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Was tun, wenn ein Krieg alles vernichtet? Wie dem eigenen Sohn sagen, dass das Dorf zerstört ist, dass die geliebten Menschen tot sind? Mit seiner anrührenden und erschütternden Parabel hat Atiq Rahimi ein Werk von zeitloser Gültigkeit geschaffen. Denn in dem Schicksal eines afghanischen Großvaters, der mit seinem Enkel unterwegs ist, um dem Sohn vom Tod aller Verwandten zu berichten, spiegelt sich der Schmerz und das Leid all jener, die unter Gewalt und Verfolgung leiden.
Mit seiner anrührenden und erschütternden Parabel hat Atiq Rahimi ein Werk von zeitloser Gültigkeit geschaffen. Denn in
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Produktbeschreibung
Was tun, wenn ein Krieg alles vernichtet? Wie dem eigenen Sohn sagen, dass das Dorf zerstört ist, dass die geliebten Menschen tot sind? Mit seiner anrührenden und erschütternden Parabel hat Atiq Rahimi ein Werk von zeitloser Gültigkeit geschaffen. Denn in dem Schicksal eines afghanischen Großvaters, der mit seinem Enkel unterwegs ist, um dem Sohn vom Tod aller Verwandten zu berichten, spiegelt sich der Schmerz und das Leid all jener, die unter Gewalt und Verfolgung leiden.
Mit seiner anrührenden und erschütternden Parabel hat Atiq Rahimi ein Werk von zeitloser Gültigkeit geschaffen. Denn in dem Schicksal eines afghanischen Großvaters, der mit seinem Enkel unterwegs ist, um dem Sohn vom Tod aller Verwandten zu berichten, spiegeln sich der Schmerz und das Leid all jener, die unter Gewalt und Verfolgung leiden. Eine große literarische Entdeckung.

Autorenporträt
Rahimi, AtiqAtiq Rahimi, 1962 in Kabul geboren, studierte Literatur. 1984 floh er nach Frankreich, wo er u. a. als Dokumentarfilmer tätig ist. Sein vielbeachtetes Debüt Erde und Asche wurde 2004 verfilmt, sein dritter Roman Stein der Geduld wurde 2008 mit dem Prix Goncourt ausgezeichnet und stand in Frankreich monatelang auf der Bestsellerliste.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 25.02.2002

Mein Sohn, der Kommunist
Karge Landschaft, minimalistische Prosa – und das ist kein Kompliment: Atiq Rahimis afghanischer Roman „Erde und Asche”
Eine menschenverlassene Straße, irgendwo in Afghanistan, die den unwegsamen Norden mit der Hauptstadt verbindet. Auf einer Brücke sitzt der alte Dastagir mit seinem Enkel Yassin und wartet. Es ist Krieg, sowjetische Truppen sind im Land und schaffen es nicht, diesem ihren Zwangsfrieden aufzunötigen. Der Alte kommt aus einem Dorf, das es nicht mehr gibt, weil es dem Erdboden gleich gemacht wurde; von den Bewohnern haben einzig er und sein Enkel den Angriff russischer Panzer überlebt. Seit dem Tag, an dem die Panzer kamen, die Geschütze donnerten und die Verwundeten schrien, ist Yassin taub. Er glaubt, dass der Welt durch den Krieg die Stimmen und Geräusche geraubt wurden: „Yassins Welt ist eine andere geworden. Eine lautlose Welt. Er war nicht immer taub. Er ist es geworden. Ihm selbst ist es nicht bewusst. Er wundert sich, dass nichts mehr ein Geräusch macht.”
Die Pflicht des Alten
Der taube Enkel und sein redseliger Großvater warten an der Brücke, gehen bald auf die eine Seite, um sich dem mürrischen Wärter in Erinnerung zu rufen, dass er das nächste Auto auch wirklich für sie anhalte; bald auf die andere Seite, wo ein klappriger Kiosk steht, mit einem freundlichen, frommen Mann darin, der seinen Sohn verstoßen hat, weil er Kommunist geworden war. Hinter der Brücke beginnt ein großes Sperrgebiet, in dem Dastagirs Sohn Murad, der Vater Yassins, in einer Mine arbeitet. Es ist die Pflicht des Alten, seinem Sohn zu sagen, was zu Hause geschehen ist und dass es kein Zuhause mehr gibt. Aber wie soll, wie kann er es ihm sagen? Darüber grübelt er, und von diesem Grübeln und Warten im Staub erzählt „Erde und Asche”.
Dem Buch und seinem Verfasser, dem 1962 in der afghanischen Oberschicht geborenen, seit 1984 in Frankreich lebenden Atiq Rahimi, eilt ein formidabler Ruf voraus. Seit Monaten ist der Autor auf Tagungen in aller Welt zu Gast, wo er, wie auch in den vielen Interviews, die er mittlerweile gegeben hat, ausnehmend kluge Dinge sagt. Wer klug argumentieren kann, muss freilich nicht auch schon in der Lage sein, bezwingend zu erzählen. Und der Intellektuelle Rahimi ist jedenfalls kein Erzähler, weder ein geborener, noch ein gelernter, höchstens ein unbeholfener. Sein Text, der als Manuskript vermutlich keine fünfzig Seiten umfasste, wird für die Buchausgabe zwar auf hundert Seiten gestreckt und als Roman ausgegeben, aber davon nicht besser.
Den Buchumschlag zieren Lobeshymnen französischer Zeitungen, die einen um die dortige Literaturkritik bangen lassen: „Ein Meisterwerk. Große Literatur, wie es sie seit Jahren nicht gegeben hat. Ein Roman von ungeheurer Intensität”. Nun ist „Erde und Asche” zum einen überhaupt kein Roman, sofern dieser Begriff noch sinnvoll verwendet werden soll, sondern eine Erzählung, die von einer kargen Landschaft und ihren in Elend und Hoffnungslosigkeit gedrückten Menschen handelt. Und zum anderen stehen dem Verfasser für seine minimalistische Prosa nur so bescheidene literarische Mittel zu Gebote, dass er gerade jene Intensität, die die Werbeprosa rühmt, sprachlich nicht herzustellen weiß.
Warum dann so viele Bekenntnisse der Bewunderung für ein so schwaches Stück Prosa? Obwohl Afghanistan seit Jahrzehnten nicht aus den Schlagzeilen der Weltpresse verschwindet, ist es terra incognita geblieben. Was Kriegs- und Konferenzberichterstatter nicht vermochten, die Literatur soll es nun zuwegebringen: uns nicht nur über die politische Verdammnis eines Landes zu informieren, sondern auch die Augen für seine kulturellen Eigenheiten zu öffnen.
Leider meint Atiq Rahimi, von sogenannten einfachen Menschen ließe sich nur authentisch erzählen, wenn man es sprachlich simpel angeht. Sein Protagonist ist zwar ein ungebildeter Mann, aber es besteht dennoch keine Notwendigkeit, ihn auf eine kurzatmige Syntax zu fixieren, die weder komplexe Gedanken noch widersprüchliche Gefühle fassen kann. Auch der Kunstgriff, die Geschichte in der zweiten Person darzubieten, missrät dem Autor, zumal er diese selten gewählte Perspektive so unbedacht anwendet, dass nicht klar wird, ob eine anonyme Erzählinstanz den Protagonisten von außen beobachtet und unentwegt mit Du anspricht oder ob es sich nicht doch um eine ungelenke Adaption von Innerem Monolog handelt. Heraus kommt Prosa, die über weite Strecken den Helden so mit sich hadern lässt: „Dastagir, wohin schweifst du schon wieder ab? Shahmard wollte wissen, weshalb du Yassin nicht mitgenommen hast. Schweifst einfach fort. Phantasierst du schon wieder? Erzähl ihm etwas!” Und Dastagir erzählt, erzählt sich selbst die Geschichte, die er gerade erlebt hat, und tut es mit lauter rhetorischen Fragen und den Versatzstücken einer raunenden Poesie, die mehr vom Ungeschick des Autors, als von der Seele der Hauptfigur verrät.
Keine Träne, keinen Seufzer
So fällt Atiq Rahimis Klage um ein zerstörtes Land, einen verzweifelten Greis und ein ertaubtes Kind ins Leere. Diesem Autor gab kein Gott zu sagen, was seine Figuren leiden, und deswegen fügt er den Nachrichten des Schreckens, die wir ins Wohnzimmer übertragen bekommen und gegen die wir uns zu wappnen wissen, wenig hinzu, das uns ergreift.
Fast schon am Schluss gibt es sie doch noch, die große, ergreifende Szene, die die Lektüre des ganzen Buches lohnt, weil sie unvergesslich bleibt. Als endlich ein Auto kommt und den Alten zur Mine bringt, stellt sich heraus, dass der Sohn von dem Kriegsverbrechen, dem seine Frau, seine Mutter und viele Verwandte und Nachbarn zum Opfer gefallen sind, bereits erfahren hat.
Überzeugt, dass seine ganze Familie ausgelöscht wurde, auch Dagastir und Yassin, war er nicht in seine entlegene Heimatregion aufgebrochen, um zu trauern und Rache zu nehmen, sondern hatte in tiefer Verzweiflung an seinem Arbeitsplatz ausgeharrt. Jetzt erst bricht für Dastagir die Welt zusammen. Dass der Sohn den Tod der Verwandten nicht rituell nach alter Sitte betrauert, ist für ihn schmerzlicher als der gewaltsame Tod selbst, den jene erlitten. Hatte er sich bisher geschwätzig mit jedem, dem er auf seiner Reise begegnete, ins Einvernehmen setzen wollen, bricht er nun über seinen Sohn von einer Minute zur anderen für immer den Stab. Mit einem solchen Sohn, der im Bergwerk der Kommunisten arbeitet und vergisst, was Glaube und Tradition gebieten, hat er „nichts mehr zu teilen. Kein Wort, keine Träne, keinen Seufzer.”
An dieser Stelle, nur an dieser, zeigt Rahimi, was für ein bewegendes Werk „Erde und Asche” hätte werden können. Doch wie der Autor an seinem literarischen Unvermögen gescheitert ist, scheitert die Literaturkritik, die ihn als großen Erzähler rühmt, an ihrer guten Absicht.
KARL MARKUS GAUSS
ATIQ RAHIMI: Erde und Asche. Roman. Aus dem afghanischen Persich (Dari) von Susanne Baghestani. Claassen Verlag, München 2002. 101 Seiten, 13,40 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 09.03.2002

Berg der Wut
Atiq Rahimi findet eine Sprache für Afghanistan

Der militärische Fokus auf Afghanistan hat einen kulturellen Lichthof: Nie war die afghanische Literatur so präsent wie heute. Vor einem Jahr galten die wenigen in die Welt verstreuten afghanischen Schriftsteller als die ärmsten der armen Poeten, waren sie diejenigen, deren Schaffen am vergeblichsten schien. Nur wenn sie in der Sprache ihrer Gastländer schrieben, hatten sie die Möglichkeit, Publikum und Verlage zu finden.

Wer als Afghane in seiner Muttersprache schreibt, mußte sich hingegen bis vor kurzem wie ein Narr vorkommen. Selbst die gängigste der vielen afghanischen Sprachen, das Dari - eine afghanische Spielart des Persischen -, findet im schlecht organisierten afghanischen Exil nicht entfernt so viele Leser wie persische oder arabische Exilliteratur. Und doch gab es solche Autoren. Seit dem 11. September kann man sie mit einiger Aussicht auf Erfolg übersetzen lassen. Nachdem bereits einige englischsprachige Bücher afghanischer Autoren auf den Markt geworfen worden sind, liegt jetzt ein erstes bedeutendes Werk aus dem Dari auch in Deutsch vor. Es ist so gut, daß man es schon vor dem Krieg problemlos hätte publizieren können.

"Erde und Asche" heißt dieses Buch, das erstmals 1999 in einem afghanischen Exilverlag in Frankreich erschien. Sein Autor, Atiq Rahimi, wurde 1962 in Kabul geboren und studierte dort Literatur, bis er 1984 über Pakistan nach Frankreich floh. Heute lebt er in Paris und arbeitet als Dokumentarfilmer. Im Klappentext heißt es, "Erde und Asche" sei Atiq Rahimis "erster Roman". Das stimmt nicht. Es ist eine Novelle. Nur mit Hilfe eines unschönen Großdrucks ist es dem Verlag gelungen, einen Text auf 98 Seiten auszudehnen, der in normalem Druckbild vielleicht vierzig Seiten zählen würde. Aber das mindert die Qualität des Buchs nicht, und es ist gut und klug, es trotz seiner Kürze separat veröffentlicht zu haben.

"Erde und Asche" ist vergleichbar nur mit den besten Erzählungen der modernen persischen Literatur. Besonders Hushang Golschiri, dem im Jahr 2000 verstorbenen experimentellen Erzähler und avantgardistischen Sprachkünstler, dem Meister der persischen Prosa mittlerer Länge zwischen langer Erzählung und kurzem Roman, scheint Rahimis Buch verpflichtet. Bereits die Erzählperspektive wirkt, gemessen am verbreiteten Bild von orientalischer Literatur, verblüffend avanciert: Erzählt wird im Präsenz der zweiten Person Singular. Der Angesprochene heißt Dagastir, ein Protagonist, der zu sich spricht, sich selbst nah und unendlich fern zugleich ist.

Durch die in der Erzählhaltung angelegte Schizophrenie gelingt es Rahimi, die einfache Handlung dramatisch auszugestalten. Die Geschichte spielt während der sowjetischen Okkupation, von den Taliban weiß sie noch nichts. Dagastir wartet am Eingang zum Sperrgebiet eines Bergwerks, in dem sein Sohn arbeitet. Er will ihm berichten, was im Heimatdorf vorgefallen ist. Er hat seinen Enkel Yassin mitgenommen, das einzige überlebende Familienmitglied. Die Stunden verrinnen unter der Sonne im Staub, das Kind quengelt. Dagastir hat viel Zeit, zu überlegen, was er seinem Sohn sagen will und ob er es überhaupt sagen soll.

Alle Verwandten, die Frau, die Mutter, die Geschwister sind einer sowjetischen Vergeltungsaktion zum Opfer gefallen. Selbst der kleine Yassin ist nur noch halb da: "Yassins Welt ist eine andere geworden. Eine lautlose Welt. Er war nicht immer taub. Er ist es geworden. Ihm selbst ist es nicht bewußt. Er wundert sich, daß nichts mehr ein Geräusch macht. Stell dir vor, ein Kind wie Yassin zu sein. Kannst dir nicht vorstellen, daß du es bist, der nichts mehr hört. Denkst, es seien die anderen, die verstummt sind. Die Männer haben keine Stimme mehr, der Stein hat keine Stimme mehr. Die Welt ist verstummt. Aber weshalb bewegen die Menschen dann unnötig ihre Münder?"

Der Leser kommt dem im Selbstgespräch versunkenen Dagastir beklemmend nah. Man meint zu spüren, wie knapp dieser einfache Mensch angesichts seines Schicksals am Wahnsinn vorbeischrammt. Die Mine, in der Dagastirs Sohn arbeitet, wird von den Sowjets betrieben. Dagastir ahnt, daß der Sohn sich wird rächen wollen und sich den Rebellen anschließen wird, wenn er erfährt, was geschehen ist. Das würde die Ehre retten, aber die letzte Überlebensgrundlage der geschrumpften Familie zerstören. Dagastir schwankt, wünscht sich den Sohn mal als Rächer, dann wieder als Vorbild an Besonnenheit, fürchtet beides, will dem Sohn nichts verraten und unternimmt es dann, wie unter Zwang stehend, doch. Zwischen diesen Polen, auf der staubigen Piste, unter einer erbarmungslosen Sonne spielt sich das innere Drama dieses Mannes ab. Als Dagastir schließlich zum Bergwerk gelangt, ist sein Sohn unter Tage. Der Vorarbeiter tröstet ihn: Man habe ihm schon erzählt, daß die Widerstandskämpfer sein Dorf zerstört hätten, und wolle ihn in der Mine festhalten, bis er sich beruhigt habe. Er sei schließlich ein guter Arbeiter und solle demnächst auf einen Alphabetisierungslehrgang geschickt werden.

So ist die Schmach eine doppelte. Die wahren Täter bleiben unbenannt, und der Sohn, der nicht weiß, was wirklich geschah, kann die Ehre nicht retten, ja, er hat nicht einmal die Wahl. Die Opfer sind nicht nur Opfer, sie werden entmündigt und um ihren Schrei betrogen. Das erschütternde Buch von Atiq Rahimi ist dieser Schrei.

Atiq Rahimi: "Erde und Asche". Roman. Aus dem afghanischen Persisch (Dari) übersetzt von Susanne Baghestani. Claassen Verlag, München 2002. 102 S., geb., 13,- .

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