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Der arabische Frühling hat gezeigt, dass die Ideen der Demokratie, der Würde und der Freiheit weder Ideen des Orients noch des Okzidents, weder des Nordens noch des Südens sind, sondern die territorialen und kulturellen Grenzen überschreiten. Die digitale Wende hat die Menschen mittels sozialer Netzwerke wie Facebook, Twitter oder Youtube auf neue Weise zu Weltbürgern gemacht und dadurch der Diskussion um demokratische Werte und Menschenrechte eine breitere globale Dimension verliehen.Der nun einsetzende Demokratisierungsprozess in den Staaten des arabischen Frühlings ist jedoch mit vielen…mehr

Produktbeschreibung
Der arabische Frühling hat gezeigt, dass die Ideen der Demokratie, der Würde und der Freiheit weder Ideen des Orients noch des Okzidents, weder des Nordens noch des Südens sind, sondern die territorialen und kulturellen Grenzen überschreiten. Die digitale Wende hat die Menschen mittels sozialer Netzwerke wie Facebook, Twitter oder Youtube auf neue Weise zu Weltbürgern gemacht und dadurch der Diskussion um demokratische Werte und Menschenrechte eine breitere globale Dimension verliehen.Der nun einsetzende Demokratisierungsprozess in den Staaten des arabischen Frühlings ist jedoch mit vielen gesellschaftspolitischen und kulturellen Problemen konfrontiert, da er in einem Kulturraum stattfindet, in dem bisher kaum Erfahrungen mit demokratischen Strukturen gemacht werden konnten. Darüber hinaus zeigen die letzten Wahlergebnisse in Ägypten, Marokko und Tunesien, dass der politische Islam bzw. islamistische Akteure eine bedeutende Rolle in diesem Prozess spielen. Dies könnte im besten Fall zu wichtigen Impulsen für den demokratischen Prozess sowie zu einer demokratischen Transformation des Islamismus führen. Zugleich droht aber auch die Instrumentalisierung und Ideologisierung von demokratischen Werten und Verfahren im Namen der Religion.
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Autorenporträt
Sarhan Dhouib, Dr. phil., ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Philosophie der Universität Kassel. Zurzeit ist er Gastdozent am Fachbereich 9/Kulturwissenschaften der Universität Bremen. Nach dem Studium der Philosophie an den Universitäten Sfax (Tunesien) und Paris 1 - Sorbonne wurde er an der Universität Bremen über Schellings Identitätsphilosophie promoviert. 2011 erhielt er den Nachwuchspreis für Philosophie des Goethe-Institutes. Arbeitsschwerpunkte: Deutscher Idealismus, Arabisch-islamische Philosophie, interkulturelle Philosophie, Menschenrechtsdiskurse. Jüngste Veröffentlichungen: Wege in der Philosophie. Geschichte - Wissen - Recht - Transkulturalität (Hg., mit A. Jürgens, 2011), Kultur, Identität und Menschenrechte. Transkulturelle Perspektiven (Hg., 2012).
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Wirklich lesenswert findet Rudolf Walther den Sammelband mit Beiträgen von 15 Autoren aus verschiedenen Weltgegenden, darunter Nordafrika und dem Nahe Osten, den der Philosoph Sarhan Dhouib herausgegeben hat. Das spannende Thema der Verträglichkeit von Islam und Demokratie findet er im Band kulturübergreifend dargestellt. Etwa, wenn der Jurist Yadh Ben Achour auf historisch und kulturell verschiedene Interpretationen der Menschenrechte besteht. Oder, wenn der tunesische Philosoph Fethi Meskini auf der ethisch-religiösen Neutralität von Staat und Recht beharrt oder Hans Jörg Sandkühler die von Meskini geforderte Übertragung des Konzepts der "Brüderlichkeit" auf den Staat ablehnt.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 13.01.2015

Religion und Rechtskultur
Ein Sammelband befasst sich mit der Demokratie und den Menschenrechten –
besonders interessant sind die Essays der Autoren aus Nordafrika und dem Nahen Osten
VON RUDOLF WALTHER
Die Menschenrechte sind der Ernstfall. So viel können auch Skeptiker und jedem Pathos abholde Beobachter der Geschichte des letzten Jahrhunderts entnehmen. Unter dem Titel „Demokratie, Pluralismus und Menschenrechte“ präsentiert der in Kassel lehrende Philosoph Sarhan Dhouib fünfzehn Beiträge zu diesem Thema.
  Nicht weniger als acht der Autoren stammen aus Nordafrika und dem Nahen Osten (Tunesien, Marokko und Ägypten) und bürgen dafür, dass es sich hier um eine kulturübergreifende Darstellung handelt. Das ist alles andere als selbstverständlich, denn aus der fraglos universellen Geltung von Menschenrechten wird oft kurzgeschlossen, damit erübrige sich eine differenzierte Analyse, welche Formen von Demokratie und Pluralismus mit dem universellen Anspruch der Menschenrechte vereinbar sind.
  Die Herausforderungen für den universellen Anspruch der Menschenrechte resultieren aus Relativierungen in „historistischer, naturalistischer und kulturalistischer“ Hinsicht, so der tunesische Jurist Yadh Ben Achour. Darunter versteht er alle Versuche, die Bedeutung und Reichweite von Menschenrechten und Demokratie zu begrenzen – etwa mit dem Hinweis auf historische Traditionen und zivilisatorische Besonderheiten, biologische Eigenschaften besonders des Geschlechts oder kulturell und symbolisch verankerte Sitten und Gewohnheiten.
  Die „Erklärung über kulturelle Vielfalt“ (2001) der UN-Generalversammlung und die „Unesco-Konvention über den Schutz und die Förderung der Vielfalt kultureller Ausdruckformen“ (2005) haben allerdings relativierenden Umdeutungen und Einschränkungen Vorschub geleistet. Achour will konkurrierende Interpretationen der Menschenrechte aus unterschiedlichen historischen und kulturellen Kontexten nicht wegdisputieren, sondern setzt auf die offensive „Konfrontation gegensätzlicher Ideen, die zur Kohabitation gezwungen sind“. Einzig den „Archaismus“ vermeintlich biologisch begründbarer Differenzen zwischen Menschen weist er als kaschierten Rassismus entschieden zurück.
  Natürliche Unterschiede zwischen Menschen sind rechtlich irrelevant, der Spielraum für kulturelle und historische Eigenheiten dagegen kann und muss immer wieder neu ausgemessen, überprüft und angepasst werden.
  Mehrere Autoren beschäftigen sich mit der Bedeutung von Weltanschauungen und Religionen für die Rechtskultur, die Demokratie und das Zusammenleben in pluralistischen Gesellschaften. Der tunesische Philosoph Fethi Meskini betont die Bedeutung der ethisch-religiösen Neutralität von Staat und Recht. Die Konzepte von Brüderlichkeit und Schwesterlichkeit, die im Islam eine zentrale Rolle spielen, sähe er gern auf Staat und Recht übertragen, weil sie eine im Prinzip egalitäre Beziehung zwischen Menschen unterstellen. Dagegen spreche freilich, dass der hierarchische Begriff „Vater“ (rabba al-beit, Gott des Hauses, Despot) eine eher noch größere Rolle spielt. Gleichwohl: Vom Islam her gesehen, wäre „Demokratie als Prozess der Verbrüderung“ (Meskini) keine Häresie und auch kein Westimport. Eine solche Übertragung von „Brüderlichkeit“ in Recht, Staat und Demokratie lehnt Hans Jörg Sandkühler in seiner Replik auf Meskini rundweg ab, denn im rechtlich-politischen Kontext gehe es um die Konstitution von egalitärer „Mit-Bürgerschaft“ von Gläubigen wie Ungläubigen und nicht um religiös fundierte „Mit-Brüderlichkeit“. Meskini besteht jedoch darauf, dass auch der Diskurs im rechtlich-politischen Raum auf die „wechselseitige Übersetzung der semantischen Gehalte“ von Religiösen und Laizisten angewiesen ist, wenn Gläubige nicht diskriminiert werden sollen.
  Die Philosophin Soumaya Mestiri präzisierte diesen Aspekt mit der These, wonach Vielfalt vom „Hören des Anderen“ lebe, zu dem man dennoch „Abstand“ wahren, aber nicht „Differenz“ aufbauen solle. „Abstand“ betone das offene und mögliche „Dazwischen“, während „Differenz“ Grenzen fixiere und auf Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit ziele. „Abstand“ ist, so verstanden, eine „explorative Denkfigur“, während Differenz „klare Positionen nach dem Freund-Feind-Schema“ bevorzugt.
  Hans Jörg Sandkühler beschäftigt sich mit dem Völkerrecht, das sich vom rein zwischenstaatlichen Recht, das die Staatssouveränität definiert, zum Normengehäuse entwickelt hat, das auch den „Schutz des Individuums“ umfasst und in Menschenrechten festschreibt. Das geschah grundlegend mit dem Wiener Übereinkommen vom 23. Mai 1969, das „bindende Normen“ enthält, die ihre Geltung nicht kraft Verträgen zwischen Staaten erlangen, sondern unabhängig von deren Zustimmung. Seither existiert eine Verantwortung der Staaten für völkerrechtswidrige Menschenrechtsverletzungen.
  Seit 2005 arbeiten die Vereinten Nationen an einer Erweiterung und rechtlichen Fixierung dieser Verantwortung. Mit der UN-Resolution 1674 vom 28. April 2006 entstand eine Empfehlung (noch ist sie nicht Bestandteil des Völkerrechts), die die „Schutzverantwortung“ (Responsibility to protect) definiert. Sie richtet sich gegen „die barbarische Freiheit der schon gestifteten Staaten“ (Kant), die dank ihrer Souveränität Rechte ignorieren können.
  Die Ambivalenz der Norm besteht darin, dass sie mächtigen Staaten erlaubt, das Gewaltverbot der UN-Charta mithilfe des UN-Sicherheitsrates zu unterlaufen – wie im Falle der Intervention in Libyen im Jahr 2011. Die intervenierenden Staaten nutzten das beschränkte UN-Mandat zur Verhinderung von „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ für die offene Unterstützung der Rebellen. Die unzureichende Kodifizierung der neuen Norm ermöglichte, durch Luftbombardements einen Regimewechsel von außen herbeizuführen. Dieser Sammelband ist wirklich lesenswert.
Sarhan Dhouib (Hrsg.): Demokratie, Pluralismus und Menschenrechte. Transkulturelle Perspektiven. Velbrück Wissenschaft, 2014. 282 Seiten, 29,90 Euro.
Rudolf Walther ist freier Publizist. Kürzlich erschien sein vierter Essayband unter dem Titel: „Aufgreifen, begreifen, angreifen“ (Oktober Verlag).
Brüderlichkeit und
Schwesterlichkeit spielen im Islam
eine zentrale Rolle
Mächtigen Staaten ist es möglich,
das Gewaltverbot
der UN-Charta zu unterlaufen
Wann müssen Staaten sich im Namen der Menschenrechte engagieren? Im Hinblick auf Flüchtlinge tut sich die Europäische Union mehr als schwer.
Zeichnung: Schopf
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