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Friedrich Schiller: mit seinem hageren geplagten Körper, der Denker unter den Dichtern, denkmalsreif schon zu Lebzeiten. Schiller, der wortmächtige Anwalt der Sprache im Kulturprozess seiner Zeit. Er verstand sich auf atemvolles Herleiten von Gedanken, ging schreibend ihren Windungen nach und dichtend in seine Charaktere ein; aber er liebte auch das Pointierte, das verletzend sein konnte. Entsprechend spitzt auch dieses Buch Gedanken zu, verweist auf Bilder aus dem Lebensumfeld Schillers und entwirft Szenen aus diesem Leben. Schiller war der Dichter der Freiheit. Wie frei war er selbst? Wie…mehr

Produktbeschreibung
Friedrich Schiller: mit seinem hageren geplagten Körper, der Denker unter den Dichtern, denkmalsreif schon zu Lebzeiten. Schiller, der wortmächtige Anwalt der Sprache im Kulturprozess seiner Zeit. Er verstand sich auf atemvolles Herleiten von Gedanken, ging schreibend ihren Windungen nach und dichtend in seine Charaktere ein; aber er liebte auch das Pointierte, das verletzend sein konnte. Entsprechend spitzt auch dieses Buch Gedanken zu, verweist auf Bilder aus dem Lebensumfeld Schillers und entwirft Szenen aus diesem Leben. Schiller war der Dichter der Freiheit. Wie frei war er selbst? Wie frei sollen oder dürfen wir uns im Umgang mit ihm fühlen? In diesem Buch interessieren die Facetten dieses dichtenden Denkers und vielschichtigen Menschen, das Oszillieren zwischen maßvollem Sprechen und riskierter Lippe, Liebesverlangen und Abstraktion, Kulturkritik und Kulturentwurf. Denn Schiller war keine Gipsbüste, sondern ein intellektueller Provokateur, auffahrend, oft nur mühsam sich beherrschend, dann wieder ganz Musensohn oder deren Geliebter. Alles Denken drängt zur Versinnlichung: ihr Symbol ist der Apfel des Dichters.
Autorenporträt
Rüdiger Görner, ist Professor of German Literature und Gründungsdirektor des Centre for Anglo-German Cultural Relations am Queen Mary College, University of London. Schriftsteller und Kritiker, Autor und Herausgeber zahlreicher Monographien, Editionen und Nathologien.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.11.2009

Ein Klassiker steht Kopf

Ironische Selbstporträts, Selbstrezensensionen sowie Bitt- und Bettelbriefe: Die Trouvaillen zum zweihundertfünfzigsten Geburtstag von Friedrich Schiller.

Schon wieder ein Schiller-Jubiläum! Der zweihundertste Todestag wurde vor vier Jahren aufwendig zelebriert, jetzt steht schon der 250. Geburtstag an. Die Kalendersklaven schwächeln, auf dem Buchmarkt scheint das Pulver weitgehend verschossen. Was will man nach der Springflut an Biographien, den großen Editionen und kleinen Textausgaben, den Brevieren und Zitatschätzen noch bieten, von Heimatkundlichem und unvermeidlichen Konferenzbänden ganz abgesehen? Entdeckungen sind gleichwohl in einigen Nischen zu machen, die man sich durch Rüdiger Safranskis glänzendes Doppelporträt der Dioskuren (F.A.Z. vom 14. Oktober) nicht verschatten lassen möchte.

Zum dreißigsten Geburtstag seines Freundes Gottfried Körner zeichnete Schiller 1786 mit farbiger Tusche einen frechen Comic, versehen mit Erläuterungen von Ludwig Ferdinand Huber. Da sieht man etwa Körner, wie er über seiner Kant-Lektüre einschläft, einigen Damen den Hintern zukehrt, seinem verständnislosen Vater die "Räuber" vorbuchstabiert, sich ohne Glück für eine Ägypten-Expedition engagiert oder als Schriftsteller erbärmlich unproduktiv ist. Schiller fügt sich selbst in den Zyklus ein, mit fliegenden Rockschößen steht er hier auf dem Kopf, also so, "wie ihn verschiedne vernünftige Leute gesehen haben". Erstmals 1862 erschien diese kecke Bildgeschichte, die bislang in allen Schiller-Ausgaben fehlt und als Taschenbuch (Insel Verlag, 1987) längst vergriffen ist. Ein von Rose Unterberger zusammengestelltes "biographisches Bilderbuch" zeigt jetzt wenigstens das ironische Selbstporträt neben anderen selten gesehenen Illustrationen, etwa Johann Adolf Rossmäslers Stich "Die Xenienritter": Sekundiert von Athene, schlägt dort Schiller mit der Faust ins Gesicht des Kritikers Friedrich Nicolai, während Herder sich bereits am Boden wälzt und Goethe feige im Busch lauert.

Auch in anderen Neuerscheinungen übt Schiller seinen Kopfstand. Dieter Hildebrandts hübsch illustrierte Sammlung von Parodien zeigt, dass es durchaus Raffinierteres gibt als das bekannte Kurzgedicht: "Loch in Erde, / Bronze rin, / Glocke fertig, / Bimm, bimm, bimm." Schillers Gedichte über Glocken und Taucher, über Freiheit, Frauen und die Freude lockten den Spott von August Wilhelm Schlegel bis Bertolt Brecht am stärksten an. Daraus folgt keineswegs das beliebte Vorurteil, Schillers Lyrik habe wenig Wert. Anhand der "Anthologie auf das Jahr 1782", die jetzt - nach einem Reprint aus dem Jahr 1973 - wieder als gediegener Nachdruck vorliegt, kann man solche Verdikte leicht auf den Kopf stellen. Die "Anthologie", die sich als geschlossenes Gemeinschaftswerk der Freunde um Abel, von Hoven oder Petersen in keiner der großen Ausgaben findet, enthält nämlich den jungen Schiller in der Nuss: Nicht nur ist hier seine Theosophie, Liebesphilosophie und Anthropologie in Gedichten wie "Die Freundschaft" oder den Laura-Oden lyrisch verdichtet, sondern es zeigt auch den Kritiker im Kampf mit dem schwäbischen Almanach-Herausgeber Gotthold Friedrich Stäudlin. In einer anonymen Selbstrezension setzt Schiller noch eins drauf und fordert weniger "Stinkrosen und Gänseblumen" sowie eine "strengere Feile" in der eigenen Sammlung.

Eine weitere editorische Lücke schließt das Soufflierbuch der legendären "Räuber"-Uraufführung in Mannheim. Bodo Plachta ediert jetzt, was sich bisher in keiner Gesamtausgabe findet: Es ist die vom Intendanten Dalberg veranlasste und ohne Schillers Zutun entstandene Bühnenbearbeitung des zuvor erschienenen "Schauspiels" (1781). Viele Änderungen der "Trauerspiel"-Fassung (1782) bereitet sie vor. Plachtas "Studienausgabe" stellt erstmals alle drei Versionen nebeneinander. Nur so begreift man Unterschiede zwischen dem gelesenen und dem inszenierten Stück - etwa die Selbsterdrosselung von Franz Moor. Sie findet auf der Bühne gar nicht statt, und auch andere Unschicklichkeiten entfallen. Bevor sein Bruder Karl sich für "tausend Louisdore" (Erstausgabe) oder "hundert Dukaten" (Trauerspiel) selbst an die Justiz ausliefert, verkündet er nur in Mannheim: "Auch ich bin ein guter Bürger, erfüll ich nicht das entsezliche Gesetz, Ehr ich es nicht, räch ich es nicht?" So manches rasche Urteil von Germanisten über dieses Theaterdebüt dürfte mit Blick auf die jetzt endlich leicht verfügbaren drei Varianten ins Wanken geraten.

Finanziell waren die "Anthologie" und die "Räuber" eine Pleite. Auch spätere Werke konnten das relativ schmale Salär als Geschichtsprofessor in Jena und Hofrat in Weimar nicht in erforderlicher Höhe aufbessern: Vierhundert Taler im Jahr, das markierte für eine bürgerliche Familie eher die Untergrenze. Gegenüber Goethes Ministergehalt von 3100 Talern und einem zuletzt viermal so hohen Haushaltsvolumen wirkt es gar bescheiden. Auch in dieser Hinsicht stellte sich Schiller gern protestierend auf den Kopf: Christiana Engelmann verschafft mit einer - auch für jugendliche Leser - charmanten Sammlung von Schillers Bitt- und Bettelbriefen einem wenig beachteten Genre Geltung. In vielfältigen Tonlagen umgarnt der Dichter alle, die im Besitz des "allgewaltigen Mammons" sind: Stets fordert er mit zwingenden Gründen, wirbt unwiderstehlich um Wohlwollen, versichert jede kleine Verlegenheit als bloß vorübergehend, rückt den drohenden "Würgengel" effektvoll ins Licht. "Zum Kaufmann schicke ich mich überhaupt so wenig als zum Kapuziner", heißt es da einmal. Sicher aber zum wortgewandten Rhetoriker.

Das persönlichste Buch über Schiller legt in diesem Herbst Rüdiger Görner vor. Es sind kritische Reflexionen, Aphorismen, Szenen und zum Glänzen gebrachte Lesefrüchte. Görner gruppiert sie um den von Eckermann gestifteten Mythos von Schillers faulen Äpfeln. Angeblich sollen diese dem Dichter "als Urfrucht, als verfallende Versuchung" zur sinnlichen Stimulation des Geistes gedient haben oder umgekehrt als Anker und Erdung beim erhabenen Höhenflug ins Intelligible. Görner versteht sich auf die geistige so gut wie auf die ästhetische Schätzung: Feinsinnig durchstreift er als professioneller Deuter das Werk, von den "Räubern" bis zum "Wallenstein", vom Grammont-Bericht bis zu den Kallias-Briefen.

Als schreibender Leser beantwortet er einzelne Wendungen und Ideen Schillers hingegen poetisch, lauscht dem Chor der Nachwelt und verhehlt nicht die eigene Passion. Manches wirkt dabei intim und berührend - etwa das Nachdenken über Schillers Verständnis von Würde als "Ruhe im Leiden". Görner befällt es am Bett seines sterbenden Vaters, dem der Band gewidmet ist. Seiner eigenen Frage, ob "Schillers Werk der faule Apfel in der Schublade der Moderne" sein könnte, also unser aller Stimulans, haftet keine bemühte Aktualisierung an. Vielmehr lädt sie zu einer unbelasteten Lektüre ein, die keine Angst vor einem kopfstehenden Klassiker hat.

ALEXANDER KOSENINA.

Rüdiger Görner: "Schillers Apfel". Szenen, Gedanken und Bilder. Zu Schillers 250. Geburtstag. Berlin University Press, Berlin 2009. 144 S., 900 numerierte Expl., geb., 64,- [Euro].

"Loch in Erde, Bronze rin . . ." Schiller-Parodien oder der Spottpreis der Erhabenheit. Hrsg. von Dieter Hildebrandt. Hanser Verlag, München 2009. 96 S., geb., 6,90 [Euro].

Friedrich Schiller: "Anthologie auf das Jahr 1782". Hrsg. von Matthias Luserke-Jaqui. Conte Verlag, Saarbrücken 2009. 291 S., geb., 29,90 [Euro].

Friedrich Schiller: "Die Räuber". Studienausgabe. Hrsg. von Bodo Plachta. Philipp Reclam Jun., Stuttgart 2009. 368 S., br., 8,80 [Euro].

"Gnädigster Herr, ich habe Familie". Schillers Bitt- und Bettelbriefe. Hrsg. und kommentiert von Christiana Engelmann. Sanssouci im Hanser Verlag, München 2009. 80 S., geb., 12,90 [Euro].

Rose Unterberger: "Friedrich Schiller". Orte und Bildnisse. Ein biographisches Bilderbuch. Verlag W. Kohlhammer, Stuttgart 2008. 240 S., geb., 34,- [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Ganz verzückt scheint Ursula Pia Jauch von Rüdiger Görners Schillerbuch, in dem er "Szenen, Gedanken und Bilder" rund um das Leben Schillers versammelt. Von der darin abgebildeten Kniebundhose, die auf die Rezensentin wie eine "Kinderspielhose" wirkt, sieht sie sich ohne Umwege auf Schillers Spieltheorie gebracht. Die Erzählung Goethes über die Schreibtischschublade voller fauler Äpfel, ohne deren Geruch Schiller angeblich nicht arbeiten konnte, mutet ihr wie ein Widerhall von dessen "Kopfmelodien" an. Ein wunderschöner Band, der nicht zuletzt über die Dinge, mit denen der Dichter sich umgab, mitten hinein in seine Gedankenwelt führt, wie Jauch schwärmt.

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