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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
© Perlentaucher Medien GmbH
Harte Action um fünf Waisenkinder
Für das Aussetzen von Babys gibt es im Waisenhaus „Kleine Tulpe“ in Amsterdam drei herzlose Regeln. Erstens: Das Baby muss in ein Baumwolltuch gewickelt sein. Zweitens: Das Baby muss in einem Weidenkorb liegen. Drittens: Der Korb mit dem Baby muss auf der obersten Stufe der Eingangstreppe stehen. Die Leiterin des Waisenhauses hat dieses Procedere festgelegt, das lässt einiges befürchten. Etwa, dass sie selbst ihre Mildtätigkeit und Fürsorge wohl weit vor der Eingangstreppe abgestellt hat. Und dass der Alltag der Kinder, die dort leben müssen, alles andere als rosig sein dürfte.
Autorin Hana Tooke hat die fiktive „Kleine Tulpe“ zum Ausgangsort ihres Kinderbuchs „Die elternlosen Erlebnisse der unzertrennlichen Fünf“ gemacht. Und sie hat sich einen historischen Zeitpunkt für ihre Geschichte ausgesucht: Im Herbst 1880 werden dort fünf Babys ausgesetzt, allesamt regelwidrig. Als Letzte taucht Milou auf, abgestellt auf dem Dachboden des Hauses in einem sargförmigen Korb, in der Faust eine edle Marionette.
Milou ist die Erzählerin von Tookes Roman. Mit Beginn der Handlung ist das Mädchen bereits zwölf,es glaubt fest, dass seine Eltern es eines Tages abholen werden. Warum Milou zurückgelassen wurde, dafür hat sie allerlei Geschichten erdacht – die „Heimliche Spione-Theorie“ oder die „Baby-Phobie-Theorie“. Sie ist eine begabte Geschichtenerzählerin, ihre vier besten Freunde – die anderen Babys von 1880 – besitzen ebenfalls besondere Talente, jenseits der üblichen Genderklischees: So ist Lotta ein naturwissenschaftliches Genie, Mads ein Zeichentalent, Mona eine Köchin und Gisbert, das soziale Herz der Gruppe, ein Schneiderkünstler. Als eines Tages ein dubioser Kaufmann auftaucht, der sie alle adoptieren möchte, fliehen die Kinder und begeben sich auf die Suche nach Milous Zuhause.
„Die elternlosen Erlebnisse der unzertrennlichen Fünf“ ist ein Abenteuerroman, nichts für Zartbesaitete. Die Waisenkinder sind auf sich gestellt. Erwachsene erleben sie als Bedrohung. Sie werden eingesperrt, mit dem Tode bedroht, sie hungern. Stets meistern sie die Situation mit Mut, Fantasie und Zusammenhalt. Sie sind längst das geworden, was sie suchen: eine Familie. Tooke weiß das prächtig zu erzählen, balanciert geschickt zwischen Spannungselementen und jenen Passagen, in denen die Kinder sich eine Welt erschaffen, wie sie ihnen gefällt. Und diese Welt ist natürlich eine fabelhafte. (ab 10 Jahre)
YVONNE POPPEK
Hana Tooke: Die elternlosen Erlebnisse der unzertrennlichen Fünf. Mit Illustrationen von Ayesha L. Rubio. Aus dem Englischen von Birgit Niehaus. dtv junior, München 2021. 384 Seiten, 14,95 Euro.
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