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Ze do Rock, Weltenbummler und Wahlmünchner, denkt nach über unser Schwerdeutsch und schlägt uns ein durchschaubares Ultradeutsch zur stufenweisen Einführung bis ins Jahr 2012 vor - eingepackt in die hinreissenden Erzählungen seiner Abenteuer, als er rund um die Welt unterwegs war. Seine Geschichten sind radikal witzig, anarchisch, grotesk und vital.

Produktbeschreibung
Ze do Rock, Weltenbummler und Wahlmünchner, denkt nach über unser Schwerdeutsch und schlägt uns ein durchschaubares Ultradeutsch zur stufenweisen Einführung bis ins Jahr 2012 vor - eingepackt in die hinreissenden Erzählungen seiner Abenteuer, als er rund um die Welt unterwegs war. Seine Geschichten sind radikal witzig, anarchisch, grotesk und vital.
Autorenporträt
Zé do Rock is vor verdammt langer zeit in Brasilien geboren, hat nix studiert aber 34375 tage geleebt, 3357 litter alkohol gesoffen, 940 stunden flöte und 648 stunden fussbal gespilt, 200 000 kilometer in 1457 autos, flugzeugen, schiffen, zügen, oxenkarren und traktoren geträmpt, 111 länder und 16 gefängnisse besucht, sich 8 mal verlibt, 5 bücha geshriben, ein film gedreet, eine kunstsprache erfunden, ein vereinfachtes deutsh kreirt und er lebt noch heut, meist zwishen Stuttgart und München.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.08.1996

Sitzlehne nach unten gedreht
Warum Stubenhocker besser schreiben: Zé do Rocks neues Deutsch

"Ia, i wiss woheer i stamm / unsettit; glai de flamm / glü un ferzeer i mi / glut werd allu was i fass / kol allu was i lass / flamm bin i sicali." Kohl wird alles, was er läßt? Die Verse stammen bekanntlich von Nietzsche. Die Rechtschreibung stammt von Zé do Rock, einem polyglotten Brasilianer, der seit einigen Jahren in München lebt und seinen Debütroman "fom winde verfeelt" zugleich als Plädoyer für eine leichtere und logischere Schriftsprache abgefaßt hat. "Wozu eine Reform machen, bei der sich fast nichts ändert?" fragt er gen Mannheim und stellt dem amtlichen "Schwerdeutsch" sein "ultradoitsh" entgegen - sehr zum Vergnügen der Jugendpresse, die den Band prompt in seiner eigenen Schrift rezensiert.

Was der Autor privat als "verarschung der deutschen sprache" ausgibt, ist durchaus kein Pidgin, sondern ein ernstzunehmender Versuch, das Deutsche vor der orthographischen Überfremdung zu bewahren, der etwa das Englische und Französische schon anheimgefallen sein sollen: Nichts schreibt sich mehr, wie es sich spricht - statt dessen umständlich, unsinnig, unästhetisch. Mit 36 Änderungen, vorgeschlagen für die nächsten 18 Jahre und exerziert an den Romankapiteln, soll dem schrittweise beizukommen sein. So erwartet uns für das Jahr 2000 ein höchst plausibler Vorschlag: "fremdwörta sollten möglicst ferdoitsht werden." Recht so, denn: "getimt is weda english noc deutsh, es is ein skandal"; und was hält man erst von Wortungetümen wie recyceln? Nicht jeden Hammerschlag gegen das Dudendeutsch kann man freilich gutheißen. Mag das "v" entbehrlich sein, um das "ä" lohnte es sich zu kämpfen.

Zé do Rock weiß das Recht der Straße auf seiner Seite: "Die deutsche Schriftsprache ist schön, ich benutze sie aber nicht. Erstens weil ich gar nicht anders kann, zweitens weil ich mich in der Sprechsprache besser fühle, und drittens bin ich einer der wenigen Menschen auf dieser Welt, die beim Schreiben Geld verdienen: Ich schreibe dieses Buch beim Taxifahren." Was der Verfasser aus dem Handschuhfach schüttelt, liest sich bewegt, aber keineswegs holprig. Vom Image seiner Heimat schreibt er: Über das klischee der heissen mulattin am strand will keiner mer reden, also reden alle über das klischee der armut . . . di eine zeitschrift sagt, 6 oder 7 millionen brasilianer gehören zur mittelschicht. eine andre meint, mer als di hälfte der brasilianer hat keine schue. warscheinlich hat der journalist di statistik am strand gemacht".

Doch Zé do Rock kennt längst nicht nur die Welt hinter der Windschutzscheibe. Dreizehn Jahre lang und durch 102 Länder ist der Vierzigjährige nach eigenem Bekunden gereist. Der Leser begleitet ihn vorbei an allen Sehenswürdigkeiten durch die Vielfalt der Alltagskultur. Wer weiß schon, wie das Bier in Lusaka schmeckt? Für den Leser ist es eine bequeme Reise - um so mehr, als der Erzähler für ihn schwitzt als Vertreter der am wenigsten gelittenen Sorte Tourist: als Rucksack-Schnorrer. Wenn die harte Schule der Komiker durch schmuddelige Nachtclubs führt, dann muß der Erzähler seine Feuertaufe als Tramper auf dem Beifahrersitz bestehen. Zé do Rock weiß, was Fahrer wach hält und beherrscht das Genre der Spendier-mir-ein-Bier-Geschichten wie kaum ein anderer.

Die Idee, der eher konventionellen Prosa eine avantgardistische Gestalt zu geben, ist clever, aber nicht zwingend. Was ginge bei einer Rückübersetzung verloren? Einzelne Klangfarben, etwas an Tempo, ein wenig Mundart - mehr nicht. Um dem Leser das stetig verschärfte Ultradeutsch schmackhaft zu machen, müßte das Buch immer besser werden. Doch nach einem furiosen ersten Drittel verliert es an Fahrt, und die Sprache erweist sich der Fülle an Erfahrungen immer weniger gewachsen. Mit Bedauern bemerkt man, wie der Blick rascher über die Zeilen fliegt, und fragt sich, warum eigentlich Stubenhocker die besseren Bücher schreiben.

"mein deutsch hat etliche mängel", gesteht denn auch vorsorglich und ein wenig kokett der Autor. Daran liegt es nicht; eher schon an dem Zwang, jede Pointe mitnehmen zu müssen, und an den Floskeln, die sich einstellen, wenn es ihm ernst wird. "dise wunde wird ser lange zeit offen bleiben, di narbe wird ein teil von mir werden." Doch das ist unfair zitiert. Zé do Rock erzählt durchweg unterhaltsam und stellenweise so gut, daß es ihm schadet: Man möchte das Buch beiseite legen und selbst verreisen. Freilich plündert er dafür einen Anekdotenschatz, der nicht ewig reichen wird. Das nächste Buch wird schwer.

Um so weniger ist dem Autor zu verübeln, daß er seine Erlebnisse recht offensiv vermarktet und sich der Literatur auch als komischer Kauz zur Verfügung stellt. In "fom winde ferfeelt" bleibt sie dennoch stets das 103. Land, das keine Visa erteilt. "di sizlenen sind ganz nach unten gedreet, ich wend mich zu ir und one ein wort zi ich ir das nachthemd aus. es dauat zu lange, und ich reiss es auseinander. vom slipp bleiben nur fetzen übrig . . . so hätte s sein können. wi s war, weisst du shon. ich hab meine zigarette fertiggeraucht und bin eingeslafen." Der Leser bleibt wach und beneidet das Buch um seine Lebensfreude. Da darf es auch etwas windig sein. MICHAEL ALLMAIER

Zé do Rock: "fom winde verfeelt". Roman. Edition Dia, Berlin 1995. 280 S., br., 32,- DM.

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