihe "Filmgenres" hat Reclam den Band "Komödie" vorgelegt und erinnert darin an herrliche Streifen wie "Ausgerechnet Wolkenkratzer" und "Serenade zu dritt". Dass hinter aller Heiterkeit auch Schmerz steckt, zeigt das Buch, indem auch "Forrest Gump" und "Das Leben ist schön" vorkommen. -- Fuldaer Zeitung

Die Pioniere des Films stammten oft aus dem Milieu der Zirkusclowns und Bühnenkomiker, dadurch auch ihr Hang zur populären Massenunterhaltung. Film heute ist eine Kunstgattung und auch die Art der Komik hat sich geändert. Dieser Wandel lässt sich schön anhand der Auswahl eines neuen Bandes der Filmgenres verfolgen. Über 110 Filme wurden ausgewählt, um die Entwicklung der Komödie zu zeigen. Der Band ist, wie bislang alle aus der Reihe, höchst brauchbar. -- Buchkultur

Die Auswahl ist gelungen, da sie es schafft, anhand von Beispielen aller Filmepochen die Entwicklung des Genres und seiner Technik, sowie den Wandel in Angebot und Zeitgeschmack überschaubar und nachvollziehbar darzustellen. "Filmgenres: Komödie" ist für Filmfreunde unverzichtbar. -- Online Musik Magazin
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