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"Heldentaten, wie das Verstecken von Juden etc. müssen zur Kenntnis gebracht werden. Das ist eine ethisch-politische Pflicht, die jetzt in Deutschland und von Deutschland aus erfüllt werden muss. Keine Beschönigungen! Aber eine Ehrentafel!" So 1948 der Appell von Hermann Broch. Doch "ehren" und "beschönigen" ließen sich die Täter. Das Bestreben, sie zu entlasten - siehe den ersten Teil des Buches -, verstellte jahrzehntelang den Blick auf all jene, denen die wirkliche Ehre gebührte. Wolfram Wette führt den schwierigen und langwierigen Prozess im Umgang mit dieser häufig verleugneten…mehr

Produktbeschreibung
"Heldentaten, wie das Verstecken von Juden etc. müssen zur Kenntnis gebracht werden. Das ist eine ethisch-politische Pflicht, die jetzt in Deutschland und von Deutschland aus erfüllt werden muss. Keine Beschönigungen! Aber eine Ehrentafel!" So 1948 der Appell von Hermann Broch. Doch "ehren" und "beschönigen" ließen sich die Täter. Das Bestreben, sie zu entlasten - siehe den ersten Teil des Buches -, verstellte jahrzehntelang den Blick auf all jene, denen die wirkliche Ehre gebührte. Wolfram Wette führt den schwierigen und langwierigen Prozess im Umgang mit dieser häufig verleugneten Vergangenheit vor Augen. Er berichtet in einer exemplarischen Auswahl von Menschen - politisch Widerständigen, Deserteuren, Judenhelfern, Rettern in Uniform, Kriegsverrätern -, die im Zeitraum von 1998 bis 2009 politisch und moralisch rehabilitiert worden sind. Die Fülle des dokumentarischen Bild- und Textmaterials macht den Band auch zu einem "volkstümlichen" Lesebuch.
Autorenporträt
Wolfram Wette, geboren 1940, studierte Politikwissenschaft, Geschichte und Philosophie, 1971 Dr. phil., 1991 Habilitation, 1971-1995 am Militärgeschichtlichen Forschungsamt (MGFA) in Freiburg i. Br.; seit 1998 apl. Professor für Neueste Geschichte am Historischen Seminar der Universität Freiburg i. Br.. Mitbegründer und mehrfach Sprecher des Arbeitskreises Historische Friedensforschung (AHF), Mitherausgeber der Reihe "Geschichte und Frieden" und des Jahrbuchs "für Historische Friedensforschung"
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Für Joachim Käppner spiegelt sich in diesem neuen Buch des Freiburger Historikers Wolfram Wette ein unnachgiebiges, der Wahrheit und Ehrenrettung gewidmetes Gesamtwerk wider. Dass den Autor manchmal sein eigener Schwung fortträgt und er mit seinen Attacken schon mal den Falschen trifft, ahnt Käppner. Doch weiß er auch, dass diesem Autor kollektive Schuldzuweisungen fremd sind. In diesem Band zeigt sich Wette für den Rezensenten wiederum als Leitfigur der Militärgeschichtsschreibung, indem er Handlungsspielräume und die Verantwortung des Einzelnen auslotet und Wehrmachtssoldaten bekannt macht, die zu Rettern in Uniform wurden. Für den Rezensenten eine konkrete, glaubwürdige und ehrenvolle Arbeit.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 14.10.2014

Die stillen
Helden
Wolfram Wette gibt den Rettern und
Widerständlern aus der NS-Zeit ihre Ehre zurück
VON JOACHIM KÄPPNER
Waldkirch ist ein sehr schönes Städtchen, gelegen im sanften Hügelland nahe Freiburg. Man ist hier geschichtsbewusst, die historische Altstadt wird gut erhalten, ein rühriger Verein kümmert sich um die eindrucksvolle Ruine der Kastelburg auf ihrem Felsen über dem Tal. Es gibt manchmal Mittelalter-Spiele und ein hübsches Regionalmuseum, das alte Orgeln und Musikautomaten zeigt. 1989 kam durch einen Aufsatz ans Licht, dass der Hauptverantwortliche für den Holocaust in Litauen, der SS-Verbrecher Karl Jäger, in der Stadt gelebt hatte. Gerüchte gingen um, er habe „irgendwas mit den Juden“ zu tun gehabt.
  Jäger war „Waldkirchs Hitler“, wie Wolfram Wette herausfordernd schrieb. Der 1940 geborene Historiker, der selbst in Waldkirch lebt, hat die Geschichte eines Mannes, der „aus der Mitte der Gesellschaft kam“ und zum Massenmörder wurde, sorgsam erforscht – und damals erfahren, dass nicht wenige in seiner Stadt von Geschichte eher weniger wissen wollten – jedenfalls, wenn man sie dazu zwingt, in den Abgrund zu blicken, einen Abgrund der Unmenschlichkeit. Wette schildert, wie noch nach 1990 ältere Waldkircher sich nach Kräften wehrten „gegen eine unvoreingenommene Beschäftigung“ mit der Geschichte ihrer Stadt in der NS-Zeit.
  Widerstände ist Wolfram Wette gewohnt, vielleicht, ja sehr wahrscheinlich geben sie ihm erst jenes Feuer, mit dem er seit Jahrzehnten forscht und schreibt. Neben seinem Lehrer und Förderer Manfred Messerschmidt ist Wette eine der Leitfiguren kritischer Militärgeschichtsschreibung, die jahrzehntelang bekämpft wurde und die heute doch hohe Reputation genießt. 1971 bis 1995 arbeitete er am Militärgeschichtlichen Forschungsamt in Freiburg, wo man ihm das Leben nicht leicht machte.
  Schon vor der „Wehrmachtausstellung“ 1993 haben Messerschmidt und Wette die Legende von der „sauberen Wehrmacht“ thematisiert. Im Rückblick schreibt Wette: „Ihre Erfinder verfolgten ein weit gestecktes Ziel: Die politische, juristische und moralische Abrechnung mit der Zeit der Nazidiktatur sollte in genehme Bahnen kanalisiert werden. Hitler selbst, die Staatspartei NSDAP, die in Nürnberg verurteilten Hauptkriegsverbrecher, die SS und die Gestapo durften dem politisch-moralischen Abschuss freigegeben werden.“
  Die Wehrmacht aber, die Truppe des Vernichtungskriegs, blieb im Schatten dieser Lebenslüge im öffentlichen Bewusstsein eine Armee wie jede andere, in der ehrenhafte Männer „ihre Pflicht getan“ hätten, wie man damals sagte. Fast jeder Mann war in der Wehrmacht gewesen, Waffendienst war Zwang unter Hitler, und entsprechend weit verbreitet war die Entlastungsbehauptung, man habe mit Holocaust und Massenmorden, Geiselerschießungen und Besatzungsterror eigentlich gar nichts zu tun gehabt. Aus heutiger Sicht kaum fassbar: Erst 1996 untersagte ein Verteidigungsminister, Volker Rühe von der CDU, der Bundeswehr unmissverständlich, sich auf Traditionen der Wehrmacht zu berufen.
  Seine einst zahlreichen Gegner haben Wette gern als Eiferer und Fanatiker hingestellt, der die Ehre des deutschen Soldaten beschmutze und so weiter und so fort. Der Freiburger Historiker aber mag, um im Bilde zu bleiben, ein Meister der Abteilung Attacke sein und sich manchmal vom eigenen Schwung fortreißen lassen. Kollektive Schuldzuweisungen sind ihm jedoch fremd; er hat niemals behauptet, jeder sei schuldig geworden, der in die Wehrmacht eingezogen wurde. Die kollektive Unschuldsvermutung aber, die zahlreiche Veteranen der Wehrmacht nach 1945 in Anspruch nahmen, hat Wette bekämpft. Er lotet Handlungsspielräume aus, die Verantwortung des Einzelnen. Das macht seine Arbeiten so konkret und glaubwürdig.
  Die Helden seines Forscherlebens sind jene, die sich widersetzten. Er erinnert an Menschen, denen tatsächlich Ehre gebührt und auf die ein demokratischer Rechtsstaat eigentlich sehr stolz sein müsste. Tatsächlich hat man sich an diese Menschen sehr wenig und sehr spät erinnert, wenn überhaupt, oder sie sogar gedemütigt und diskriminiert. Diese Helden sind keine Schlachtenlenker. Sie sind still, verborgen, haben statt des verdienten Dankes oft Undank erfahren und Unrecht statt Recht.
  Da sind die Wehrmachtssoldaten, die Verbrechen nicht mitmachten, die in manchen Fällen sogar ihr Leben riskierten, um Verfolgten zu helfen. Ihnen, die „unter extremen Bedingungen Zivilcourage vorgelebt haben“, so Wette, erweist er auch mit dem neuen Buch, wie der provokative Titel verrät, jene „Ehre, wem Ehre gebührt“. Die Aufsätze fassen den neuesten Stand der Forschung über Täter und Retter in Uniform zusammen. Manche hat Wette schon 2002 in seinem Buch „Retter in Uniform“ vorgestellt: den Feldwebel Anton Schmid, der 1942 von der Wehrmachtsjustiz ermordet wurde, nachdem er sich zu dem „Tatvorwurf“ bekannt hatte, Juden aus Wilna vor dem Tod gerettet zu haben. „Feldwebel Anton Schmid“, so Wette, „starb sehr einsam. Er konnte weder auf die Solidarität einer politischen Gruppierung hoffen, noch des ehrenvollen Gedenkens der Nation sicher sein, deren Uniform er trug.“
  Die Bundeswehr, die über Jahrzehnte Kasernen oder Schiffe nach ganz anderen „Helden“ taufte, nämlich einer Reihe von Hitlers Soldaten, hat dann 2000 die Heeresflugabwehr-Schule in Regensburg nach Anton Schmid benannt. Für Einsicht ist es nie zu spät. Viele Jüngere, auch viele Soldaten, für welche die geschichtspolitischen Kämpfe der alten Bundesrepublik selber schon Geschichte sind, halten solche Vorbilder für ganz selbstverständlich. Aber sie sind es keineswegs. Und vorbei sind die Auseinandersetzungen noch längst nicht.
  In dem Aufsatz „Vom Verschwinden der Täter“ etwa beklagt Wette jüngere Bestrebungen, „Verantwortung und Schuld erneut bei einigen Wenigen lokalisieren zu wollen“. Filme wie „Der Untergang“ und Guido Knopps Geschichts-Dokus im ZDF dienen ihm als Beleg. Ob er gut daran tut, auch einige jüngere Veröffentlichungen des Instituts für Zeitgeschichte in München in diese Reihe aufzunehmen, darüber wird man streiten dürfen. Es ist vielleicht doch ein Fall, in dem Wettes ruheloser Kampfgeist eher die Falschen trifft. Aber das soll sein Gesamtwerk, das sich in diesem lesenswerten Buch widerspiegelt, wirklich nicht trüben.
Wolfram Wette: Ehre, wem Ehre gebührt. Täter, Widerständler und Retter 1939 bis 1945. Donat Verlag, 2014. 334 S., 16,80 Euro .
Seine zahlreichen Gegner
haben Wette gern als
Eiferer hingestellt – zu Unrecht
Der Historiker beklagt den Trend,
Verantwortung und Schuld
wieder nur bei wenigen zu suchen
„Sicher schon wieder eine von diesen neuen Jugendsekten“, vermutet die Gattin
auf diesem Cartoon von 1978. Während der NS-Zeit zeigte sich schon mutig,
wer Spendensammlern für die braune Sache kein Geld gab.  
Zeichnung: Peter Neugebauer
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