Toni Morrison
Gebundenes Buch
Heimkehr
Roman Sprachlich überarbeitet und aktualisiert von Marion Kraft
Übersetzung: Piltz, Thomas
Versandkostenfrei!
Erscheint vorauss. 27. Januar 2026
Weitere Ausgaben:
PAYBACK Punkte
0 °P sammeln!
Frank Money hat den Koreakrieg überlebt - als Einziger von drei Freiwilligen aus Lotus, Georgia. Nun findet er sich im segregierten, rassistischen Amerika der 1950er-Jahre wieder: getrennte Restaurants, Hotels, Waschräume und Drangsalierungen durch die Polizei. Dann erreicht ihn die Nachricht, dass seine geliebte kleine Schwester Cee sich in großer Gefahr befindet. Obwohl er nie mehr nach Lotus zurückwollte, muss er in seinen Heimatort reisen, zu seinem Elternhaus, wo bittere Geheimnisse ans Tageslicht kommen und wo er lernen wird, was es braucht, um zu heilen. Und was es bedeutet, nach Ha...
Frank Money hat den Koreakrieg überlebt - als Einziger von drei Freiwilligen aus Lotus, Georgia. Nun findet er sich im segregierten, rassistischen Amerika der 1950er-Jahre wieder: getrennte Restaurants, Hotels, Waschräume und Drangsalierungen durch die Polizei. Dann erreicht ihn die Nachricht, dass seine geliebte kleine Schwester Cee sich in großer Gefahr befindet. Obwohl er nie mehr nach Lotus zurückwollte, muss er in seinen Heimatort reisen, zu seinem Elternhaus, wo bittere Geheimnisse ans Tageslicht kommen und wo er lernen wird, was es braucht, um zu heilen. Und was es bedeutet, nach Hause zu kommen.
«Toni Morrisons gefühlvollstes Buch.» The New York Review of Books
«Ein virtuoser Roman.» Süddeutsche Zeitung
«Toni Morrisons gefühlvollstes Buch.» The New York Review of Books
«Ein virtuoser Roman.» Süddeutsche Zeitung
Toni Morrison wurde 1931 in Lorain, Ohio, geboren. Sie studierte an der renommierten Cornell University Anglistik und hatte an der Princeton University eine Professur für afroamerikanische Literatur inne. Zu ihren bedeutendsten Werken zählen 'Sehr blaue Augen', 'Solomons Lied', 'Beloved', 'Jazz' und ihr essayistisches Schaffen. Sie war Mitglied des National Council on the Arts und der American Academy of Arts and Letters. Ausgezeichnet mit zahlreichen Preisen, u. a. mit dem National Book Critics' Circle Award und dem American-Academy-and-Institute-of-Arts-and-Letters Award für Erzählliteratur. 1993 erhielt sie den Nobelpreis für Literatur, und 2012 zeichnete Barack Obama sie mit der Presidential Medal of Freedom aus. Toni Morrison starb am 5. August 2019. Thomas Piltz, geboren 1949 in München, ist freier Fotograf und Übersetzer. Er übertrug unter anderem Werke von Thomas Pynchon, Jonathan Franzen und John Updike ins Deutsche. Ausgezeichnet mit dem Heinrich Maria Ledig-Rowohlt-Übersetzerpreis.

Produktdetails
- Verlag: Rowohlt TB.
- Originaltitel: Home
- 1. Auflage, Überarbeitete Neuausgabe
- Seitenzahl: 160
- Erscheinungstermin: 27. Januar 2026
- Deutsch
- Abmessung: 190mm x 125mm
- ISBN-13: 9783499018046
- ISBN-10: 3499018047
- Artikelnr.: 73795406
Herstellerkennzeichnung
Rowohlt Taschenbuch
Kirchenallee 19
20099 Hamburg
produktsicherheit@rowohlt.de
"Alle großen Themen der Nobelpreisträgerin sind hier vereint, prägnant und eindringlich." -- The Washington Post
"Das gefühlvollste Buch von Morrison." -- The New York Review of Books
"Das gefühlvollste Buch von Morrison." -- The New York Review of Books
Sogar die Schatten lügen
Die Literaturnobelpreisträgerin Toni Morrison erzählt in "Heimkehr" von einem schwarzen Geschwisterpaar, das unfreiwillig ein Verbrechen beobachtet hat.
Von Hubert Spiegel
Toni Morrison, Amerikas Literaturnobelpreisträgerin und der Stachel, den Stockholm ins Fleisch ihrer weißen Schriftstellerkollegen wie John Updike und Philip Roth gepflanzt hat, erzählt in ihren Romanen von den Dämonen, von denen das schwarze Amerika gejagt wird: Sklaverei, Diskriminierung, Armut, Hass und Gewalt. Ihre Hauptfiguren sind überwiegend weiblich, Morrisons Poetik ist feministisch, emanzipatorisch und höchst allergisch gegen jede Art von Vereinnahmung: "Schwarze haben keine Nationalität in diesem Land.
Die Literaturnobelpreisträgerin Toni Morrison erzählt in "Heimkehr" von einem schwarzen Geschwisterpaar, das unfreiwillig ein Verbrechen beobachtet hat.
Von Hubert Spiegel
Toni Morrison, Amerikas Literaturnobelpreisträgerin und der Stachel, den Stockholm ins Fleisch ihrer weißen Schriftstellerkollegen wie John Updike und Philip Roth gepflanzt hat, erzählt in ihren Romanen von den Dämonen, von denen das schwarze Amerika gejagt wird: Sklaverei, Diskriminierung, Armut, Hass und Gewalt. Ihre Hauptfiguren sind überwiegend weiblich, Morrisons Poetik ist feministisch, emanzipatorisch und höchst allergisch gegen jede Art von Vereinnahmung: "Schwarze haben keine Nationalität in diesem Land.
Mehr anzeigen
Wir sind Staatsbürger und Schwarze. Ich bin keine amerikanische Schriftstellerin."
Es war daher kaum zu erwarten, dass die Autorin einen Kriegsheimkehrer zum Erzähler und zur Hauptfigur ihres jüngsten Romans machen würde. Aber Frank Money, der traumatisiert aus Korea zurückkehrt, ist beides nur auf den ersten Blick. In "Heimkehr" erzählt Toni Morrison zwar Franks Geschichte, aber im Grunde ist der junge Veteran für die Autorin nur Mittel zu einem anderen Zweck.
Als Erstes lesen wir ein Gedicht. Vielleicht ist es auch ein Liedtext, ein Bluessong. Er handelt von einem fremden Haus, einem Haus, dessen Schatten lügen: "Sag mir, sag, warum mein Schlüssel hier passt." Dann folgt eine Rückblende in die Kindheit von Frank und seiner jüngeren Schwester Ycidra, genannt Cee. Die beiden Kinder werden zufällig Zeugen eines schrecklichen Geschehens: Ein Leichnam wird verscharrt, und Frank weiß sofort, dass ihr Leben in Gefahr ist, wenn sie entdeckt werden. Fortan ist die Sorge um Cee der wichtigste Inhalt von Franks leerem Leben.
Aber Frank kann seine Schwester nicht beschützen. Das Leben in dem Hundert-Seelen-Kaff Lotus in Georgia ist sterbensöde, dumpf und von Armut geprägt: "Das Verrückte ist unser Familienname, Money. Etwas, das wir nie hatten." Die Armee erscheint Frank und seinen Freunden als Geschenk Gottes - endlich eine Gelegenheit, dem verhassten Heimatort den Rücken zu kehren. Aber Lotus war nie eine Heimat, sondern nur der Zufluchtsort, an den es die Familie Money verschlagen hatte, nachdem sie von Rassisten aus ihrem Haus in Texas vertrieben worden war.
Als Frank nach Korea aufbricht, ist er ein selbstbewusster, kraftstrotzender Bursche, der eine pogromartige Vertreibung und eine traurige Kindheit und Jugend bei einer bis zur Bösartigkeit lieblosen Großmutter hinter sich hat. Als er zurückkommt, ist er Mitte zwanzig und ein Wrack: ein Trinker, der seine Freunde hat sterben sehen, der Schreckliches nicht nur erleben musste, sondern auch selbst getan hat, haltlos, von psychischen Störungen verängstigt, ohne Job und Perspektive. Erst ein Brief aus Lotus rüttelt ihn wach: Cee ist todkrank. Frank flieht aus der psychiatrischen Anstalt, in der er eines Morgens aufgewacht ist, ohne zu wissen, wie er dort hingeraten war.
Toni Morrison erzählt die Geschichte von Frank und Cee als schwarzes Märchen aus böser Zeit. In loser Folge reiht sie Szenen von Franks Reise zu Cee und Rückblenden auf Kindheits- und Kriegserlebnisse aneinander. Das Amerika der fünfziger Jahre erscheint als ein Ort brutaler Gewalt und Willkür. Schlägereien, Übergriffe der Polizei und übelste Diskriminierung sind an der Tagesordnung. Die Schwarzen reagieren darauf mit Sarkasmus und Solidarität. Frank findet Freunde und Helfer.
All das wird geschildert aus der Perspektive eines allwissenden Erzählers, aber es ist Frank selbst, der diesem Erzähler - oder dieser Erzählerin - die Grenzen aufweist. In kursiv gesetzten Passagen lässt Toni Morrison Frank selbst sprechen und das Erzählte auch kommentieren. Das erinnert an die Tradition der oral history, an die Toni Morrison in ihrem Werk immer wieder angeknüpft hat: Einer, der gut reden kann, erzählt die Geschichte eines anderen, dem die Gabe der Rede nicht zur Verfügung steht. Aber Frank ist skeptisch: "Erzähl von Erschöpfung. Erzähl von Hunger . . . Du hast keine Ahnung, was Hitze ist, solange du nicht von Texas nach Louisiana gegangen bist, über die Grenze im Sommer. Du findest die Worte nicht, die es fassen. Bäume ergeben sich. Schildkröten kochen unter ihren Panzern. Beschreib das, falls du weißt, wie."
Von Anfang an lässt Frank durchblicken, dass er seinem namenlosen Gegenüber nicht alles beichtet. Er hält etwas zurück, ein Geheimnis, das mit Cee oder mit dem Krieg zu tun haben muss. Oder mit beidem. Als er Cee findet, ist seine Schwester halb tot, missbraucht und geschändet. Er bringt sie nach Lotus, wo sie von den Frauen des Dorfes gesund gepflegt wird. Cee bleibt versehrt und gezeichnet wie ihr Bruder, entwickelt aber zum ersten Mal in ihrem Leben so etwas wie Selbstbewusstsein, auch gegenüber Frank: "In einer solchen Welt mit solchen Menschen wollte sie jemand sein, der nie wieder gerettet werden musste . . ., sie wollte diejenige sein, die sich selbst rettete." Die Heldin ist gereift, durch Schmerz gestählt, geheilt im Kreise seltsam idealisierter Frauen. Franks Mission ist erfüllt, und die Autorin lässt ihn beiläufig fallen. Der Tote, der am Anfang verscharrt wird, das schreckliche Verbrechen, das Frank in Korea begangen hat, all dies wird noch rasch aufgeklärt, und noch einmal, gegen Ende, gelingen Toni Morrison irritierende Bilder wie zu Beginn, hart und poetisch zugleich. So bleibt nur eine Frage offen: Warum hat Toni Morrison aus diesem komplexen Stoff nicht mehr gemacht, als einen kurzen Roman, dem auf den letzten dreißig Seiten spürbar die Luft ausgeht?
Toni Morrison: "Heimkehr". Roman.
Aus dem Amerikanischen von Thomas Piltz. Rowohlt Verlag, Reinbek 2014. 156 S., geb., 18,95 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Es war daher kaum zu erwarten, dass die Autorin einen Kriegsheimkehrer zum Erzähler und zur Hauptfigur ihres jüngsten Romans machen würde. Aber Frank Money, der traumatisiert aus Korea zurückkehrt, ist beides nur auf den ersten Blick. In "Heimkehr" erzählt Toni Morrison zwar Franks Geschichte, aber im Grunde ist der junge Veteran für die Autorin nur Mittel zu einem anderen Zweck.
Als Erstes lesen wir ein Gedicht. Vielleicht ist es auch ein Liedtext, ein Bluessong. Er handelt von einem fremden Haus, einem Haus, dessen Schatten lügen: "Sag mir, sag, warum mein Schlüssel hier passt." Dann folgt eine Rückblende in die Kindheit von Frank und seiner jüngeren Schwester Ycidra, genannt Cee. Die beiden Kinder werden zufällig Zeugen eines schrecklichen Geschehens: Ein Leichnam wird verscharrt, und Frank weiß sofort, dass ihr Leben in Gefahr ist, wenn sie entdeckt werden. Fortan ist die Sorge um Cee der wichtigste Inhalt von Franks leerem Leben.
Aber Frank kann seine Schwester nicht beschützen. Das Leben in dem Hundert-Seelen-Kaff Lotus in Georgia ist sterbensöde, dumpf und von Armut geprägt: "Das Verrückte ist unser Familienname, Money. Etwas, das wir nie hatten." Die Armee erscheint Frank und seinen Freunden als Geschenk Gottes - endlich eine Gelegenheit, dem verhassten Heimatort den Rücken zu kehren. Aber Lotus war nie eine Heimat, sondern nur der Zufluchtsort, an den es die Familie Money verschlagen hatte, nachdem sie von Rassisten aus ihrem Haus in Texas vertrieben worden war.
Als Frank nach Korea aufbricht, ist er ein selbstbewusster, kraftstrotzender Bursche, der eine pogromartige Vertreibung und eine traurige Kindheit und Jugend bei einer bis zur Bösartigkeit lieblosen Großmutter hinter sich hat. Als er zurückkommt, ist er Mitte zwanzig und ein Wrack: ein Trinker, der seine Freunde hat sterben sehen, der Schreckliches nicht nur erleben musste, sondern auch selbst getan hat, haltlos, von psychischen Störungen verängstigt, ohne Job und Perspektive. Erst ein Brief aus Lotus rüttelt ihn wach: Cee ist todkrank. Frank flieht aus der psychiatrischen Anstalt, in der er eines Morgens aufgewacht ist, ohne zu wissen, wie er dort hingeraten war.
Toni Morrison erzählt die Geschichte von Frank und Cee als schwarzes Märchen aus böser Zeit. In loser Folge reiht sie Szenen von Franks Reise zu Cee und Rückblenden auf Kindheits- und Kriegserlebnisse aneinander. Das Amerika der fünfziger Jahre erscheint als ein Ort brutaler Gewalt und Willkür. Schlägereien, Übergriffe der Polizei und übelste Diskriminierung sind an der Tagesordnung. Die Schwarzen reagieren darauf mit Sarkasmus und Solidarität. Frank findet Freunde und Helfer.
All das wird geschildert aus der Perspektive eines allwissenden Erzählers, aber es ist Frank selbst, der diesem Erzähler - oder dieser Erzählerin - die Grenzen aufweist. In kursiv gesetzten Passagen lässt Toni Morrison Frank selbst sprechen und das Erzählte auch kommentieren. Das erinnert an die Tradition der oral history, an die Toni Morrison in ihrem Werk immer wieder angeknüpft hat: Einer, der gut reden kann, erzählt die Geschichte eines anderen, dem die Gabe der Rede nicht zur Verfügung steht. Aber Frank ist skeptisch: "Erzähl von Erschöpfung. Erzähl von Hunger . . . Du hast keine Ahnung, was Hitze ist, solange du nicht von Texas nach Louisiana gegangen bist, über die Grenze im Sommer. Du findest die Worte nicht, die es fassen. Bäume ergeben sich. Schildkröten kochen unter ihren Panzern. Beschreib das, falls du weißt, wie."
Von Anfang an lässt Frank durchblicken, dass er seinem namenlosen Gegenüber nicht alles beichtet. Er hält etwas zurück, ein Geheimnis, das mit Cee oder mit dem Krieg zu tun haben muss. Oder mit beidem. Als er Cee findet, ist seine Schwester halb tot, missbraucht und geschändet. Er bringt sie nach Lotus, wo sie von den Frauen des Dorfes gesund gepflegt wird. Cee bleibt versehrt und gezeichnet wie ihr Bruder, entwickelt aber zum ersten Mal in ihrem Leben so etwas wie Selbstbewusstsein, auch gegenüber Frank: "In einer solchen Welt mit solchen Menschen wollte sie jemand sein, der nie wieder gerettet werden musste . . ., sie wollte diejenige sein, die sich selbst rettete." Die Heldin ist gereift, durch Schmerz gestählt, geheilt im Kreise seltsam idealisierter Frauen. Franks Mission ist erfüllt, und die Autorin lässt ihn beiläufig fallen. Der Tote, der am Anfang verscharrt wird, das schreckliche Verbrechen, das Frank in Korea begangen hat, all dies wird noch rasch aufgeklärt, und noch einmal, gegen Ende, gelingen Toni Morrison irritierende Bilder wie zu Beginn, hart und poetisch zugleich. So bleibt nur eine Frage offen: Warum hat Toni Morrison aus diesem komplexen Stoff nicht mehr gemacht, als einen kurzen Roman, dem auf den letzten dreißig Seiten spürbar die Luft ausgeht?
Toni Morrison: "Heimkehr". Roman.
Aus dem Amerikanischen von Thomas Piltz. Rowohlt Verlag, Reinbek 2014. 156 S., geb., 18,95 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Schließen
Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
Angela Schader verehrt Toni Morrison sehr, und auch mit diesem Roman fügt die Nobelpreisträgerin ein neues Segment in ihre "bildstarke Gesamtschau" der afroamerikanischer Geschichte. "Heimkehr" erzählt von zwei Geschwistern am Vorabend der Bürgerrechtsbewegung, berichtet die Rezensentin: Frank Money kehrt aus dem Koreakrieg zurück, wo er "als Soldat unter Soldaten" gedient hat, mit einem traumatischen Sehfehler zurück: er sieht keine Farben mehr, sondern nur noch schwarzweiß. Seine Schwester Cee ist nach einer überstürzten Ehe in die Fänge eines obskuren Heilers geraten, der sie für üble Experimente benutzt. Ikonenhafte Momente und wuchtige Tableaus hat Schader in dem Roman gefunden, wie sie es von Morrison kennt, doch das überraschende, "naiv-nostalgisch anmutende "Ende hat die Rezensentin geradezu verstört. Solch erschreckend patente Bodenständigkeit hat Schader bei Morrison noch nie erlebt.
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH
Hätte Amerika eine Nationalschriftstellerin, so wäre es Toni Morrison. The New York Times
Broschiertes Buch
Vom moralischen Potenzial der Literatur
Mit «Heimkehr» hat die afroamerikanische Schriftstellerin Toni Morrison einen Zyklus fortgesetzt, der mit dem Roman «Jazz» begann. Dabei steht die Situation der farbigen Bevölkerung der USA zu verschiedenen Zeiten im …
Mehr
Vom moralischen Potenzial der Literatur
Mit «Heimkehr» hat die afroamerikanische Schriftstellerin Toni Morrison einen Zyklus fortgesetzt, der mit dem Roman «Jazz» begann. Dabei steht die Situation der farbigen Bevölkerung der USA zu verschiedenen Zeiten im Mittelpunkt, hier ist es der Rassismus der frühen Fünfzigerjahre. «Hätte Amerika eine Nationalschriftstellerin, so wäre es Toni Morrison» hat die New York Times über die Nobelpreisträgerin von 1993 geschrieben. Eine derartige Wertung kann nur qualitativ interpretiert werden, widmet sich die streitbare Autorin in ihrem Werk doch ausschließlich dem unterprivilegierten farbigen Teil der amerikanischen Bevölkerung, leiht also nur einer Minderheit ihre Stimme, nicht dem gesamten Volke. «Es wird niemand meine Literatur verstehen, der nicht versteht, aus welch anderem Humus sie wuchs als die Literatur der John Updike oder Saul Bellow», hat sie im Interview mit dem kürzlich verstorbenen Fritz J. Raddatz gesagt. Und ebenso eindeutig ist der feministische Blickwinkel, aus dem heraus sie schreibt, die Männer kommen allesamt schlecht weg in ihren Geschichten, so auch in ihrem vorliegenden neuen Roman.
Frank kehrt traumatisiert aus dem Koreakrieg zurück, in dem er seine zwei Kumpels verloren hat. Er stürzt ab, versinkt in Alkohol-Exzessen, trennt sich von seiner Freundin und landet in der geschlossenen Psychiatrie, ohne sich recht erinnern zu können, was ihn dort hingebracht hat. Weil er schlimme Nachrichten über seine innig geliebte Schwester erhalten hat, die im Sterben läge, bricht er aus von dort, will schnell zu ihr. Auf seiner Flucht erlebt er die Solidarität vieler Menschen, die ihm selbstlos weiterhelfen. Er findet Cee in schlimmem Zustand vor, ein dilettantischer Gynäkologe hatte in Narkose medizinische Experimente an ihr vorgenommen. Es sind die schwarzen Frauen ihres Heimatdorfes, die sie wieder aufpäppeln mit allerlei Heilkünsten jenseits der Schulmedizin. Diese starken Frauen, allesamt Analphabetinnen, sind die Stütze der kleinen Gemeinde, sie sind es, die heilen, die für Essen und Kleidung sorgen, den eigenen Garten bestellen, ihre Tiere füttern, Feldarbeit leisten, die bösen Geister fernhalten. Und die bei alledem noch singen, sich die alten Geschichten erzählen, dem Leben zugetan sind trotz aller Fährnisse und Widrigkeiten.
Es mangelt nicht an Grausamkeiten in diesem Roman, auf dem Kriegsveteranen lastet die Erinnerung an den grausamen Mord, den er in Korea an einem kleinen Mädchen verübt hat. Ein Trauma schon im Kindesalter war für die bei ihrer lieblosen Großmutter aufgewachsenen Geschwister, wie sie unfreiwillig Zeugen wurden, als ein Schwarzer heimlich auf einer Pferdekoppel verscharrt wurde. Frank findet heraus, dass es sich damals um das Opfer eines grauenhaften Kampfes gehandelt habe, zu dem zwei Farbige, Vater und Sohn, von einem weißen Mob gezwungen wurden, einem Hahnenkampf ähnlich, bei dem einer von Beiden in jedem Fall sterben musste. Ganz untypisch für Toni Morrison endet ihre Geschichte jedoch versöhnlich, um nicht zu sagen kitschig, Frank überwindet seine Psychosen, findet in seiner Fürsorge für Cee wieder Halt und Lebenssinn.
Abwechselnd auktorial und personal aus der Perspektive Franks erzählt, zuweilen sogar durch innere Monologe, in denen er die Autorin selbst anspricht, vermittelt der Roman das Bild eines zutiefst traumatisierten Mannes, dem gleichwohl seine Menschlichkeit erhalten geblieben ist. In schnörkelloser Sprache, mit ungekünstelten Dialogen und in diversen Rückblenden wird in dem schmalen Band das Bild einer typischen Südstaaten-Gesellschaft auf dem Lande gezeichnet. Zeitlich ist das Geschehen im Vorfeld der Rassenkämpfe angesiedelt, die diese Zuständen bis zum heutigen Tage allenfalls abmildern, nicht aber wirklich beseitigen konnten - als Stichwort sein nur Ferguson genannt, derzeit Thema in allen Medien. Gerade in Hinblick darauf ist «Heimkehr» ein überzeugender Beweis für das moralische Potenzial der Literatur.
Weniger
Antworten 0 von 0 finden diese Rezension hilfreich
Antworten 0 von 0 finden diese Rezension hilfreich
Andere Kunden interessierten sich für