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Wer ist Gunther von Hagens? Für die einen ist der Schöpfer von KÖRPERWELTEN ein Hochstapler, für andere ein Genie und für wieder andere ein Monster und Störenfried. Erstmals geben verwandte, private und berufliche Weggefährten aus allen Lebensabschnitten tiefere Einblicke in diese umstrittene Persönlichkeit. Mit ihren Geschichten und Anekdoten lassen sie bislang unbekannte Seiten dieses eigenwilligen Anatomen in den Lichtkegel der Öffentlichkeit treten. Dabei erzählen sie Ernstes und Witziges, Aufregendes und Anstößiges, in jedem Fall aber Abenteuerliches und Spannendes über eine rätselhafte…mehr

Produktbeschreibung
Wer ist Gunther von Hagens? Für die einen ist der Schöpfer von KÖRPERWELTEN ein Hochstapler, für andere ein Genie und für wieder andere ein Monster und Störenfried. Erstmals geben verwandte, private und berufliche Weggefährten aus allen Lebensabschnitten tiefere Einblicke in diese umstrittene Persönlichkeit. Mit ihren Geschichten und Anekdoten lassen sie bislang unbekannte Seiten dieses eigenwilligen Anatomen in den Lichtkegel der Öffentlichkeit treten. Dabei erzählen sie Ernstes und Witziges, Aufregendes und Anstößiges, in jedem Fall aber Abenteuerliches und Spannendes über eine rätselhafte Figur unserer Zeit. Wie die Steine eines Mosaiks fügen sich die Republikflucht bis zum Uni-Anatomen und Ausstellungsmacher zu einer facettenreicher Begegnung mit dem Erfinder der Plastination und seinem Werk zusammen. Gunther von Hagens, der das Buch anlässlich seines 60. Geburtstages überreicht bekam, war überrascht von der Vielschichtigkeit der Beiträge und der Auswahl der Erzähler: "Dieses
Buch hat mir vergessenes Leben zurück geschenkt. Ich war überrascht, wie viele Erlebnisse ich inzwischen einfach vergessen hatte. Dazu gehören meine frühen Präparierversuche an Kleintieren im Wald meiner Heimatstadt genau so wie meine ersten Fehlschläge in der Plastination. Alles in allem werde ich in diesem Buch treffender und vielseitiger anatomiert, als es mir selbst je möglich wäre."
Autorenporträt
Angelina Whalley, geb. 1960, studierte Medizin an der Freien Universität Berlin und schloss Ihr Studium an der Heidelberger Universität ab. Hier lernt Sie Gunther von Hagens kennen, die beiden heiraten 1992. Die approbierte Ärztin ist Direktorin des Instituts für Plastination und konzipiert die KÖRPERWELTEN Ausstellungen, welche erstmals 1995 in Japan gezeigt werden. Bis heute haben über 30 Millionen Menschen in Städten Europas, Asiens und Nordamerikas die Ausstellungen besucht.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 16.09.2005

Freunde, schärft die Messer an
Und irgendwann siegt der Schimmelpilz: Die Journalistin Mary Roach reist durch die „fabelhafte Welt der Leichen”
Eine Amerikanerin, die dreimal in der Antarktis war, sucht keinen Tapetenwechsel, sondern einen abseitigen Trip. Mit einer Weltumsegelung ist es in diesem Fall ebenso wenig getan wie mit einer Auszeit im brasilianischen Dschungel. Fernab von Schnee und Eis, von Südsee und Vulkanen hat die Reisejournalistin Mary Roach ein lohnenderes Ziel ausfindig gemacht. Drei Jahre lang ist die Kalifornierin durch die „fabelhafte Welt der Leichen” getourt und hat dabei nichts, aber auch gar nichts ausgelassen. Ihre Mitbringsel hat Roach in einem Buch verstaut, das zumindest einen warnenden Hinweis auf seine Risiken und Nebenwirkungen verdient hätte.
Es empfiehlt sich, Mary Roachs Trouvaillen weder auf nüchternen Magen noch nach einem opulenten Mahl zu studieren. Angesichts zahlloser pikanter Details könnte der Verdauungsapparat in vivo streiken: „Das Gehirn verflüssigt sich sehr rasch. Es fließt aus den Ohren und sprudelt aus dem Mund.” Gemeint ist die erste Phase der menschlichen Verwesung, ein Vorgang, der eine olfaktorische „Mischung aus verrottendem Obst und faulendem Fleisch” freisetzt. Ein paar Tage lang hat sich Mary Roach dieses Düftchen um die Nase wehen lassen, und zwar mitten in einem idyllischen Wäldchen, das der University of Tennessee gehört. Unerschrockene Ärzte haben hier einige Dutzend Leichen unter freiem Himmel deponiert, um den allmählichen Verfall post mortem zu dokumentieren. Es versteht sich, dass diese Leichen, wie die meisten, die Mary Roach besucht hat, von ihren Eigentümern zu Lebzeiten der Forschung vermacht worden sind.
Allerdings dürfte nicht jeder Spender über das im Bilde gewesen sein, was seinen sterblichen Überresten alles widerfahren kann. Von Organtransplantationen und Sezierkursen für angehende Mediziner hat gewiss jeder schon einmal gehört. Dass aber - zumindest in den USA - Leichen die Sicherheit von Schutzwesten oder Autokarosserien testen können, dass Schönheitsoperateure an abgetrennten Schädeln die neuesten Methoden zur Straffung der Tränensäcke trainieren, dass ein französischer Chirurg vor knapp siebzig Jahren die Echtheit des Turiner Grabtuchs zu beweisen suchte, indem er monatelang mit gekreuzigten Toten experimentierte, das allerdings hat sich bislang wohl nicht herumgesprochen. Mary Roach schließt hier nicht nur Wissenslücken, sondern öffnet auch ein Geheimfach der Moderne - und das mit manchmal geradezu teuflischer Akribie.
Lifting nach dem Tod
Wer mit dem Gedanken spielt, sich dereinst einbalsamieren zu lassen, sollte das einschlägige Kapitel über das „Leben nach dem Tod” aufmerksam lesen. Anschließend kann er überlegen, ob er wirklich mit spitz gezackten Augendeckeln unter den Lidern, straff zugenähtem Kiefer und tamponierter Nase unter der Erde verschwinden möchte. Auch wenn das zuletzt injizierte Konservierungsmittel alle Falten glättet - im Bestatterjargon heißt es vornehm „erworbene Gesichtsmusterung”: Letztlich hält dieses postume Lifting dem Zahn der Zeit nicht stand. Sobald Grundwasser in die Sargkissen sickert, ist der Totenglanz dahin. Selbst die beste Einbalsamierung, erklärt Mary Roach, wirkt nur „wie Nitrite in der Wurst”. Irgendwann siegt der Schimmelpilz.
Seit einem einschlägigen Schadensersatzprozess bestreiten das nicht einmal mehr die amerikanischen Bestatter. Bis in die achtziger Jahre hinein hatten sie sich gerühmt, ihre Kundschaft für alle Ewigkeit konservieren zu können. Ein untröstlicher Sohn nahm die Herren beim Wort. Er ließ seine Mutter aufwendig präparieren und verwahrte sie in einem Mausoleum: „Alle sechs Monate ging er mit einer Lunchbox hinein, öffnete den Sarg und plauderte während seiner Mittagspause ein bisschen mit ihr.” In einem regnerischen Frühling nahm das Ungemach seinen Lauf: Der Verblichenen spross ein Bart aus zartem Schimmelflaum. Der Mann verklagte den Bestatter und erhielt eine Entschädigung von 25 000 Dollar.
Wer sich nicht Pilzen, Bakterien, Maden und Würmern zum Fraß vorwerfen will, hat zwei Möglichkeiten. Entweder lässt er sich verbrennen, was aus ökologischen Gründen problematisch ist: Das aus den Amalgamfüllungen entweichende Quecksilber schadet der Atmosphäre. Oder er macht von den weitaus eleganteren und umweltverträglicheren Verfahren der „Dehydrierung”, vulgo: „Gewebeauflösung”, Gebrauch, die derzeit in Amerika und Schweden erprobt werden. Dabei endet er im einen Fall als bräunliche Soße, die in der Kanalisation verschwindet, im anderen als gefriergetrockneter Kompost, der unterm Rosenstock seine letzte Ruhestätte findet.
Nicht nur, was die Bestattungskultur angeht, lässt sich bei Mary Roach eine Menge lernen. Auch, wie man einen Flugzeugabsturz am besten überlebt, hat die Journalistin herausgefunden: Sitzplatz am Notausgang, Luft anhalten und - „Seien Sie ein Mann!” Männer nämlich haben bei Crashs bessere Überlebenschancen, weil sie, wie Roach vermutet, alle anderen niedertrampeln. Was Wahrheit ist, was Fiktion, das allerdings lässt sich hier nicht immer genau entscheiden.
Nicht immer sind die Souvenirs vom Streifzug durch die Leichenschauhäuser amüsant. Roach ist eine kundige und humorvolle Berichterstatterin. Zuweilen aber mutiert sie zur unerträglich sarkastischen Plaudertasche. Was Respekt und Pietät angeht, muss man nicht päpstlicher als der Papst sein, um dennoch darauf zu beharren, dass es im Reich der Toten ein paar heikle Winkel gibt. Vor allem dort, wo Leben und Tod aneinanderstoßen, vergaloppiert sich Mary Roach in nassforschem Ton.
So befremdet es nicht nur, dass die Autorin unter dem Rubrum „medizinischer Kannibalismus” die in China gängige Praxis der Fötenverspeisung als erwägenswerte heilkundliche Maßnahme würdigt. Vor allem auch beim Thema Organtransplantation ist der rhetorische Gaul mit ihr durchgegangen. Wenn etwa eine hirntote Organspenderin wie eine „aufgeklappte Reisetasche” auf dem OP-Tisch liegt, sind die Grenzen des schlechten Geschmacks doch überschritten. Ebenso nonchalant verhandelt Mary Roach etliche Versuchsreihen an lebenden Tieren, denen sie im Lauf ihrer Recherchen begegnet ist.
„Kratzi, schabi, schneidi, gucki”
Obwohl man sich beim Gang durch die „fabelhafte Welt der Leichen” also bisweilen warm anziehen muss, fallen eine Menge interessanter Informationen und Erkenntnisse ab. Übrigens ist Roach auf ihrer Tour rund um den Erdball natürlich auch über Gunther von Hagens und seine „Körper-Welten” gestolpert. Zu seinem 60. Geburtstag Anfang dieses Jahres hat der Oberplastinator von seinen Freunden, Schülern und Weggefährten eine Art Festschrift geschenkt bekommen. Darin findet sich ein Verslein als Ermutigung für Anatomiestudenten, das Hagens höchstselbst gedichtet hat: „Kratzi, schabi, schneidi, gucki/ Tiefer grabi, looki, looki/ Faszie weg und Sehne dran/ Freunde schärft die Messer an!” Ein Wahlspruch, an dem auch Mary Roach ihre Freude haben dürfte.
DORION WEICKMANN
MARY ROACH: Die fabelhafte Welt der Leichen. Deutsche Verlags-Anstalt, München 2005. 350 Seiten, 19,90 Euro.
ANGELINA WHALLEY, FRANZ J. WETZ (Hrsg.): Der Grenzgänger. Begegnungen mit Gunther von Hagens. Arts & Sciences, Heidelberg 2005. 293 Seiten, 19,90 Euro.
Wer will schon nach dem Tod auf den Hund kommen? Soll man sich einbalsamieren oder verbrennen lassen? Oder sich den Anatomen zur Verfügung stellen, wie sie hier in einer illustrierten Handschrift des 15. Jahrhunderts dargestellt sind? Ein neues Buch gibt Entscheidungshilfen.
Foto: Archives Charmet/bridgemanart.com
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