Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 06.02.2004 Gut und günstig
Taschenbücher
RON KOERTGE: Der Tag X. Die Zeit läuft. Aus dem Amerikanischen von Heike Brandt. dtv junior (78193) 2004. 128 Seiten, 5,50 Euro.
Als „zu amerikanisch” hätte man hierzulande diesen Roman noch vor wenigen Jahren eingestuft. Doch seit Erfurt und der wachsenden Gewalt in unseren Schulen können wir nicht mehr so tun, als seien wir hier weit entfernt von Ereignissen und Entwicklungen, wie sie in Der Tag X geschildert werden. Ort der Handlung ist eine amerikanische Highschool. Ron
Koertge lässt fünfzehn Jugendliche in knapper, rhythmisierter Prosa zu Wort kommen. Kein auktorialer Erzähler hilft dem Leser mit verbindenden Worten, Abstand zu gewinnen zu den verstörenden, aggressiven oder auch anrührenden Bekenntnissen, die er da zu lesen bekommt. Fünfzehn Jugendliche unterschiedlichster Herkunft und Gesinnung, gefangen in ihren höchst persönlichen Geschichten, Problemen und Nöten, und einer von ihnen ist Boyd.
„In der Schule gibt’s tausend Regeln. Ich habe nur eine: GEHORCHE KEINER REGEL.” Doch er gehorcht Mike, dem älteren, rechtsradikalen Freund, der ihm Waffen besorgt und mit dem er „Die Liste” entwirft. „Da stehen alle drauf, die mich nicht ernst genommen haben, mich rausgekantet haben, mich angekotzt haben.” Für seinen Plan braucht er Mitkämpfer, und da ist ihm der dicke „Underdog” Lester gerade recht. Boyd hält Lester dessen Peiniger Damon vom Leib, dafür soll Lester die Waffen in seinem Rucksack zur Schule bringen. Scheinbar unaufhaltsam naht „Der Tag X”, und Boyd macht immer öfter Andeutungen, so als hoffe er, dass ihn noch jemand stoppen möge. Doch niemand scheint die Gefahr zu erkennen. Am Ende ist es Lester, der in letzter Minute – mit Hilfe der von den meisten anderen Schülern verachteten Meredith – die Katastrophe verhindert. Aus atemlos ausgestoßenen Monologen setzt sich dieses Psychogramm einer Schulklasse zusammen, deren Thema – den meisten allerdings nicht bewusst – Gewalt ist. Einer von ihnen ist bereit zu handeln, aber zum Glück für alle sind ausgerechnet die beiden „Underdogs” der Klasse mutig genug den Teufelskreis zu durchbrechen. Literarisch brillant, weil reduziert auf ein Minimum an Worten, und dramaturgisch virtuos, ist dies ein Stück Literatur, das noch lange nachwirkt und sich hervorragend zur Diskussion mit Jugendlichen eignet.
(Umfangreiches Unterrichtsmaterial für die Klassen 8–11 lieferbar)
RAINER KUNZE: Wohin der Schlaf sich schlafen legt. Gedichte für Kinder. Mit neuen Bildern von Karl Franta. Fischer Taschenbuch Verlag (80003) 2003. 56 Seiten, 4,90 Euro.
„Freundlicher Gruß / Kindergruß / kommt zu Fuß, / schwebt dir ins Gemüt;
leichtes Ding, / Schmetterling – sucht, was in dir blüht.”
Kurze, sinnliche und fröhliche Gedichte sind hier versammelt und machen Lust, mal wieder Verse zu lesen oder vorzulesen. Schade nur, dass Frantas prächtige Bilder in dieser Ausgabe nur schwarz-weiß gedruckt wurden.
HILDE ELISABETH MENZEL
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
Taschenbücher
RON KOERTGE: Der Tag X. Die Zeit läuft. Aus dem Amerikanischen von Heike Brandt. dtv junior (78193) 2004. 128 Seiten, 5,50 Euro.
Als „zu amerikanisch” hätte man hierzulande diesen Roman noch vor wenigen Jahren eingestuft. Doch seit Erfurt und der wachsenden Gewalt in unseren Schulen können wir nicht mehr so tun, als seien wir hier weit entfernt von Ereignissen und Entwicklungen, wie sie in Der Tag X geschildert werden. Ort der Handlung ist eine amerikanische Highschool. Ron
Koertge lässt fünfzehn Jugendliche in knapper, rhythmisierter Prosa zu Wort kommen. Kein auktorialer Erzähler hilft dem Leser mit verbindenden Worten, Abstand zu gewinnen zu den verstörenden, aggressiven oder auch anrührenden Bekenntnissen, die er da zu lesen bekommt. Fünfzehn Jugendliche unterschiedlichster Herkunft und Gesinnung, gefangen in ihren höchst persönlichen Geschichten, Problemen und Nöten, und einer von ihnen ist Boyd.
„In der Schule gibt’s tausend Regeln. Ich habe nur eine: GEHORCHE KEINER REGEL.” Doch er gehorcht Mike, dem älteren, rechtsradikalen Freund, der ihm Waffen besorgt und mit dem er „Die Liste” entwirft. „Da stehen alle drauf, die mich nicht ernst genommen haben, mich rausgekantet haben, mich angekotzt haben.” Für seinen Plan braucht er Mitkämpfer, und da ist ihm der dicke „Underdog” Lester gerade recht. Boyd hält Lester dessen Peiniger Damon vom Leib, dafür soll Lester die Waffen in seinem Rucksack zur Schule bringen. Scheinbar unaufhaltsam naht „Der Tag X”, und Boyd macht immer öfter Andeutungen, so als hoffe er, dass ihn noch jemand stoppen möge. Doch niemand scheint die Gefahr zu erkennen. Am Ende ist es Lester, der in letzter Minute – mit Hilfe der von den meisten anderen Schülern verachteten Meredith – die Katastrophe verhindert. Aus atemlos ausgestoßenen Monologen setzt sich dieses Psychogramm einer Schulklasse zusammen, deren Thema – den meisten allerdings nicht bewusst – Gewalt ist. Einer von ihnen ist bereit zu handeln, aber zum Glück für alle sind ausgerechnet die beiden „Underdogs” der Klasse mutig genug den Teufelskreis zu durchbrechen. Literarisch brillant, weil reduziert auf ein Minimum an Worten, und dramaturgisch virtuos, ist dies ein Stück Literatur, das noch lange nachwirkt und sich hervorragend zur Diskussion mit Jugendlichen eignet.
(Umfangreiches Unterrichtsmaterial für die Klassen 8–11 lieferbar)
RAINER KUNZE: Wohin der Schlaf sich schlafen legt. Gedichte für Kinder. Mit neuen Bildern von Karl Franta. Fischer Taschenbuch Verlag (80003) 2003. 56 Seiten, 4,90 Euro.
„Freundlicher Gruß / Kindergruß / kommt zu Fuß, / schwebt dir ins Gemüt;
leichtes Ding, / Schmetterling – sucht, was in dir blüht.”
Kurze, sinnliche und fröhliche Gedichte sind hier versammelt und machen Lust, mal wieder Verse zu lesen oder vorzulesen. Schade nur, dass Frantas prächtige Bilder in dieser Ausgabe nur schwarz-weiß gedruckt wurden.
HILDE ELISABETH MENZEL
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