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Produktdetails
  • Verlag: Manutius
  • 1., Aufl.
  • Seitenzahl: 161
  • Erscheinungstermin: Januar 1987
  • Deutsch
  • Abmessung: 131mm x 215mm x 15mm
  • Gewicht: 322g
  • ISBN-13: 9783925678042
  • ISBN-10: 3925678042
  • Artikelnr.: 24564839
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 10.10.2001

Reisewege in die Moderne
China und Indien im Zeitalter der Globalisierung
GERHARD SCHWEIZER: Indien und China. Asiatische Wege ins globale Zeitalter, Verlag Klett-Cotta, Stuttgart 2001. 285 Seiten, 42 Mark.
Das Buch will Verständnis wecken. Aber es will nicht verbinden, nicht östliche Kulturen an unseren westlichen Begrifflichkeiten messen. Und: Das Buch möchte seinen Lesern die radikale Fremdheit der hinduistischen, buddhistischen und konfuzianen Welt erklären; es möchte helfen, Missverständnisse abzubauen, will einen Dialog herstellen zwischen Welten, in denen Religion, Staat, Demokratie und individuelle Entfaltung völlig andere Bedeutungen haben.
Der beste Weg, die Gegensätze zu begreifen, ist vermutlich immer noch der beschwerliche und zeitlich aufwendige Landweg, auf dem der Autor zum erstenmal Indien und China erreichte. Das war 1964, und seither ist er oftmals von Europa in diese beiden fernen Länder gereist – wenn auch mit dem Flugzeug. Dessen ungeachtet ist es ihm gelungen, den Lesern einen vorzüglichen Einblick zu geben in das Alltagsleben dieser zwei bevölkerungsreichsten Länder der Welt – stilistisch sauber, eingebettet in historische Exkurse, angereichert durch Begegnungen, die er bei seinen Reisen hatte.
Indien und China: Drei Milliarden Menschen leben dort – die Hälfte der gesamten Weltbevölkerung. Ein Wirtschaftsraum, der gigantische Wachstumspotentiale verspricht, gerät mehr und mehr in die Fänge der Globalisierung. Welche Veränderungen stehen an? Können Indien und China, fragt der Autor, „eigene Strategien entwickeln, um die Folgen weltweiter Verwestlichung zu bewältigen? Welche kulturelle Energie steckt heute noch in diesen Staaten?” Weil aber Buchautoren keine Propheten sind, liegt es in der Natur der Dinge, dass die Leser auf all diese Fragen keine verlässlichen Antworten erhalten. Die Grundthese des Autors: „Weder Indien noch China lassen sich in ihren tieferen geistigen Schichten verwestlichen.”
Gerhard Schweizer untergliedert sein Buch in drei Kapitel: Zwei beschäftigen sich mit dem Verständnis von Religion und Staat, das dritte beinhaltet den Zusammenprall mit der Moderne. Die oben angeführte These dient ihm dabei als roter Faden, wobei er den Globalisierungsprozess keineswegs verteufelt. Sowohl China als auch Indien bringen ihre Stärken in den Globalisierungsprozess ein – ihre großen Landmassen, ihre Wirtschaftskraft – und auch ihre so andere Kultur.
Gerhard Schweizer weiß sich daher in seinem Buch nicht so recht zu entscheiden, wie er „die wenigen Anzeichen dafür, dass ein individualistisches Lebensgefühl nach westlichem Vorbild an Boden gewinnt”, zu bewerten hat. Zum einen seien die sozialreligiösen Traditionen im Bewusstsein der Menschen derart tief verankert, dass der Autor Begriffen wie individuelle Freiheit und gleiche Rechte für alle kaum Chancen einräumt – einerlei, ob im hinduistischen Indien oder im konfuzianen China. Und zum zweiten seien Kinderarbeit, religiöser Fundamentalismus oder die ungleiche Behandlung der Frauen zu verurteilen.
Lebendiges Kastensystem
Hinduismus, Buddhismus, Konfuzianismus – allen drei Religionen ist die Toleranz gegenüber anderen Glaubensausrichtungen gemeinsam. Gott oder Allah werden als einer unter vielen Göttern angesehen. Allerdings müssen sich Christen wie Moslems der strengen sozialen Hierarchie unterwerfen – in Indien dem Kastensystem, in China der Sippe beziehungsweise dem Danwei, einer Untergliederung der Kommunistischen Partei.
Beeindruckend das Kapitel, das den Kult um den Sohn und den Mord an Töchtern beschreibt. „71 Prozent aller indischen Mädchen”, so der Autor, „sind im Vorschulalter unterernährt, aber nur 28 Prozent der Knaben.” Und: 1997 sollen in einer Frauenklinik in Bombay von 8000 abgetriebenen Föten 7999 weiblichen Geschlechts gewesen sein, zitiert der Autor die Zeitung „India Today International”. Ärmere Familien, denen das Geld für eine Ultraschalluntersuchung fehlt, würden die Mädchen nach der Geburt oftmals ersticken oder ertränken.
Seit Jahrzehnten versuchen in Indien und China reformfreudige Kräfte derartigen Auswüchsen Einhalt zu gebieten. Geholfen hat es bislang wenig. So werden beide Länder auch im globalen Zeitalter an Verhaltensmuster festhalten, die dem westlichen Verständnis von Humanität und Moderne diametral widersprechen. Getreu der aufklärerisch-abendländischen Gesinnung fordert der Autor eine breiter gefächerte und bessere Schulbildung. Allein, wer ein gewisses Maß an Bildung besitze, vermöge soziale Schranken zu überwinden. Aber, fragt Schweizer ein wenig ratlos: Wollen das die Menschen in Indien und China überhaupt?
GODEHARD WEYERER
Der Rezensent ist Historiker und Journalist bei Bremen.
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