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Claudia Starik ist neunzehn und leidet unter dem ganz normalen Alltag einer Abiturientin: zudringlichen Lehrern, zerrupften Familienverhältnissen, der Liebe, der Mode, den bevorstehenden Prüfungen und der Klimakatastrophe. Einen Verbündeten hat sie in ihrem Großvater, der nicht nur dem Erscheinungsbild nach anders ist als alle anderen: Konstantin Starik ist Witwer, Exunternehmer, Kommunist und Millionär. Im Kampf gegen die Tücken der modernen Technik muß Claudia ihm beistehen; dafür hilft er ihr, wenn es um die Zumutungen des Imperialismus, die Bildungsmisere und all die Belange des Lebens…mehr

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Produktbeschreibung
Claudia Starik ist neunzehn und leidet unter dem ganz normalen Alltag einer Abiturientin: zudringlichen Lehrern, zerrupften Familienverhältnissen, der Liebe, der Mode, den bevorstehenden Prüfungen und der Klimakatastrophe. Einen Verbündeten hat sie in ihrem Großvater, der nicht nur dem Erscheinungsbild nach anders ist als alle anderen: Konstantin Starik ist Witwer, Exunternehmer, Kommunist und Millionär. Im Kampf gegen die Tücken der modernen Technik muß Claudia ihm beistehen; dafür hilft er ihr, wenn es um die Zumutungen des Imperialismus, die Bildungsmisere und all die Belange des Lebens geht, bei denen Mut gefragt ist. Geschichte, weiß Konstantin, geschieht nicht, sie wird gemacht, und so schenkt er seiner Enkelin zum Abitur eine ungewöhnliche Reise: Als Forscher und Spione brechen die beiden auf zu einer gefährlichen Expedition in die Kälte, dorthin, wo in der Nähe des magnetischen Nordpols die größte Hochfrequenz-Antennenanlage der Welt steht: HAARP, der Stolz amerikanischer Technokraten und - Geheimprojekt des Militärs zur Manipulation von Wetter und globaler Kommunikation?
Autorenporträt
Dath, DietmarDietmar Dath, 1970 geboren, ist Autor und Übersetzer. Er war Chefredakteur der Zeitschrift Spex und von 2001 bis 2007 Feuilletonredakteur der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, seit September 2011 ist er dort Filmkritiker. Dietmar Dath veröffentlichte fünfzehn Romane, außerdem Bücher und Essays zu wissenschaftlichen, ästhetischen und politischen Themen, darunter die Streitschrift Maschinenwinter (2008) und die BasisBiographie Rosa Luxemburg (2010). Jüngst ist Dietmar Dath auch als Dramatiker und Lyriker in Erscheinung getreten. Er lebt in Freiburg und Frankfurt am Main.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension

Auch wenn der Roman zum Ende hin einige doch ziemlich rätselhafte Wendungen nimmt, ist der Rezensent Martin Krumbholz im Großen und Ganzen doch sehr beeindruckt von der authentisch wirkenden Stimme, die Autor Dietmar Dath seiner 19-jährigen Protagonistin Claudia geliehen hat und die so gar nicht "affektiert oder anbiedernd" klingt. Daths Sprache sei "sexy, witzig und originell" und wie er sich in weibliche "Gehirnwindungen hineindenkt", findet Krumbholz "wahrhaft erstaunlich". Das ist seiner Meinung nach auch, was die Lektüre dieses Bewusstseinsstroms, dieser "ätzenden Zersetzungssuada", mit der Claudia ihre Umgebung analysiert, lohnenswert macht - nicht das "Wild-Spekulative", das zum Schluss hin die Geschichte dominiert.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.10.2007

Auf der Suche nach einer Programmiersprache der Liebe
Rauflustig und fröhlich: Dietmar Daths neuer Roman "Waffenwetter" ist angewandte Verstörungstheorie / Von Oliver Jungen

Subjektiv-objektiv: Dietmar Dath schließt mit "Waffenwetter" seine Romantrilogie ab, in der er Kommunismus und Kosmologie auf explosive Weise kurzschließt und das Weltganze aus linker Perspektive zurechtrückt.

Leicht beunruhigt wirken die Kollegen durch diesen Mann, nennen ihn, weil er viel schreibt, einen "Vielschreiber". Kaum einer lese seine Bücher zu Ende, präzisiert Deutschlands prominentester Schriftsteller. Erfasst ist mit diesem Etikett jedoch nichts, das wissen sie selbst, weder das außergewöhnliche Sprachtalent noch die Schubkraft dieses epischen Motors, dem alles Brennstoff zu sein scheint. Die elektronischen Medien haben den Hochleistungswortler in ihren Bann gezogen; dem Historischen ist er ebenso zugetan wie dem Abseitigen bis hin zu apokalyptischen Phantasmagorien; mit den Naturwissenschaften ist er im Bunde; politische und ästhetische Theorien schachtelt er mit mathematischer Genauigkeit ineinander; in der Entscheidungsfrage zwischen Wahrheit und Fiktion optiert er jederzeit für die Montage; manisch arbeitet er ein Programm ab, das niemand kennt und von dem jeder ahnt, dass die Zukunft es bestätigen wird. Als er fünfzig Jahre tot ist, nennt ihn Marcel Reich-Ranicki "einen wahren Amokläufer". Die Rede ist von Alfred Döblin. Und von der Wiederkehr des Exzeptionellen.

So bekannt der literarische Amokläufer Dietmar Dath, bis vor kurzem Redakteur dieser Zeitung, inzwischen einem weiteren Publikum geworden ist, immer noch hängt ihm das Etikett "Subkultureller Popliterat" an - ganz zu Recht und auch wieder nicht. Denn all dies ist Dath gewiss: der Heavy-Metal-Experte und Stephen-King-Anbeter, für den schon Verlage gegründet wurden, der linke Theoretiker, der Zombies einschleusende Gattungsextremist und, worauf keine Rezension hinzuweisen vergisst, der ehemalige "Spex"-Chefredakteur.

Für seine Texte - eine Welt aus Papier: allein zehn Romane und einige Bücher mehr - hat Dath ein eigenes Metaversum geschaffen, in dem sie immer auch Paratexte füreinander darstellen. Insofern ist der manische Fährtenleger selbst schuld, wenn ihn der Radar des Literaturbetriebs lange zwischen "furios" und "kurios" verortet hat. Erzählen ist für Dath nicht viel anders als für Döblin Montieren und Verdichten, Figuren sind "Morphismen" zwischen objektiven und subjektiven Vorbildern. Die Verschaltung autobiographischer Aspekte mit purer Phantasie (respektive fantasy) führte nicht selten zu befremdlich vorkritischen Identifikationen, und so dominieren in vielen Besprechungen Positionierungen der Rezensenten. Dabei gehörte zunächst einmal festgehalten, dass Dietmar Dath (wiederum wie Döblin) nicht nur zu den vielseitigsten, sondern auch zu den besonders formvollendeten Autoren zählt. Von seiner sprachlichen Präzision und narrativen Eleganz zeugen zumal die jüngsten Werke.

Im Briefroman "Die salzweißen Augen" (2005), einer wütend-elegischen Theorieapostrophe eines nur partiell als Alter Ego des Autors zu dechiffrierenden David Dalek an seine Geliebte, macht sich der Erzähler an eine Ehrenrettung der Drastik, deren kulturkritische Energie und Informationsdichte sie - weit entfernt von den üblichen Assoziationen Verrohung oder Katharsis - zum Aufklärungsinstrument prädestiniere: "Ratio ist materialistisch, also befasst sich Drastik mit der Materie selbst: Blut, Sperma, Pisse." Es folgte der Roman "Dirac" (2006), in dem erneut David Dalek im Mittelpunkt steht, diesmal mit der Abfassung eines Buches über den Physiker Paul Dirac beschäftigt. Vor allem aber ist das Buch eine meisterhafte Osmose von Alltagskultur, gerade auch der sprachlichen, und souveränem Erzählgestus. Obschon diese Vermittlung von Lebensnähe und Abstraktion als "Pop" firmieren darf, besitzt die narrative Dimension geradezu klassisches Format.

Dies trifft noch stärker auf "Waffenwetter" zu, Daths jüngsten Roman, der laut eigener, aber in ihrer Holzhammer-Dialektik vielleicht nicht ganz ernstgemeinten Aussage den "subjektiv objektiven" Abschluss der nach der einzigen gemeinsamen Figur benannten Johanna-Rauch-Trilogie bildet (dagegen seien "Die salzweißen Augen" "objektiv subjektiv" und "Dirac" "synthetisch unentschieden"). Wieder wird aus linker Perspektive das Weltganze vom Kommunismus bis zum finalen Vernunftkataklysmus verhandelt, ohne auch nur einen Moment an Theorieprügel wie Godards "Chinesin" zu erinnern.

Denn vor allem ist "Waffenwetter" die anrührende, in ihrer sprachlich-subversiven Gewandtheit äußerst lustige Geschichte eines hochintelligenten Mädchens. In Ich-Perspektive reflektiert die neunzehnjährige Hauptfigur über das eigene Leben, die Schule, den geheimen Geliebten (den Englischlehrer) sowie über den weisen altkommunistischen Großvater, ihren einzigen Verbündeten. Kein Leser wird sich Claudias Schlagfertigkeit und der Schönheit ihrer Handlungen entziehen können, und so fügt sie sich ein in den Dath-Kosmos der bezaubernden C-Frauen (Cordula, Candela, Cathrin) - oder vielmehr Mädchen: "gäbs frauen überhaupt, wenn mädchen bestimmen dürften, ob sie welche werden wollen?"

Das eigentliche Geschehen ist schnell erzählt: Claudia Starik entzieht sich ihren Eltern, wo nur möglich, und lümmelt bei Großvater Konstantin herum. Während sie ihn bekocht, macht er sie mit der kommunistischen Parteilinie vertraut, was Claudia so unvoreingenommen und gelangweilt zur Kenntnis nimmt wie die Viva-Ringtonecharts. Opa Konstantin, der einst unter dem Pseudonym Murun Bustansangur (eigentlich eine graublaue Zeichentrick-Klumpfigur im "Channel 4"-Kinderprogramm) Artikel verfasst hat und nun mehr und mehr in diese Rolle zurückschlüpft, hat sich einer tatsächlich kursierenden Verschwörungstheorie verschrieben, nach der die in Alaska gelegene amerikanische Forschungseinrichtung HAARP, die hochfrequente magnetische Wellen zu Untersuchungszwecken in die Atmosphäre sendet, eigentlich ein Wetter und Hirnströme beeinflussendes Waffenprogramm darstellt. Eine nach Claudias Abitur geplante Expedition entpuppt sich als Sabotagetour, auf der jedoch - Triumph oder Ruin? - die Handlung ins Phantastische abgleitet.

Eine besorgniserregende Leitmetaphorik übernimmt die Führung, als Claudia während ihrer Metamorphose zur Kontraterroristin feststellt, den bis dahin nie gelesenen "King Lear" auswendig zu kennen: "als ich die augen aufmach, steht da auf dem papier dasselbe, und mehr. es ist soweit, ich bin banane." Zwei Doppelgängerinnen treten auf, Konstantin, nunmehr Lear, tritt füglich ab. Der eigentliche Gegner aber scheint die enthemmte Phantasie zu sein, die HAARP zum Zentrum einer Walpurgisnacht macht, dazu (bewusst?) angeregt durch die Gedankenstörwellen der Anlage selbst. In diesem David-Lynch-Szenario wird auch Claudias Geschichte rückwirkend überschrieben mit einem Erwähltenmythos, den glauben mag, wer ihn glauben will.

Der manichäische Endkampf gegen die große Maschine jedenfalls ist ausgebrochen wie seit Döblin nicht mehr, sisyphushaftes Anrennen gegen alle Bewusstseinslenkung. Das Scheitern immerhin - kartesisch-fiebrige Suche nach einem Fundament statt postmodernen Bejubelns der Simulakren - scheint authentisch: "eine wunschphantasie vielleicht, eine komplizierte art, aufzugeben: sie lockt mich auf den berg, da können wir zusammen erfrieren, oder in eine schlucht stürzen, denn das ist ihr, ich kenn sie ja, natürlich immer noch lieber als kapitulation, sag alles ab, mein ruin der."

Doch ein zweites Thema kreuzt diese Erzähllinie. Im Kern nämlich handelt dieses beeindruckend schöne, wahre und gute Buch wie alles Schöne, Wahre und Gute von der Erlösung in ihrer ältesten Form. "Alle die die Liebe suchen, sie müssen kapitulieren" - das mag so sein, aber es gilt eben auch der Umkehrschluss: "lassen sich andere von vorstellungskraft gespeiste verbindungen ausmalen als die zwischen jemandem, die oder der liebt und jemandem, die oder der geliebt wird?" Das ist - unter allen funkelnden Oberflächen - der Quellcode des Dath-Programms, eine neue Sprache der Liebe, die sich nicht von Roland Barthes inspirieren lässt, sondern von der Unschuldsenergie der Jugend.

Organisiert ist der chronologisch linear aufgebaute Roman nach Ober- und Unterkapiteln, wobei Letztere sechsstellige Ziffernfolgen als Titel tragen, was nun wiederum, so will es das Postskriptum, "Rechenvorschriften" mit Rhythmusabsichten seien, die einer Perkussionskomposition des in Alaska lebenden Musikers John Luther Adams folgen. Die zum Roman gehörige Internetseite fügt hinzu, dass es sich um "geregelte Permutationen der Zählweise gewisser Bibelverse" handelt. Da ist sie wieder, die Dathsche Wolke der Allwissenheit. Tatsächlich spielt neben Lear die Bibel, der Patrismus, eine Rolle als Gegengewicht zum großväterlichen Kommunismus: ein von Claudia durchzustehender Vaterkonflikt. Formal am auffälligsten aber ist, dass der Roman zur Gänze aus oft mitten im Satz ausfransenden Gedankensequenzen ("ist er denn überhaupt noch in einer partei, wo er doch") besteht, aus Erzähl-Pixeln, zu denen sich im Leserhirn die Anschlüsse bilden: Mit- und Weiterdenken unausweichlich.

Von Ludwig Marcuse "Opponent an sich" genannt zu werden, "rauflustig und vehement und fröhlich", diese Ehrenbezeichnung des Philosophen für Alfred Döblin, der nicht zuletzt eine "ars militans" gefordert hatte, würde sich Dietmar Dath wohl gefallen lassen. Nach dem Showdown von "Waffenwetter" steht Claudia als "final girl" ("ich bin allein, eine von siebzehn schwestern, die schönste, klügste. ich hab einen plan") den donnernden Helikoptern des schwerbewaffneten Blöden gegenüber. In diesem grandiosen Schlussbild überkreuzen sich die Phänomene AD und DD ein letztes Mal: "ich werd lernen, ich werd mitspielen, ich bin wie die männer in den hubschraubern oder ich werd wie sie, werd wie SIE. es ist einfach." Nicht anders brach vor knapp achtzig Jahren der unter dem Geheul der großen Babylon vom System bezwungene, vielleicht neugeborene, vielleicht tote Franz Biberkopf in eine unbekannte Zukunft auf. Mein Ruin ist, was mir bleibt, wenn alles andere sich betäubt.

Dietmar Dath: "Waffenwetter". Roman. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2007. 291 S., geb., 17,80 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 20.11.2007

Klassenkampf in der Schießbude
Herr über tausend Schubladen, Opa Konstantin und eine Rotzgöre: Dietmar Dath führt in seinem Roman „Waffenwetter” die Hilfstruppen der Verschwörungstheorie in den letzten Kampf des Kommunismus Von Ijoma Mangold
Um den Journalisten und Schriftsteller Dietmar Dath gibt es ein Gesumms von fast schon schwärmerischer Andacht. Wie etwas total Einzigartiges, das alle Schubladen sprengt, wird sein Schreiben und Denken behandelt. Und in der Tat stellt schon die schiere Menge seiner Textproduktion für herkömmliche Schubladen ein Problem dar. Aber das ist eine Frage des Volumens, nicht der Originalität. Denn Dietmar Dath ist weniger eine Schublade als ein ganzes Schubladensystem. Bei ihm gibt es die Schublade „Diskurspop”, denn er war, Jahrgang 1970, einige Zeit Chefredakteur der Zeitschrift Spex. Es gibt die Schublade „Reflexion”, denn Dath, ein verspätetes Kind der Siebziger und mit vollem Recht Suhrkamp-Autor, gibt viel auf Theorie. Dann die Schublade „links”, denn Dath möchte es sich nicht nehmen lassen, der letzte (oder schon wieder erste?) Marxist und zwar ohne Weichspülung zu sein. Die Schublade „Bildungsbürgertum”, denn er war bis vor kurzem Redakteur der FAZ. Daneben die Schublade „Triviales”, denn es ist Daths Ehrgeiz, seine Gegenwartsdiagnostik an jedem Gegenstand zu entfalten. Es gibt die Schublade „Naturwissenschaft”, die eine Unterschublade von „Theorie” ist, denn als Geisteswissenschaftler ist ihm kein Gebiet denkerisch undurchdringlich. Direkt daneben findet sich die Schublade „Science Fiction”, in der die naturwissenschaftlichen Theorieresultate ins Literarisch-Phantastische extrapoliert werden. Schließlich noch die Schublade mit Daths Hausaltar „Stephen King”. Dieses ganze Schubladensystem trägt ein einfaches Etikett. Es lautet: Ich bin ein extravaganter Schubladen-Kombinierer.
Auf diesem Ticket ist Dietmar Dath in der Diskurswelt zu einer Marke geworden, mit der man sich derzeit sehen lassen kann. Wer sie führt, tut das in dem lässigen Bewusstsein, nicht auf der Seite der Uncoolen zu stehen.
Liest man nun Dietmar Daths neuen Roman „Waffenwetter”, reibt man sich die Augen. Denn dieser Roman ist ein Buch mit schon staunenswerter Nerd-Schlagseite, getragen von einer geradezu pubertären Gewolltheit und Angestrengtheit. Ein Roman voller schlechter Kalauer und verklemmtem Bildungsgeprotze, Theorie-Angebertum und schwer aufgesetzter Rebellionsromantik. Ein Buch wie ein Klassenclown, der kein Mittel scheut, um im Mittelpunkt zu stehen.
Dietmar Dath ist kein Mann des Understatements, sondern bevorzugt die deutlichen Ansagen (seine interessantesten Gedanken hat er nicht von ungefähr zu einer Ästhetik der Drastik entwickelt!). Wo sich andere Schriftsteller vor Peinlichkeiten, Ausrutschern und Schönheitsfehlern fürchten würden, zieht Dath unerschrocken alle Register. Er scheint der Ansicht zu sein, dass Kunstfehler unvermeidlich sind, wenn einer ernsthaft zur Sache geht. Furchtlosigkeit ist vielleicht seine hervorstechendste Eigenschaft. Feinere Gemüter würden sie möglicherweise auch Dickfelligkeit nennen.
„Waffenwetter” erzählt die Geschichte von Claudia, einem Mädchen, die von ihrer Freundin Stefanie leider Gottes „Clautschi” gerufen wird und gerade Abi macht. Weil der Roman sich als eine Art Tagebuch aus Claudias Feder darstellt, ist der Leser immerzu einem Tonfall ausgesetzt, den der Autor offenbar für eine artistisch angeschärfte Version von rebellischem Jugendsprech hält – inklusive subversiver Kleinschrebung: „bin ich ne angestochene milchtüte oder was?” Das Auto ist abwechselnd „die kiste” oder „die karre”; wenn einem was nicht passt, ist man „echt stinkig”, und wenn ein Formular auszufüllen ist, witzelt Claudia „Unzutreffendes bitte ficken”. Überhaupt ist Clautschi wahnsinnig rotzig, demonstrativ schlampenmäßig und hat sowas von die Hosen an, wenn sie die Jungs beim Sex im Auto in die richtige Stellung kommandiert. Fließt dann aber auch wieder kurzzeitig vor triefendem Gefühl geradezu über. Nach Lektüre dieses Romans möchte man nie wieder jung sein.
Von ihren Eltern ist Claudia ziemlich genervt, mit ihrem Lehrer hat sie eine Sex-Beziehung, aber ihren Großpapa Konstantin schätzt sie über alle Maßen. Der ist ein Kommunist wie aus dem Bilderbuch. Wahrhaft unzeitgemäß, findet seine Enkelin ihn sowohl schräg als auch bewunderungswürdig für die Linientreue, mit der er die Sache der Partei über alle historischen Enttäuschungserfahrungen hinweg hochhält.
„Clautschi” selber verfügt ihrerseits über ein ausgeprägtes Unrechtsbewusstsein im Alltagsleben, in dem wohl der Keim zum revolutionären Bewusstsein schlummert, auch wenn ihr das marxistische Vokabular für die Strukturen des Imperialismus nicht so leicht von den Lippen geht wie ihrem Opa. Dieser Opa ist Millionär, hat sein Geld mit Elektrogeräten verdient, und es ist Dietmar Daths Ehrgeiz, gerade aus der Betonhaftigkeit seiner Überzeugungen deren eigentliche Größe (und historische Wahrheit?) herauszumeißeln.
Dath geht es nicht um irgendeinen Sozialismus mit menschlichem Antlitz. Solche dünnen Bretter bohrt er nicht. Wer Kommunismus sagt, muss auch Stalin sagen. Da will sich Dath gar nicht drumherumdrücken. Nur dass derjenige, der im Roman Stalin sagt und von der Partei wie von einer zeitlosen metaphysischen Instanz spricht, doch nur Opa Konstantin ist – und so bleibt die Apologie des Kommunismus Rollenprosa, recht papierene noch dazu.
Mit solchem Papier hat auch ein weiteres Problem dieses Romans zu tun. Es gibt nun mal keinen gescheiten Klassenkampf ohne klares Feindbild. Weil der Feind in unseren komplexen Gesellschaften aber nicht mehr leicht zu identifizieren ist, setzt Dath an dessen Stelle die Projektion einer Verschwörungstheorie. Hauptsache, die Kampfmoral wird angestachelt. Claudia und Konstantin brechen nach Alaska auf, um dort eine Sabotageaktion gegen das mythenumwobene Haarp auszuführen. Das Haarp ist ein von der US-Navy, der Luftwaffe und der Universität von Alaska unterhaltenes Observatorium, das hochfrequente elektromagnetische Wellen zur Untersuchung der Ionospähre aussendet (eine ähnliche, nicht ganz so leistungsstarke Anlage gibt es auch in Deutschland). Dient diese Anlage tatsächlich nur zivilen wissenschaftlichen Interessen oder steckt dahinter der militärisch-industrielle Komplex, der mit den Kurzwellen Klimakatastrophen auslösen und die Hirnfunktion der Menschen zu manipulieren vermag?
Es gehört zum ideologisch-ästhetischen Programm dieses Romans, der Entschlossenheit nur markiert, dass Dath irgendwann die Wahrheitsfrage zugunsten von Fantasy-Entgrenzung dispensiert. So mutiert Haarp von der konkret-realistischen wissenschaftliche Anlage zur gnostischen Phantasmagorie im Kampf zwischen Gut und Böse.
Anders gesagt: Dietmar Dath will den ideologischen Ernstfall, denn nur der Ernst kann aus der Qual der Beliebigkeit erlösen. Für dieses Ziel führt Dath lieber einen Schattenkampf mit einem Popanz und wechselt ins Genre des Fantasy-Romans, als ganz auf die große Schlacht zwischen Gut und Böse zu verzichten. Sein Kommunismus hat deshalb wenig mit sozialer Wirklichkeit, aber alles mit einem religiös aufgeheizten Endkampf-Gefühl zu tun. Pappkameraden aus der Schau-, nein: aus der Schießbude sind denn auch die Figuren dieses Romans. Kurz, auf alles, was in diesem Buch Literatur ist, hätte man lieber verzichtet. Dann wäre vielleicht ein gewagter und anregender Essay über Neo-Marxismus herausgekommen – und ansonsten jene Reportage über Haarp, die Dietmar Dath im vergangenen Jahr in der FAZ geschrieben hat. Der Roman „Waffenwetter” aber ist Gnosis für Besserwisser.
Dietmar Dath
Waffenwetter
Roman. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2007. 291 Seiten, 17,80 Euro.
Dietmar Dath, März 2006 Foto: Sven Paustian/Agentur Focus
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»Von seiner sprachlichen Präzision und narrativen Eleganz zeugen zumal die jüngsten Werke.« Oliver Jungen Frankfurter Allgemeine Zeitung