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Viele der Kaiserinnen Roms ließen sich nicht auf die Rolle der "Frau an seiner Seite" reduzieren. Unter ihnen finden sich sehr unterschiedliche und eigenwillige Persönlichkeiten, deren Charaktere das Spektrum zwischen den Extremen strenger Matronen, machtbewußter "Staatsfrauen" sowie - will man den Quellen glauben - ausschweifender Nymphomaninnen und christlicher Büßerinnen abdecken. Hildegard Temporini-Gräfin Vitzthum und ihre Mitautoren geben sich hier nicht mit den bisweilen wohlfeilen Klischees der Überlieferung zufrieden, sondern rekonstruieren die gesellschaftlichen und politischen…mehr

Produktbeschreibung
Viele der Kaiserinnen Roms ließen sich nicht auf die Rolle der "Frau an seiner Seite" reduzieren. Unter ihnen finden sich sehr unterschiedliche und eigenwillige Persönlichkeiten, deren Charaktere das Spektrum zwischen den Extremen strenger Matronen, machtbewußter "Staatsfrauen" sowie - will man den Quellen glauben - ausschweifender Nymphomaninnen und christlicher Büßerinnen abdecken. Hildegard Temporini-Gräfin Vitzthum und ihre Mitautoren geben sich hier nicht mit den bisweilen wohlfeilen Klischees der Überlieferung zufrieden, sondern rekonstruieren die gesellschaftlichen und politischen Existenzbedingungen ihrer Protagonistinnen. Dabei gehen sie zugleich den Absichten derer auf den Grund, die das Bild der jeweiligen Herrscherin in der Geschichte gestaltet haben. Denn natürlich war deren Darstellung von Interessen geleitet - konnte doch beispielsweise ein unliebsamer Kaiser sehr bequem über den an seine Frau gerichteten Tadel, sich ehebrecherisch oder machtgierig zu verhalten, diskreditiert werden. Und ebenso schmückte man die Gattin eines "guten" Herrschers nur allzu bereitwillig mit positiv bewerteten Fraueneigenschaften. Dieses reich bebilderte und allgemeinverständliche Werk erschließt erstmals über fünfhundert Jahre römischer Geschichte aus dem Blickwinkel der Herrscherinnen. Die Beiträger Bruno Bleckmann (Universität Bern); Helmut Castritius (Technische Universität Braunschweig); Manfred Clauss und Hartmut Leppin (Universität Frankfurt/ Main); Werner Eck (Universität zu Köln); Hildegard Temporini-Gräfin Vitzthum (Universität Tübingen).
Autorenporträt
Hildegard Temporini-Gräfin Vitzthum lehrt als Professorin für Alte Geschichte an der Universität Tübingen. Sie ist geschäftsführende Herausgeberin der Zeitschrift Historia und Mitherausgeberin der Reihe Aufstieg und Niedergang der römischen Welt. Die Erforschung der römischen Kaiserzeit bildet ihren Arbeitsschwerpunkt.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 20.03.2003

Lückenbüßer auf dem Piedestal
Die römischen Kaiserinnen florierten nur, wenn der Mann krank, schwach oder tot war
Sie hat zwar nicht so eine hübsche Nase wie die ägyptische Herrscherin Kleopatra, aber immerhin kann Iulia Mamea, die mit List und Courage ihren minderjährigen Sohn Severus Alexander im Jahr 222 nach Christus auf den Kaiserthron brachte, für sich in Anspruch nehmen, das mächtige Imperium der antiken Welt wirkungsvoller als ihre Vorgängerinnen gesteuert zu haben. Sie erlangte eine Machtfülle, die frühere Einflussnahmen von Frauen auf die kaiserliche Regierung in den Schatten stellte.
Und doch bleiben Frauen in der römischen Kaiserzeit reichlich blass. Mamea füllte lediglich ein Vakuum, das entstand weil der (männliche) Kaiser noch ein halbes Kind war. Ihre Macht entfaltete sie durch Einwirkung auf den Sohn und indem sie die liebe Verwandtschaft auf Distanz hielt – was etwa Agrippina, der Mutter von Kaiser Nero, rund 170 Jahre zuvor in einer vergleichbaren Situation nicht geglückt war.
Sie waren Lückenbüßer, die römischen Kaiserinnen, welche Hildegard Temporini-Gräfin Vitzthum und ihre Mitautoren in den Blick genommen haben. Nur dann waren sie aktiv am Machtgeschehen beteiligt, wenn die männliche Führung schwach, krank oder tot war. Ihre gesellschaftlichen Funktionen beschränkten sich auf Intrigen, aufs Kinderkriegen – bis zu 14 zählt die Geschichtsschreibung für Faustina, die Gattin Marc Aurels –, auf öffentliche Repräsentanz und auf die Pflege des Glaubens.
Das schwergewichtige Buch mit 58 Abbildungen verspricht viel: Zunächst einen umfassenden Überblick der römischen Kaiserfrauen von den Anfängen unter Livia und Augustus bis weit in die Spätantike zur Regentschaft Iustinians mit Theodora. Dann steht eine Nabelschau der Machtstrukturen auf der Liste, um weibliches Wirken in seinem familiären, historischen und gesellschaftlichen Umfeld zu erklären, und schließlich soll man ein neues Bild von „über fünfhundert Jahren vermeintlich vertrauter römischer Geschichte” vermittelt bekommen.
Ein wenig zu viel: Zwar liefern die Autoren tatsächlich von vielem etwas und auch manches Interessante, doch schöpfen sie das Potenzial ihres Themas nicht aus. Echte Biographien bieten sie nicht.
Dafür beleuchten sie Handlungen, Familienbeziehungen und thematisieren die in weiten Teilen naturgemäß dürftige Quellenlage. Auch vermögen sie keine Strukturen von weiblicher Macht und Ohnmacht offen zu legen. Grund ist die chronologisch verhaftete Erzählweise von Verwandtschafts- und Beziehungsgeflechten kaiserlicher Familien. Zentrale Konturen, wie etwa Schönheitsvorstellungen, weibliche Selbstdefinitionen, Sexualität, gesellschaftliche Wirkungsfelder, Alltags-Einblicke oder Erfahrungen mit kultischen Ämtern bleiben, mit der ereignisgeschichtlichen Brille besehen, bestenfalls in Ansätzen erkennbar.
Beispielsweise wird erst im Schlusskapitel das so wichtige Kernthema „Frauenbild im Wandel der Zeit” besprochen. Schade nur, dass lediglich der Glaubensumbruch vom Heiden- zum Christentum in den Blick gerät. So prägend Glaubensfragen Mitte des ersten Jahrtausends unserer Zeitrechnung auch gewesen sein mögen: Kulturelle neue Einflüsse aus den Provinzen, innenpolitische Machtverschiebungen durch den Auf- und Abstieg herrschender Schichten oder aber Veränderungen innerhalb der gesellschaftlichen Sparten sind mindestens ebenso konstituierende Elemente für ein Bild der Herrscher-Frauen. Statt dessen stellen die Autoren lapidar fest, dass mit dem Christentum die Idee der prinzipiellen Gleichheit von Mann und Frau vor Gott in der antiken Welt verankert wurde.
Interessant ist jedoch der Gedanke, neue Freiheiten für Frauen am Cäsarenhof hätten sich aus dem Umstand ergeben, dass entschiedene Religionsausübung zur Keuschheit zwingt und die Frauen damit von der Last befreit werden, für kaiserlichen Nachwuchs zu sorgen. Als Beleg dient etwa das Beispiel der Pulcheria aus der theodosianischen Kaiserfamilie, die 414 die Regentschaft übernahm und gerade wegen ihres Keuschheitsgelübdes politische Vorteile genoss. Ihr strenger Glauben ermöglichte ihr so eine neue, gesellschaftlich akzeptierte Frauenrolle – auch mit weniger hübscher Nase. Leider bildet dieser thematische Zugriff einen seltenen Lichtblick im Sammelsurium weiblicher Chronologien.
BURKHARD REITZ
HILDEGARD TEMPORINI-GRÄFIN VITZTHUM (Hrsg.): Die Kaiserinnen Roms. Von Livia bis Theodora. C.H. Beck Verlag, München 2002. 541 S., 30 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Etwas übernommen haben sich Hildegard Temporini-Gräfin Vitzthum und ihre Mitautoren mit ihrem Anliegen, einen umfassenden Überblick der römischen Kaiserfrauen von den Anfängen bis in die Spätantike und daraus resultierend eine Neubewertung der römischen Geschichte zu liefern, konstatiert Rezensent Burkhard Reitz. Die zahlreichen Biografien von Kaiserinnen bieten zwar so manches interessante Detail, meint Reitz, historische und kulturelle Zusammenhänge blieben aber im Dunkeln. Die Autoren haben seiner Meinung nach zu viel Wert auf eine chronologische Erzählweise gelegt, ohne zum Beispiel zeitgenössische Konzeptionen von weiblicher Macht oder vorherrschende Frauenbilder in die Analyse mit einfließen zu lassen. Frauen waren damals nur "aktiv am Machtgeschehen beteiligt, wenn die männliche Führung schwach, krank oder tot war", resümiert der Rezensent seinen Erkenntnisgewinn und hätte sich eine Analyse gewünscht, die über diese reine Beschreibung hinaus geht.

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