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Produktdetails
  • luxbooks.lyrik
  • Verlag: Luxbooks
  • 2., überarb. Aufl.
  • Seitenzahl: 104
  • Erscheinungstermin: 4. März 2010
  • Deutsch
  • Abmessung: 200mm
  • Gewicht: 218g
  • ISBN-13: 9783939557906
  • ISBN-10: 3939557900
  • Artikelnr.: 26054740
Autorenporträt
Andre Rudolph, geboren 1975 in Warschau, wuchs in Leipzig auf, studierte Germanistik, Philosophie und Slawistik. Er lebt als freier Autor und Übersetzer aus dem Englischen und Polnischen in Leipzig und verfasste Veröffentlichungen in Zeitschriften und Anthologien. Zu seinen Auszeichnungen gehören der Lyrikpreis Meran 2010, der Kranichsteiner Literatur-Förderpreis 2010 und der Wolfgang-Weyrauch Förderpreis 2011.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 23.03.2010

Rasenmäher
Gedichte von Andre Rudolph

Motto und Titel des Gedichtbands sind sprechende Signale. Ein Zitat von René Char ist vorangestellt: "chante ta soif irisée", zu Deutsch: "singe deinen irisierenden durst". Der Titel, "fluglärm über den palästen unsrer restinnerlichkeit", sieht lyrische Innerlichkeit in einer motorisierten Welt zurückgeworfen auf letzte Möglichkeiten. Ein poetisches Programm also und eine poetische Antwort auf unseren veränderten Wahrnehmungshorizont sind angekündigt. René Char, der französische Dichter aus der Provence, verstand Innerlichkeit nicht als metaphysische Schau, sondern als einen Prozess der sprachlichen Verdichtung innerer Bilder, der seinen artistischen Charakter nicht verleugnet. Andre Rudolph erschließt Wirklichkeit von solchen Bildkernen her. Das formale Gesetz dieser Lyrik, will man es auf den Punkt bringen, heißt: Entstehung der Sätze aus dem dichterischen Bild.

Vom Bildkern "Schneepflug" ordnen sich im Gedicht über einen Märztag die ersten Verse: "seit sechs zieht der schneepflug seine furchen durch den schlaf / er hat mühe mit dem vielen frischen schnee der träume / wenig später tritt mit sicherheit ein geräumter märztag auf". "gründerzeitmythen" und "suppe aus kartoffelschalen" lenken Erinnerungen an die DDR und an Ratlosigkeit: "wir sitzn immer noch, in den ruinen, von / russnkasernen ... / schweigen / klopfen (dann und wann / steine / was baun?, was nicht baun?" In einer Gruppe von Gedichten spielt Rudolph mit der Korrespondenz eigentlich unvereinbarer Bilder in dem artifiziellen, auf scharfsinnige Leser bauenden Concetto "rasenmäher / durchkämmen die wiesen im park / unter den flüchtenden / einige junge stare auf rollschuhen".

Den weitaus größten Umfang hat die Gruppe "schmetterlingssäge.doc". Aus dem Stammwort und -bild "schmetterlingssäge", das auf feinste Sezierkunst und auf unendlich farbige, schöne Objekte deutet, stürzt ein wahrer Katarakt von bunten Assoziationen hervor. Von Lohnarbeit an der Schmetterlingssäge im Wald ist die Rede und vom "goldeulenfalter", von den Wirkungen des Goldstaubs, der Versandung der Lungen, von den Stunden, die zu Goldstaub zerfallen. Hinter den "leuchtenden gitternetzlinien unsrer wahrnehmung" laufen die "kleinen goldnen tanker" der "zitronenfalter auf grund". Bei sinkender Sonne gleichen die Unterhaltungen dem "strohspinnen aus gold". Unausweichlich wird der Ironieeffekt, wenn sich die Assoziationslust zu kruder Umkehrung der logischen Silbenfolge versteigt: Im Morgenrot werden die leergeschossenen Magazine eingesammelt; der erhoffte Genuss des Rehrückenbratens deutet sich an: "die rehe sind warm wie von rücken".

Keine Landschaftsidylle schläfert ein. Der Präzision und dem Automatischen des Tagesablaufs entspricht der lapidare Satz: "von dem einen ende des himmels / zum andren marschiert das soldatische licht". Politisches, die Bedrohung der Natur durch Industrialisierung, äußert sich in Verfremdung der Anklage: "die naive kapitalismuskritik / dieser landschaft, die mit uns hingeht". Von den "tagesmüttern" auf den Spielplätzen gehen "spontane missionen von licht" aus. "das stille leuchten der bankfilialen in den mutterstunden am / mittag. (,einbruch zwecklos') die liebevoll umzäunte anlage kind". Abends unter dem Sternenhimmel: "mit einer einzigen silbermünze will der mond unsere seelen freikaufen / (gott wirft sie oben in den schlitz: wir beginnen zu tanzen)". Zu einem Kombinationstanz wird der Leser aufgefordert. Der Appell an die Vollendung des Gedichts durch den Leser lässt die Lektüre zum produktiven Vergnügen werden.

WALTER HINCK

Andre Rudolph: "fluglärm über den palästen unsrer restinnerlichkeit". Gedichte. Illustration von Annette Kühn. Luxbooks. Christian Lux Verlag, Wiesbaden 2009. 104 S., br., 18,50 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Walter Hinck hat sich mit Hingabe und analytischem Scharfblick den Gedichten von Andre Rudolphs Lyrikband gewidmet, an dem sich die "sprachliche Verdichtung innerer Bilder" präzise ablesen lässt, wie er meint. Aus Bildkernen entwickele der Lyriker außerordentlich farbige Assoziationsgeflechte, mit denen er sich mal der maschinenmäßigen Routine des Alltags, mal einem Stück DDR-Geschichte oder auch der "liebevoll umzäunten Anlage Kind" zuwende, erklärt der Rezensent. Von manchem Gedicht sieht sich Hinck gar zur Vollendung herausgefordert, was die Lektüre zusätzlich zu einem "produktiven Vergnügen" macht, wie er erfreut feststellt.

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