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Zwischen 1750 und 1830 vollzog sich in Frankreich ein medizinischer Paradigmenwechsel: War die Geburtshilfe bis dato in weiblicher Hand, machten sich nun männliche Ärzte und Chirurgen mit aufklärerischem Eifer an die Erschließung des schwangeren und gebärenden Frauenkörpers. Ihr Ziel war es, sich als neue wissenschaftliche Autorität in der Geburtshilfe zu etablieren - zum Nachteil der Hebammen und ihres Erfahrungswissens, die allmählich verdrängt wurden. Anhand von circa 300 Fallberichten ("observations") aus medizinischen Zeitschriften eröffnet Lucia Aschauer neue Perspektiven auf die…mehr
Zwischen 1750 und 1830 vollzog sich in Frankreich ein medizinischer Paradigmenwechsel: War die Geburtshilfe bis dato in weiblicher Hand, machten sich nun männliche Ärzte und Chirurgen mit aufklärerischem Eifer an die Erschließung des schwangeren und gebärenden Frauenkörpers. Ihr Ziel war es, sich als neue wissenschaftliche Autorität in der Geburtshilfe zu etablieren - zum Nachteil der Hebammen und ihres Erfahrungswissens, die allmählich verdrängt wurden. Anhand von circa 300 Fallberichten ("observations") aus medizinischen Zeitschriften eröffnet Lucia Aschauer neue Perspektiven auf die Geschichte von Schwangerschaft und Geburt und legt die Entstehungsbedingungen einer bis heute fortwirkenden geburtshilflichen Wissensordnung offen.
Lucia Aschauer promovierte an der Universität Bochum; sie arbeitet derzeit an der École des hautes études en sciences sociales (EHESS) und am Centre interdisciplinaire d'études et de recherches sur l'Allemagne (CIERA) in Paris.
Inhaltsangabe
Inhalt 1. Einleitung 9 1.1 Der Fall Siccaud. Konstitution des Untersuchungsgegenstandes 9 1.2 Fall, Fallwissen, Fallgeschichte. Forschungsstand und Begrifflichkeiten 16 1.3 Quellen und Untersuchungszeitraum 27 1.4 Methode und Aufbau 35 Teil I. Die geburtshilfliche observation als »epistemic genre«. Theorie und Praxis einer issenschaftlichen Gattung 2. Wissenschaftliche Beobachtung im 18. Jahrhundert. Der epistemische Kontext der geburtshilflichen observation 49 2.1 Der ideale Beobachter 52 2.2 Beobachtungswissen und medizinische Doktrin 57 2.3 Theorie und Praxis kollektiver Beobachtung 60 2.4 Konkurrierende epistemische Konzepte. »Observation« und »expérience« 64 2.5 Die Beobachtungsliteratur als Mittel der Profilierung? 66 3. Gattungskonventionen, Gattungsbewusstsein und Gattungswissen. Die observation zwischen Poetologie und geburtshilflicher Praxis 70 3.1 Theoretische Anforderungen. Die Poetiken der observation 71 3.2 Die geburtshilflichen observations aus dem Journal de médecine. Autorschaft und Gattungswissen 81 4. Spurensuche. Elemente einer vergleichenden Gattungsgeschichte der geburtshiflichen observation 94 4.1 Hybridisierungen. Die historischen Vorläufer der observation 95 4.2 Wechselseitige Beeinflussungen. Zeitgenössische Gattungen und ihr Verhältnis zur observation 101 5. Epistemische Funktionen. Die geburtshilfliche observation in der wissenschaftlichen Kommunikation 116 5.1 Wirkungsorte und Funktionen 129 5.2 Die Debatte über die Schambeinsektion. Souchot (1777) vs. Vepres (1778) 141 5.3 Zum paradigmatischen Charakter der geburtshilflichen observation 153 Teil II. Die geburtshilfliche observation als »Wirklichkeitserzählung«. Die narrative Etablierung einer neuen geburtshilflichen Wissensordnung 6. Zur Narrativik der geburtshilflichen observation 159 6.1 Grundzüge und Herausforderungen einer Narratologie des Faktualen 161 6.2 Der epistemische Pakt oder die Herstellung epistemischer Autorität in der observation 166 6.3 Die Erzählstruktur der geburtshilflichen observation 172 6.4 Narrative Evidenz und epistemische Leerstelle 188 6.5 Der Wandel geburtshilflichen Erzählens (1750-1830) 199 7. Der männliche Geburtshelfer. Vom lüsternen Peiniger zum heroischen Retter 205 7.1 Das Schreckensbild des grausamen Accoucheurs am Beispiel von de Sades La nouvelle Justine (1799) 206 7.2 Das neue Selbstverständnis der männlichen Geburtshelfer. Zwei narrative Umdeutungsstrategien 212 7.3 Die Formulierung eines Identifikationsangebots 220 8. Die Hebammenfigur. Von der diskreditierten Konkurrentin zur gefügigen Gehilfin 224 8.1 Aggressive Diskreditierung 226 8.2 Harmonische Unterordnung 236 9. Anschreiben gegen das weibliche Erfahrungswissen. Die Herausbildung einer geburtshilflichen Expertenstimme 241 9.1 Von der frühmodernen Vielstimmigkeit 244 9.2 Zur Einstimmigkeit der (Accouchier-)Klinik 252 10. Schluss 264 Quellen und Literatur 272 Anhang 296 Dank 343
Inhalt 1. Einleitung 9 1.1 Der Fall Siccaud. Konstitution des Untersuchungsgegenstandes 9 1.2 Fall, Fallwissen, Fallgeschichte. Forschungsstand und Begrifflichkeiten 16 1.3 Quellen und Untersuchungszeitraum 27 1.4 Methode und Aufbau 35 Teil I. Die geburtshilfliche observation als »epistemic genre«. Theorie und Praxis einer issenschaftlichen Gattung 2. Wissenschaftliche Beobachtung im 18. Jahrhundert. Der epistemische Kontext der geburtshilflichen observation 49 2.1 Der ideale Beobachter 52 2.2 Beobachtungswissen und medizinische Doktrin 57 2.3 Theorie und Praxis kollektiver Beobachtung 60 2.4 Konkurrierende epistemische Konzepte. »Observation« und »expérience« 64 2.5 Die Beobachtungsliteratur als Mittel der Profilierung? 66 3. Gattungskonventionen, Gattungsbewusstsein und Gattungswissen. Die observation zwischen Poetologie und geburtshilflicher Praxis 70 3.1 Theoretische Anforderungen. Die Poetiken der observation 71 3.2 Die geburtshilflichen observations aus dem Journal de médecine. Autorschaft und Gattungswissen 81 4. Spurensuche. Elemente einer vergleichenden Gattungsgeschichte der geburtshiflichen observation 94 4.1 Hybridisierungen. Die historischen Vorläufer der observation 95 4.2 Wechselseitige Beeinflussungen. Zeitgenössische Gattungen und ihr Verhältnis zur observation 101 5. Epistemische Funktionen. Die geburtshilfliche observation in der wissenschaftlichen Kommunikation 116 5.1 Wirkungsorte und Funktionen 129 5.2 Die Debatte über die Schambeinsektion. Souchot (1777) vs. Vepres (1778) 141 5.3 Zum paradigmatischen Charakter der geburtshilflichen observation 153 Teil II. Die geburtshilfliche observation als »Wirklichkeitserzählung«. Die narrative Etablierung einer neuen geburtshilflichen Wissensordnung 6. Zur Narrativik der geburtshilflichen observation 159 6.1 Grundzüge und Herausforderungen einer Narratologie des Faktualen 161 6.2 Der epistemische Pakt oder die Herstellung epistemischer Autorität in der observation 166 6.3 Die Erzählstruktur der geburtshilflichen observation 172 6.4 Narrative Evidenz und epistemische Leerstelle 188 6.5 Der Wandel geburtshilflichen Erzählens (1750-1830) 199 7. Der männliche Geburtshelfer. Vom lüsternen Peiniger zum heroischen Retter 205 7.1 Das Schreckensbild des grausamen Accoucheurs am Beispiel von de Sades La nouvelle Justine (1799) 206 7.2 Das neue Selbstverständnis der männlichen Geburtshelfer. Zwei narrative Umdeutungsstrategien 212 7.3 Die Formulierung eines Identifikationsangebots 220 8. Die Hebammenfigur. Von der diskreditierten Konkurrentin zur gefügigen Gehilfin 224 8.1 Aggressive Diskreditierung 226 8.2 Harmonische Unterordnung 236 9. Anschreiben gegen das weibliche Erfahrungswissen. Die Herausbildung einer geburtshilflichen Expertenstimme 241 9.1 Von der frühmodernen Vielstimmigkeit 244 9.2 Zur Einstimmigkeit der (Accouchier-)Klinik 252 10. Schluss 264 Quellen und Literatur 272 Anhang 296 Dank 343
Rezensionen
»Das Buch überzeugt durch seine kluge Analyse der Texte.« Jürgen Schlumbohm, H-Soz-Kult, 27.04.2021»Lucia Aschauer [liefert] mit ihrer Studie nicht nur einen fundierten Überblick über die bestehenden Ansätze auf dem stetig wachsenden Feld der Fallgeschichtsforschung, sondern bereichert dieselbe mit einem innovativen und akribisch recherchierten Beitrag. Mit ihrer Analyse der Narratologie des (geburtshilflichen) Falls wendet sich die Historikerin einer neuen, durchaus erkenntnisreichen Facette der historischen Fallgeschichtsforschung zu, die nicht nur im spezifischen Kontext der Geburtshilfe wertvolleImpulse liefert, sondernauch darüber hinausAnwendungin der Wissenschafts-, Kultur- und Medizingeschichte finden sollte.« Marina Hilber, Zeitschrift für historische Forschung, 48 (2021) 1»Atemberaubend gut!« Eva Hallama, WeiberDiwan, 25.07.2022
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