Bürgerwehrbildung und starke Militär- und Polizeipräsenz.
Louise Welsh, die auch in der drohenden Katastrophe ihr Sprachwitz nicht verlässt, kann das sehr plastisch und leicht boshaft beschreiben, wenn hier und dort die Regeln der Zivilisation zerbrechen wie ein mürber Gipsverband. Erst durch diese besonderen Umstände wird Stevie, die gelernte Journalistin, die ihr Geld bei einem Einkaufssender verdient, zur Heldin. Gegen das Virus offenbar immun, will sie mit einer Mischung aus Wut und Hartnäckigkeit auch dann noch den Mörder ihres Simon finden, als sie begreift, wie wenig sie von ihm wusste und dass jedes neue Wissen ihr eigenes Leben gefährdet. Wie gut, wenn man nach dem Showdown und einem zunächst etwas müde wirkenden Ausklang erfährt, dass "V5N6" der Auftakt zu einer Trilogie ist.
Den Amerikaner Eric T. Hansen kannte man, wenn man ihn kannte, bisher eher als Satiriker, nun hat er mit seiner Partnerin Astrid Ule unter dem Kunstnamen Ule Hansen einen Thriller geschrieben, der definitiv nicht lustig sein möchte. Ob die Welt allerdings noch einen weiteren Serienkiller-Roman braucht, ist sehr die Frage. "Neuntöter" (Heyne, 496 S., br., 16,99 [Euro]) spielt in Berlin, eine psychisch wenig stabile junge Frau mit bisweilen grenzwertigem Sozialverhalten, die in der Abteilung für operative Fallanalyse arbeitet und zudem mit dem Trauma einer nicht lange zurückliegenden Vergewaltigung kämpft, soll das Killerprofil erstellen. Angesichts bizarrer Opferchoreographien mit viel Panzertape ein undankbarer Job.
Man merkt dem Buch dabei sofort viel zu deutlich an, dass es dem an Abseitigkeiten reichen Serienkiller-Kabinett krampfhaft noch ein paar besonders originelle Facetten hinzufügen möchte. Das führt unweigerlich dazu, dass "Neuntöter", womit natürlich auch auf den Vogel verwiesen wird, der seine Beute gern auf Dornen aufspießt, hoffnungslos überkonstruiert wirkt. Wäre der Roman "das Thrillerereignis 2016", als welches es der Verlag verkauft, dann lägen lange, dürre Monate vor uns. Wenn man sich etwas wünschen dürfte, dann vor allem, dass die Serie der Serienkillerbücher endlich reißt.
Bei William Giraldi fehlt es zwar auch nicht an Todesopfern, aber hier ist kein Fall aufzuklären, hier weht der eisige Wind Alaskas, hier bewegen sich Menschen in einer Natur, die ihnen unmissverständlich klarmacht, dass sie sich besser woanders angesiedelt hätten; hier holen hungrige Wölfe Kinder aus heruntergekommenen Siedlungen, hier ist der Mensch dem Menschen ein Wolf. "Wolfsnächte" (Hoffmann und Campe, 224 S., geb., 20 [Euro]) ist weit mehr als eine Geschichte von Mord und Totschlag, das Buch handelt von Grausamkeit und Aberglauben, von Liebe und Geheimnissen, und es schildert diese Welt am Rande der Welt in einer Sprache, deren Klarheit, Härte und Einfachheit fast schon eine frostige Schönheit hat.
Warum einfach, wenn es kompliziert geht? J.S. Carol ist das Pseudonym des Schotten Steve Jackson, der auch schon als James Carol publiziert hat. Wenn es hilft. Zum Glück ist "Fürchte Dich" (Aufbau, 336 S., br., 9,99 [Euro]) aber ein sehr geradliniger, kompakter Thriller geworden. Ein maskierter, schwerbewaffneter, auch noch mit einem Sprengstoffgürtel behängter Mann kommt zur Lunchzeit in eines jener Restaurants in Los Angeles, in dem man mit einem Tisch zugleich die Bestätigung bekommt, zu den Auserwählten zu gehören. Der Mann nimmt Personal und Gäste als Geiseln, insgesamt fast dreißig Personen, er droht und demütigt nicht nur, er drückt auch ab.
Carol schildert das Drama, das am Ende nicht mehr als drei Stunden gedauert haben wird, sehr versiert aus mehreren Perspektiven: Drinnen sind Jody, die abgezockte Agentin, und ihr Jungstar-Klient Alex, der gerade auf der Toilette war, als der Maskierte kam, draußen der Redakteur eines Fernsehsenders und sein Reporter, die, weil wir nun mal in Hollywood sind, vor nichts zurückscheuen dürfen. Carol hat ein paar smarte kleine Einfälle, Tempo und Timing sind sehr professionell. Da gibt man sich dann auch mit eher flüchtigen Charakterskizzen zufrieden - ein Thriller wie ein klassisches B-Movie. Und die gibt es inzwischen seltener, als man denkt.
PETER KÖRTE
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