Alina Bronsky
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Die schärfsten Gerichte der tatarischen Küche
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Die Geschichte der leidenschaftlichsten und durchtriebensten Großmutter aller ZeitenEin Roman über das Aufwachsen eines Mädchens, das zwischen glückloser Mutter und selbstverliebter Großmutter zerrieben wird, über ein Leben zwischen drei Kulturen, über drei Jahrzehnte voller Schicksalsschläge und überraschender Wendungen, über die vergessenen Geheimnisse der tatarischen Küche - mit einer Heldin, die auch als Putzfrau in Deutschland alle Fäden in der Hand hält.Jenseits des Urals herrscht das heimliche Matriarchat und die schöne Tatarin Rosalinda fühlt sich viel zu jung, um Großm...
Die Geschichte der leidenschaftlichsten und durchtriebensten Großmutter aller Zeiten
Ein Roman über das Aufwachsen eines Mädchens, das zwischen glückloser Mutter und selbstverliebter Großmutter zerrieben wird, über ein Leben zwischen drei Kulturen, über drei Jahrzehnte voller Schicksalsschläge und überraschender Wendungen, über die vergessenen Geheimnisse der tatarischen Küche - mit einer Heldin, die auch als Putzfrau in Deutschland alle Fäden in der Hand hält.
Jenseits des Urals herrscht das heimliche Matriarchat und die schöne Tatarin Rosalinda fühlt sich viel zu jung, um Großmutter zu werden. Doch der Abtreibungsversuch an der Tochter Sulfia misslingt und Aminat wird geboren. Zum ersten Mal steht die despotische Rosalinda einem Geschöpf gegenüber, das sie mit Haut und Haaren liebt.
Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion führt Rosalindas Überlebenswille die drei unzertrennlichen Frauen nach Deutschland. Da ist die Tatarin längst die leidenschaftlichste Großmutter aller Zeiten - und der Leser Zeuge haarsträubender Ereignisse und komischer Szenen.
»Alina Bronsky lässt das Mutter monster munter aus der Schule der Diktatoren plaudern - grausam und ulkig.« Stern
»Ihr rasanter Stil ist zwingend, die Geschichte unterhaltsam und fesselnd, die Sprache witzig und böse.« NDR
»Beißend komisch« The New Yorker
Ein Roman über das Aufwachsen eines Mädchens, das zwischen glückloser Mutter und selbstverliebter Großmutter zerrieben wird, über ein Leben zwischen drei Kulturen, über drei Jahrzehnte voller Schicksalsschläge und überraschender Wendungen, über die vergessenen Geheimnisse der tatarischen Küche - mit einer Heldin, die auch als Putzfrau in Deutschland alle Fäden in der Hand hält.
Jenseits des Urals herrscht das heimliche Matriarchat und die schöne Tatarin Rosalinda fühlt sich viel zu jung, um Großmutter zu werden. Doch der Abtreibungsversuch an der Tochter Sulfia misslingt und Aminat wird geboren. Zum ersten Mal steht die despotische Rosalinda einem Geschöpf gegenüber, das sie mit Haut und Haaren liebt.
Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion führt Rosalindas Überlebenswille die drei unzertrennlichen Frauen nach Deutschland. Da ist die Tatarin längst die leidenschaftlichste Großmutter aller Zeiten - und der Leser Zeuge haarsträubender Ereignisse und komischer Szenen.
»Alina Bronsky lässt das Mutter monster munter aus der Schule der Diktatoren plaudern - grausam und ulkig.« Stern
»Ihr rasanter Stil ist zwingend, die Geschichte unterhaltsam und fesselnd, die Sprache witzig und böse.« NDR
»Beißend komisch« The New Yorker
Alina Bronsky, geboren 1978, lebt in Berlin. Ihr Debütroman 'Scherbenpark' wurde zum Bestseller und fürs Kino verfilmt. 'Baba Dunjas letzte Liebe' wurde für den Deutschen Buchpreis 2015 nominiert und ein großer Publikumserfolg. 2019 und 2021 erschienen ihre Bestseller 'Der Zopf meiner Großmutter' und 'Barbara stirbt nicht'.

Produktbeschreibung
- KiWi Taschenbücher 1248
- Verlag: Kiepenheuer & Witsch
- Artikelnr. des Verlages: 4001227
- 6. Aufl.
- Seitenzahl: 320
- Erscheinungstermin: 19. April 2012
- Deutsch
- Abmessung: 124mm x 189mm x 26mm
- Gewicht: 282g
- ISBN-13: 9783462043921
- ISBN-10: 3462043927
- Artikelnr.: 34519415
Herstellerkennzeichnung
Kiepenheuer & Witsch GmbH
Bahnhofsvorplatz 1
50667 Köln
produktsicherheit@kiwi-verlag.de
Nach "Scherbenpark" der zweite Bestseller. "Alina Bronsky lässt das Muttermonster munter aus der Schule der Diktatoren plaudern - grausam und ulkig." Stern "Ihr rasanter Stil ist zwingend, die Geschichte unterhaltsam und fesselnd, die Sprache witzig und böse." NDR "Beißend komisch" The New Yorker
Nachrichten aus dem heimlichen Matriarchat
Harte Heldinnen: Alina Bronsky, die gar nicht Alina Bronsky heißt, weiß nicht nur, wie eine böse Oma aussieht, sie kennt auch die Träume junger Mädchen
Der Titel gefiel mir nicht besonders. Er war zu lang, klang nach Kochbuch und sagte mir überhaupt nichts: "Die schärfsten Gerichte der tatarischen Küche". Was sollte das sein? Jedenfalls erwartete ich nicht viel, als ich vor zwei Jahren Alina Bronskys zweiten Roman zu lesen begann. Den ersten kannte ich nicht. Ich erinnerte mich daran, dass die Autorin, 1978 in Jekaterinburg geboren, in Marburg und Darmstadt aufgewachsen, 2008 beim Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb in Klagenfurt aufgetreten und von der Jury in einer Weise
Harte Heldinnen: Alina Bronsky, die gar nicht Alina Bronsky heißt, weiß nicht nur, wie eine böse Oma aussieht, sie kennt auch die Träume junger Mädchen
Der Titel gefiel mir nicht besonders. Er war zu lang, klang nach Kochbuch und sagte mir überhaupt nichts: "Die schärfsten Gerichte der tatarischen Küche". Was sollte das sein? Jedenfalls erwartete ich nicht viel, als ich vor zwei Jahren Alina Bronskys zweiten Roman zu lesen begann. Den ersten kannte ich nicht. Ich erinnerte mich daran, dass die Autorin, 1978 in Jekaterinburg geboren, in Marburg und Darmstadt aufgewachsen, 2008 beim Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb in Klagenfurt aufgetreten und von der Jury in einer Weise
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behandelt worden war, die einem, wie so oft, Lust machte, das Bachmannpreisübertragungsfernsehen sofort wieder auszumachen. Sie sei eine "Ausnahmebegabung", wurde Alina Bronsky da bescheinigt, ihre Erzählhaltung aber "überflüssig scheinkindlich", "pseudonaiv", "nicht interessant", überhaupt sei das alles mit "fabrizierter Schlitzohrigkeit" geschrieben. Oder, wie der damals in der Jury sitzende Schweizer Schriftsteller André Vladimir Heiz, offenbar kein Freund der Unruhe, ablehnend meinte: Er werde beim Lesen zwischen Faszination und Schrecken hin- und hergebeutelt und finde deshalb "nicht zu einer Leseruhe".
"Als meine Tochter Sulfia mir sagte, sie sei schwanger, wisse aber nicht, von wem", hieß der erste Satz des tatarischen Küchenromans, den ich ein bisschen widerwillig zu lesen begann, "habe ich verstärkt auf meine Haltung geachtet. Ich hielt meinen Rücken sehr gerade und die Hände würdevoll im Schoß gefaltet." Das war ein schöner und ungewöhnlicher Satz. Verglichen mit dem, was folgte, war er, wie sich herausstellte, allerdings völlig harmlos. Denn schon im zweiten Satz fing der Hass an: "Sulfia saß auf einem Küchenhocker. Ihre Schultern waren hässlich hochgezogen und die Augen rot, weil sie die Tränen nicht einfach laufen ließ, sondern mit dem Handrücken im Gesicht verrieb. Und das, obwohl ich sie von klein auf gelehrt hatte, wie man weint, ohne hässlich zu werden, und wie man lächelt, ohne zu viel zu versprechen. Aber sie war nicht begabt. Ich muss sogar sagen, sie war ziemlich dumm. Dabei war sie meine Tochter."
Das gab es in der Gegenwartsliteratur ziemlich selten: Die Figur, die Alina Bronsky da erfunden hatte und die sich auf den ersten Romanseiten auf perfide Weise mit dem Leser zu verbünden, ihn sich zum Komplizen zu machen versuchte, war gehässig und böse, unerbittlich und grausam. Und sie war dies nicht willkürlich gegen alle oder irgendwen, sondern, darin bestand die besondere Grausamkeit, vor allem gegen jene, die andere ihre "Liebsten" nennen würden: gegen ihre einzige Tochter, gegen Freundinnen und gegen ihren Mann. Rosalinda war ihr Name, eine Tatarin, Tyrannin und Herrscherin eines heimlichen Matriarchats, wie man es jenseits des Urals findet: "Es gibt in Osteuropa diese tyrannischen Mutterfiguren, die die Familie massivst missbrauchen", hat Alina Bronsky in einem Interview gesagt, wobei mit Tyrannei nicht nur eine sprachliche gemeint war, die sich in entfesselten Hasstiraden Bahn bricht, sondern zugleich eine vollkommen mitleidlose körperliche Brutalität.
Indem sie ihr ein beinahe kochend heißes Bad mit Senfpulver verordnet, zwingt die Tatarin ihre ungeliebte Tochter zur Abtreibung: "Zieh dich aus", "Steig ein", "In der Hölle ist es noch heißer", lauten ihre Ansagen, bis sie die Tochter, die bald ohnmächtig, mit knallroter Haut und aufgerissenem Mund im Badewasser liegt, dann doch aus der heißen Brühe wieder herauszuziehen bereit ist und eine Freundin ("diese dumme Pute") mit der Stricknadel anrücken lässt. Die scheint Erfolg zu haben, Sulfia blutet tagelang und dabei hoch fiebernd "wie ein Schwein". Nur hat die zielsichere Abtreibungsexpertin, die eigentlich eine Putzfrau ist, von Zwillingen nichts wissen können. So wird doch eine Enkelin geboren, Aminat, die von nun an - und das muss als Bedrohung verstanden werden - Rosalindas Ein und Alles ist: "Ich wusste, dass Kinder wie ein Gemüsebeet behandelt werden sollten. Wenn man Unkraut aus ihrem Charakter beseitigte, erhielt man eine bessere Ernte."
Einen bösen und gehässigen Charakter zu entwerfen ist das eine; die Konsequenz, mit der Alina Bronsky das betreibt, ist beeindruckend. Ihren Höhepunkt findet sie, als Rosalinda die Enkelin an einen Pädophilen in Deutschland verkauft: Das Mädchen kann bei ihm wohnen, wenn, so die Bedingung, Mutter und Großmutter aus der Sowjetunion mit in den Westen gehen können. Und so kommt es dann auch.
Das andere aber ist, dass Alina Bronsky ihre grausame Heldin an keiner Stelle denunziert, genauso wenig, wie es dem Leser gelingt, sich von dieser Figur, die im Roman die Ich-Erzählerin ist und zu deren Komplizen man beim Lesen unwillkürlich wird, vollständig zu distanzieren. Rosalinda ist furchtbar. Aber sie ist sich dessen überhaupt nicht bewusst. Sie ist der Überzeugung, für ihre Umgebung das Beste zu wollen. Und man glaubt es ihr sogar: "Ich will keine böse Oma haben. Ich will keine böse Oma haben", schreit die Enkelin sie mit ihrer kleinen Stimme irgendwann an, und Rosalinda ist schwer verwundert: "War ich eine böse Oma? Ich betrachtete mein Spiegelbild in der schmutzigen Fensterscheibe des Trolleybusses. Sah so eine böse Oma aus? Ich sah überhaupt nicht wie eine Oma aus. Ich sah gut aus. Ich war eine schöne Frau und noch nicht alt. Man sah mir an, dass ich Kraft hatte und intelligent war."
Alina Bronsky schafft es auf diese Weise nicht nur, eine komplexe und zugleich paradoxe Figur des um das Gute bemühten Bösen zu schaffen. Sie macht dies vor allem in einer direkten, völlig schnörkellosen, niemals artifiziellen und sehr komischen Sprache, die ziemlich einzigartig ist unter den jungen Autorinnen und Autoren. Ernst zu sein ist ziemlich einfach, trübsinnig auch, und einen ironischen Ton kriegen die meisten ohne weiteres hin. Aber mit grammatisch nicht besonders komplexen Sätzen Komplexität und zugleich Komik herzustellen, das ist, so wie es Alina Bronsky tut, ein Kunststück, für das man sie einfach bewundern muss.
Als sie damals in Klagenfurt eingeladen war, war der Text, den sie vorlas und über den in der Bachmannpreisjury schnell feststand, dass man mit ihm sicher "keinen Büchnerpreis gewinnen" könne (so viel zur Komik der Bachmannpreisjury), das erste Kapitel ihres ersten Romans "Scherbenpark", der später selbst von Kritikern gelobt wurde, die ihren "Kleinmädchenauftritt" in Klagenfurt nicht hatten ernst nehmen wollen. "Scherbenpark", das ist der Park hinter einem Haus irgendwo in Hessen, einem Getto der Russlanddeutschen, in dem es krass zugeht und in welchem die 17-jährige Sascha wohnt: "Manchmal denke ich", sagt sie, "ich bin diese Einzige in unserem Viertel, die noch vernünftige Träume hat." Genau genommen sind es zwei Träume: Sie will ihren Stiefvater töten, der im Gefängnis sitzt, weil er Saschas Mutter und deren Liebhaber erschossen hat. Und sie will ein Buch über ihre Mutter schreiben.
Alina Bronsky, die heute 34 Jahre alt ist und Mutter von drei Kindern, kam mit ihren russischen Eltern, einer Astronomin und einem Physiker, nach Deutschland, als sie 13 war, und konnte kein Wort Deutsch. Sie lernte schnell, machte Abitur und begann, in deutscher Sprache zu schreiben. Dass autobiographische Romane sie nicht interessierten, hat sie, gerade anlässlich von "Scherbenpark", als es um das Getto der Russlanddeutschen ging, immer wieder betont und alles Private, sogar ihren wirklichen Namen, im Verborgenen gehalten. Alina Bronsky ist ein Pseudonym, und der Tonfall dieser Alina Bronsky ist unverwechselbar. Vergessen wir also Klagenfurt. Und freuen uns auf den nächsten Roman von Alina Bronsky.
JULIA ENCKE
Alina Bronsky: "Die schärfsten Gerichte der tatarischen Küche". Roman. Kiepenheuer & Witsch 2010, 320 Seiten, 18,95 Euro
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
"Als meine Tochter Sulfia mir sagte, sie sei schwanger, wisse aber nicht, von wem", hieß der erste Satz des tatarischen Küchenromans, den ich ein bisschen widerwillig zu lesen begann, "habe ich verstärkt auf meine Haltung geachtet. Ich hielt meinen Rücken sehr gerade und die Hände würdevoll im Schoß gefaltet." Das war ein schöner und ungewöhnlicher Satz. Verglichen mit dem, was folgte, war er, wie sich herausstellte, allerdings völlig harmlos. Denn schon im zweiten Satz fing der Hass an: "Sulfia saß auf einem Küchenhocker. Ihre Schultern waren hässlich hochgezogen und die Augen rot, weil sie die Tränen nicht einfach laufen ließ, sondern mit dem Handrücken im Gesicht verrieb. Und das, obwohl ich sie von klein auf gelehrt hatte, wie man weint, ohne hässlich zu werden, und wie man lächelt, ohne zu viel zu versprechen. Aber sie war nicht begabt. Ich muss sogar sagen, sie war ziemlich dumm. Dabei war sie meine Tochter."
Das gab es in der Gegenwartsliteratur ziemlich selten: Die Figur, die Alina Bronsky da erfunden hatte und die sich auf den ersten Romanseiten auf perfide Weise mit dem Leser zu verbünden, ihn sich zum Komplizen zu machen versuchte, war gehässig und böse, unerbittlich und grausam. Und sie war dies nicht willkürlich gegen alle oder irgendwen, sondern, darin bestand die besondere Grausamkeit, vor allem gegen jene, die andere ihre "Liebsten" nennen würden: gegen ihre einzige Tochter, gegen Freundinnen und gegen ihren Mann. Rosalinda war ihr Name, eine Tatarin, Tyrannin und Herrscherin eines heimlichen Matriarchats, wie man es jenseits des Urals findet: "Es gibt in Osteuropa diese tyrannischen Mutterfiguren, die die Familie massivst missbrauchen", hat Alina Bronsky in einem Interview gesagt, wobei mit Tyrannei nicht nur eine sprachliche gemeint war, die sich in entfesselten Hasstiraden Bahn bricht, sondern zugleich eine vollkommen mitleidlose körperliche Brutalität.
Indem sie ihr ein beinahe kochend heißes Bad mit Senfpulver verordnet, zwingt die Tatarin ihre ungeliebte Tochter zur Abtreibung: "Zieh dich aus", "Steig ein", "In der Hölle ist es noch heißer", lauten ihre Ansagen, bis sie die Tochter, die bald ohnmächtig, mit knallroter Haut und aufgerissenem Mund im Badewasser liegt, dann doch aus der heißen Brühe wieder herauszuziehen bereit ist und eine Freundin ("diese dumme Pute") mit der Stricknadel anrücken lässt. Die scheint Erfolg zu haben, Sulfia blutet tagelang und dabei hoch fiebernd "wie ein Schwein". Nur hat die zielsichere Abtreibungsexpertin, die eigentlich eine Putzfrau ist, von Zwillingen nichts wissen können. So wird doch eine Enkelin geboren, Aminat, die von nun an - und das muss als Bedrohung verstanden werden - Rosalindas Ein und Alles ist: "Ich wusste, dass Kinder wie ein Gemüsebeet behandelt werden sollten. Wenn man Unkraut aus ihrem Charakter beseitigte, erhielt man eine bessere Ernte."
Einen bösen und gehässigen Charakter zu entwerfen ist das eine; die Konsequenz, mit der Alina Bronsky das betreibt, ist beeindruckend. Ihren Höhepunkt findet sie, als Rosalinda die Enkelin an einen Pädophilen in Deutschland verkauft: Das Mädchen kann bei ihm wohnen, wenn, so die Bedingung, Mutter und Großmutter aus der Sowjetunion mit in den Westen gehen können. Und so kommt es dann auch.
Das andere aber ist, dass Alina Bronsky ihre grausame Heldin an keiner Stelle denunziert, genauso wenig, wie es dem Leser gelingt, sich von dieser Figur, die im Roman die Ich-Erzählerin ist und zu deren Komplizen man beim Lesen unwillkürlich wird, vollständig zu distanzieren. Rosalinda ist furchtbar. Aber sie ist sich dessen überhaupt nicht bewusst. Sie ist der Überzeugung, für ihre Umgebung das Beste zu wollen. Und man glaubt es ihr sogar: "Ich will keine böse Oma haben. Ich will keine böse Oma haben", schreit die Enkelin sie mit ihrer kleinen Stimme irgendwann an, und Rosalinda ist schwer verwundert: "War ich eine böse Oma? Ich betrachtete mein Spiegelbild in der schmutzigen Fensterscheibe des Trolleybusses. Sah so eine böse Oma aus? Ich sah überhaupt nicht wie eine Oma aus. Ich sah gut aus. Ich war eine schöne Frau und noch nicht alt. Man sah mir an, dass ich Kraft hatte und intelligent war."
Alina Bronsky schafft es auf diese Weise nicht nur, eine komplexe und zugleich paradoxe Figur des um das Gute bemühten Bösen zu schaffen. Sie macht dies vor allem in einer direkten, völlig schnörkellosen, niemals artifiziellen und sehr komischen Sprache, die ziemlich einzigartig ist unter den jungen Autorinnen und Autoren. Ernst zu sein ist ziemlich einfach, trübsinnig auch, und einen ironischen Ton kriegen die meisten ohne weiteres hin. Aber mit grammatisch nicht besonders komplexen Sätzen Komplexität und zugleich Komik herzustellen, das ist, so wie es Alina Bronsky tut, ein Kunststück, für das man sie einfach bewundern muss.
Als sie damals in Klagenfurt eingeladen war, war der Text, den sie vorlas und über den in der Bachmannpreisjury schnell feststand, dass man mit ihm sicher "keinen Büchnerpreis gewinnen" könne (so viel zur Komik der Bachmannpreisjury), das erste Kapitel ihres ersten Romans "Scherbenpark", der später selbst von Kritikern gelobt wurde, die ihren "Kleinmädchenauftritt" in Klagenfurt nicht hatten ernst nehmen wollen. "Scherbenpark", das ist der Park hinter einem Haus irgendwo in Hessen, einem Getto der Russlanddeutschen, in dem es krass zugeht und in welchem die 17-jährige Sascha wohnt: "Manchmal denke ich", sagt sie, "ich bin diese Einzige in unserem Viertel, die noch vernünftige Träume hat." Genau genommen sind es zwei Träume: Sie will ihren Stiefvater töten, der im Gefängnis sitzt, weil er Saschas Mutter und deren Liebhaber erschossen hat. Und sie will ein Buch über ihre Mutter schreiben.
Alina Bronsky, die heute 34 Jahre alt ist und Mutter von drei Kindern, kam mit ihren russischen Eltern, einer Astronomin und einem Physiker, nach Deutschland, als sie 13 war, und konnte kein Wort Deutsch. Sie lernte schnell, machte Abitur und begann, in deutscher Sprache zu schreiben. Dass autobiographische Romane sie nicht interessierten, hat sie, gerade anlässlich von "Scherbenpark", als es um das Getto der Russlanddeutschen ging, immer wieder betont und alles Private, sogar ihren wirklichen Namen, im Verborgenen gehalten. Alina Bronsky ist ein Pseudonym, und der Tonfall dieser Alina Bronsky ist unverwechselbar. Vergessen wir also Klagenfurt. Und freuen uns auf den nächsten Roman von Alina Bronsky.
JULIA ENCKE
Alina Bronsky: "Die schärfsten Gerichte der tatarischen Küche". Roman. Kiepenheuer & Witsch 2010, 320 Seiten, 18,95 Euro
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»Eine aberwitzige coole Story. Die schärfsten Gerichte der tartarischen Küche ist kein Melodram, sondern ein emanzipatorisches Märchen.« 1LIVE
Klamauk mit Katharsis
Wenn ein Roman wie der von Alina Bronsky mit «Die schärfsten Gerichte der tatarischen Küche» betitelt ist, erwartet man als Leser eine unkonventionelle, lustige Geschichte. Und der zweite Roman der russisch-deutschen Schriftstellerin zeichnet sich auch …
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Klamauk mit Katharsis
Wenn ein Roman wie der von Alina Bronsky mit «Die schärfsten Gerichte der tatarischen Küche» betitelt ist, erwartet man als Leser eine unkonventionelle, lustige Geschichte. Und der zweite Roman der russisch-deutschen Schriftstellerin zeichnet sich auch tatsächlich durch eine schon fast überbordende Komik aus, mit der über allerdings weniger lustige Probleme einer resoluten Tatarin in der UDSSR und späteren Migrantin in Deutschland berichtet wird. Der Buchtitel ist genau so ironisch gemeint wie der ganze Roman ironisch erzählt ist. Dessen oft verblüffender, manchmal kindlich anmutender Witz wird darin allein durch eine ebenso unerschütterlich selbstbewusste wie grotesk naive, ungebildete Protagonistin verkörpert.
Die Geschichte beginnt im Jahre 1978 mit einem gescheiterten Abtreibungsversuch, den die 40jährige Ich-Erzählerin Rosalinda Kalganowa von einer Engelmacherin aus der Nachbarschaft an ihrer hässlichen, dummen Tochter Sulfia vornehmen lässt. Der Abbruch gelingt nur zur Hälfte, es handelte sich nämlich um Zwillinge. Von denen überlebt einer den Eingriff und kommt wohlbehalten als Enkeltochter Aminat zur Welt, die zu einem wunderschönen Mädchen heranwächst. Was folgt ist die in rasantem Tempo chronologisch erzählte Geschichte dieser drei Frauen, in der die dominante Großmutter unangefochten das Kommando führt. Zunächst sorgt sie dafür, dass ihre Tochter Sulfia, die inzwischen Krankenschwester geworden ist, endlich einen Ehemann bekommt. Dabei kommt für Rosa, ihre Tochter hat da keinerlei Mitspracherecht, schließlich nur ein deutscher Patient Sulfias in Frage, der an einem Kochbuch über die tatarische Küche arbeitet. Mit dessen Hilfe erreicht sie dann auch tatsächlich für das Frauentrio die Auswanderung aus ihrem sozialistischen Mangel- und Korruptionsstaat in das aus tatarischer Sicht paradiesische Deutschland. Dabei nutzt sie völlig unerschrocken und skrupellos die pädophile Neigung von Dieter, dem künftigen Ehemann ihrer Tochter Sulfia, der ein Auge auf die schöne Aminat geworfen hat, - Vladimir Nabokov lässt grüssen!
In einem ständigen Auf und Ab passieren in diesem Roman, der einen erzählerischen Zeitraum von etwa dreißig Jahren umfasst, die seltsamsten Dinge. Die Heldin Rosa ist in ihrem heroischen Kampf für die drei Frauen unermüdlich und mit scheinbar nie versiegender Kraft im Einsatz, um ein besseres Leben für sie alle zu erreichen. Männer sind im Roman-Geschehen allenfalls unbedeutende Randfiguren, ihren Ehemann Kalganov hat sie fest im Griff und nennt ihn demonstrativ nur beim Nachnamen. Überhaupt taugen Männer ihr persönlich allenfalls für gelegentliche Dienste im Bett und als potentielle Ernährer, mehr erwartet sie nicht von ihnen. Mit eisernem Willen lässt sie sich auch von den zahlreichen Rückschlägen nicht entmutigen, die das Leben für sie bereithält und sie bis zum elegischen Ende der Geschichte begleiten.
Ohne Zweifel ist dies eine Satire, eine mit viel schwarzem Humor karikaturhaft, manchmal sogar zynisch überzeichnete Familiengeschichte. Hinter deren amüsant «tatarischem» Duktus schimmert jedoch allzu deutlich das Elend des Sozialismus durch mit seiner absurden Mangelwirtschaft und der prekären Wohnungsnot. All das menschliche Elend, das daraus erwächst und das dieses erbitterte kämpferische Verhalten der Protagonistin zur Folge hat, wie es hier bewusst verharmlosend in beschwingt lustigem Ton geschildert wird, bildet den alles andere als lustigen Hintergrund dieses abgründigen, tragischen Romans. Und genau darin liegt seine große Schwäche, er leidet literarisch an der Ambivalenz zwischen Form und Inhalt. Nur die dem Geschehen zugrunde liegende Tragik rettet das Buch vor dem Verdikt «Klamauk». Amüsante Schundliteratur der anspruchslosen Sorte liegt hier also nicht vor, auch wenn das streckenweise so scheint und vom Buchtitel und Cover her auch suggeriert wird. Dass die Heldin am Ende schließlich resigniert, könnte man dann wohlwollend sogar als Katharsis deuten.
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Mir hat das Buch sehr gut gefallen, weil es nicht nur sehr unterhaltsam geschrieben ist, sondern ich neben der eigentlichen Geschichte um Großmutter Rosalinda und ihrer Enkelin auch viel über das Leben in der damaligen Zeit in einer typisch russischen Stadt erfahren habe.
Zwar ist der …
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Mir hat das Buch sehr gut gefallen, weil es nicht nur sehr unterhaltsam geschrieben ist, sondern ich neben der eigentlichen Geschichte um Großmutter Rosalinda und ihrer Enkelin auch viel über das Leben in der damaligen Zeit in einer typisch russischen Stadt erfahren habe.
Zwar ist der Charakter der Oma sicher mit einem Augenzwinkern zu verstehen und ihr unzerstörbares Selbstbewusstsein nervt am Anfang fast schon, aber die Geschichte an sich ist alles andere als spaßig, sondern sogar ziemlich harter Tobak, angesichts des wahren Hintergrunds. Z.b. erfährt man wie die Zeiten in den 80ern immer schlimmer wurden, so nebenbei fallen Sätze wie "in der Zeit verschwanden immer mehr junge Mädchen, die dann ein paar Wochen später tot und vergewaltigt in irgendeinem Keller gefunden wurden". Oder wie die Enkelin Aminat dazu ausgenutzt wird um mit einem pädophilen Deutschen ins gelobte Deutschland auswandern zu können.
Was also so harmlos mit dem Alltag einer russischen Familie beginnt entspinnt sich bald sehr gekonnt zu einer tragischen spannenden Geschichte vor einem wahren Hintergrund.
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