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"Mit der Berserk in die Antarktis? Genauso gut kannst du den Mount Everest in Ballettschuhen besteigen!"
Der Hafenmeister von Ushuaia zu David Mercy kurz vor dessen Abreise in die Antarktis
Die Berserk, ein gerade mal neun Meter langes Segelboot aus Fiberglas, liegt im Hafen von Ushuaia. Ihr Zustand ist erbarmungswürdig: In der winzigen Kajüte herrscht Chaos, es gibt kein Radio, kein Rettungsfloß, der Motor stottert.
Die Mannschaft besteht aus drei Männern: Der erste ist der blutjunge Skipper Jarle aus Norwegen, in der Stadt nur "der wahnsinnige Wikinger" genannt. Der zweite im Bunde
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Produktbeschreibung
"Mit der Berserk in die Antarktis? Genauso gut kannst du den Mount Everest in Ballettschuhen besteigen!"

Der Hafenmeister von Ushuaia zu David Mercy kurz vor dessen Abreise in die Antarktis

Die Berserk, ein gerade mal neun Meter langes Segelboot aus Fiberglas, liegt im Hafen von Ushuaia. Ihr Zustand ist erbarmungswürdig: In der winzigen Kajüte herrscht Chaos, es gibt kein Radio, kein Rettungsfloß, der Motor stottert.

Die Mannschaft besteht aus drei Männern: Der erste ist der blutjunge Skipper Jarle aus Norwegen, in der Stadt nur "der wahnsinnige Wikinger" genannt. Der zweite im Bunde ist Manuel, ein Argentinier, der sich auf See das Rauchen abgewöhnen will. Der dritte schließlich ist der Autor selbst.

Jarle ist schon seit zwei Jahren mit der Berserk unterwegs; David und Manuel dagegen haben vom Segeln keinen blassen Schimmer. Doch die drei haben ein gemeinsames Ziel: die kälteste, unwirtlichste und entlegenste Region der Erde - sie wollen in die Antarktis.

Obwohl es sogar anWollpullovern mangelt, machen Jarle, David und Manuel unverdrossen die Leinen los. Zum Abschied ruft man ihnen nach: "Das überlebt ihr nicht!" Dann läuft die Berserk aus - mit Kurs auf die turmhohen Wellen der Drake Passage und das Eis der Antarktis.

Die Stimmung an Bord könnte besser nicht sein.

David Mercy liefert einen Reisebericht, der vor Spannung knistert und mit einer gehörigen Portion Selbstironie Eiseskälte und Strapazen nicht nur erträglich, sondern sogar höchst vergnüglich macht.
Autorenporträt
David Mercy wurde in Washington D.C. geboren und studierte Filmwissenschaft an der UCLA. Er arbeitete als Journalist für Boulevard-Blätter und hatte verschiedene Jobs in der Filmbranche, bis er beschloss, alle fünf Kontinente der Erde zu bereisen zur Zeit ist er zusammen mit Jarle gerade am Nordpol unterwegs. David Mercy hat eine Wohnung in Los Angeles, ist aber selten zu Hause.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.11.2005

Im Süden der wahren Empfindung

Das Sternzeichen aller Abenteuergeschichten ist "Signa". So nämlich hieß das einzige Buch, das Jack London als Kind besaß. Nur fehlte dem Buch das letzte Kapitel, was schrecklich gewesen sein muß für den Jungen: nicht zu wissen, wie die Abenteuergeschichte ausging. Als Jack London dann eines Tages das vollständige Buch in der Stadtbücherei von Oakland wiederfand, schimpfte er sehr. Warum? "Weil ich mir zweihundert verschiedene Schlüsse ausgedacht habe", sagte London, "und alle waren besser als der hier."

Es ist also keineswegs schrecklich, das Ende eines Buches nicht zu kennen. Es kann ein Geschenk sein. Weil kaum etwas schöner ist als Geschichten, die im Leser weitergehen. Die mit ihm aufbrechen. Vielleicht ist das ja nur bei Abenteuerromanen so, weil man die meistens als Kind liest, als Gernegroß ohne Reisekasse. Damit aufzuhören ist allerdings ein Fehler, wie man aus Rüdiger Barths und Marc Bielefelds feinem Buch "Wilde Dichter" lernt: Denn für Abenteuerromane ist es niemals zu spät. Wenn Literatur jemals Fluchtpunkt war, eine Gegenwelt, der Ort, an dem man über sich hinauswächst, sich groß träumt oder grandios scheitert, in den eigenen Stiefeln an fremden Stränden stirbt, dann in den Südseeballaden und Heldensagen von Herman Melville und Jack London, Joseph Conrad und Ernest Hemingway.

All diese wilden Dichter haben Barth und Bielefeld, zwei Hamburger Journalisten, in ihrem Sammelband porträtiert. Sie sind den "größten Abenteurern der Weltliteratur" nachgereist und haben Anekdoten über sie ausgegraben, zum Beispiel die von Jack London und "Signa", der Geschichte ohne Ende: "Sie war mein Stern, nach dem ich meinen Wagen lenkte", sagte London einmal. Das galt einerseits für seine enorme Schaffenskraft: In sechzehn Jahren schrieb Jack London vierzig Bücher, was aber nicht weiter verwundert, wenn man bedenkt, daß er allein für eines zweihundert verschiedene Schlüsse erfinden konnte.

Andererseits war "Signa" auch der Unstern, nach dem er sein Leben richtete: lieber ein abruptes Ende zu nehmen als ein schlechtes. "Ich will lieber, daß mein Funke in einer hellen Flamme ausbrennt, als daß er in Fäulnis erstickt", schrieb Jack London: "Ich bin lieber Asche als Staub." Das klingt gefährlich nach Neil Young, wie Kurt Cobain ihn verstand: "It's better to burn out than to fade away." Magenkrank und mit zuviel Morphin im Blut, starb er am 22. November 1916.

Jack London war in der Tat ein Punkrocker, ein Literaturstar, dessen gescheiterte Weltumsegelung 1907 die Presse begierig verfolgte. Und er war ein schwerer Trinker: Bourbon zum Lunch, Scotch und Soda am späten Nachmittag, und dazu sechzig Zigaretten täglich, Marke "Russian Imperial". Er boxte sich mit Charmian Kittredge, die er 1905 heiratete. Er war, nach schwerer Kindheit, ein Sozialist geworden, allerdings mit leichtem Hang zum Herrenmenschen: "Meine Rasse ist das Salz der Erde", schrieb er 1899. Ein White Man in Bora Bora also, um es mit den Clash zu sagen. "Er ist einer der härtesten Männer, die zu treffen ich das Glück hatte", behauptete jedenfalls sein Freund Robert Dunn. "Er ist genauso heldenhaft wie jede seiner Romanfiguren." Mit anderen Worten: Jack London war wie Wolf Larsen, der "Seewolf".

Und er war eben auch so feinsinnig wie der Kartoffelzerquetscher und Menschenquäler Wolf Larsen, Londons packendste Romanfigur. Wenn Denys Finch Hatton in "Jenseits von Afrika" sein Grammophon mit auf Safari nahm, dann nahm Jack London es mit auf die Weltmeere, um Opern zu hören. Im Grunde ihres Herzens waren sämtliche Dichter, die Barth und Bielefeld in ihrem Buch versammeln, sentimentale Bildungsbürger. Großstädter. Weiße Intellektuelle, die in der Wildnis auf die Stunde der wahren Empfindung hofften.

Wie die drei Hippies, die am 1. Januar 1999 in einem klitzekleinen Boot durch die mörderische Drake-Passage in die Antarktis segeln: ein blutjunger Norweger, ein angehender amerikanischer Schriftsteller und ein Argentinier, der irgendwann meutert und heimkehrt, um Kunst zu studieren: "Berserk" heißt das Boot - und die wahre, aber irrsinnige Geschichte, die David Mercy, der Schriftsteller an Bord, aufgeschrieben hat: Der Motor springt nicht an. Warme Kleidung haben sie irgendwie vergessen. Nur an die Erfahrung haben sie gedacht, einmal im Leben einen See-Elefanten berühren zu können, die Antarktis ins eigene Blut aufzunehmen. Eine Grenze zu übertreten, dorthin zu gelangen, wo noch niemand war.

Diese jenseitige Sehnsucht spürte auch der empfindsame Herman Melville. Als junger Matrose nutzte er seine Freiwachen auf der "United States", um sich durch die Schiffsbibliothek zu arbeiten. Joseph Conrad wiederum, den Bertrand Russell einen "polnischen Aristokraten bis in die Fingerspitzen" nannte und der bei tropischer Hitze Krawatte trug, empfand geradezu Heimweh nach der See. Einmal losgelassen, erschufen sich diese Feingeister aber neu: als markige Kerle.

Joseph Conrad, den hatte sein Vater gezwungen, mit fünf, sechs Jahren die Romantiker zu lesen, und zwar auf französisch, und zwar laut. Nachdem er seine zerrüttete Heimat Polen verlassen hatte, "schmuggelte er angeblich Waffen nach Spanien, verspielte sein letztes Geld in Casinos, befehligte dreimastige Wollklipper, sah zwei seiner Schiffe vor seinen Augen auf offenem Meer sinken, schoß sich als Zwanzigjähriger eine Kugel in die Brust und erlebte im tiefsten Kongo das Grauen". Ernest Hemingway hat den Typus des markigen Dichterkerls später dann bekanntlich perfektioniert.

Daß Literatur nach Freibeuterei schmeckt, hat den wilden Dichterkerlen sehr gefallen. Sie suchten "die weißen, unbeschriebenen Flecken", wie Barth und Bielefeld so schön sagen, und sie inszenierten sich selbst. Als Rätsel. Wie der große Unbekannte B. Traven, der aus dem Dschungel Mexikos seine Geschichten in die Welt schickte. Wer Autor des berühmten "Totenschiffs" war - "kein Jugendbuch, was ungewöhnlich ist für Meeresprosa in deutscher Sprache", schreiben Barth und Bielefeld -, enthüllt erst seine Witwe im Jahr 1969: Es war Hal Crowes. Alias Ret Marut. Das eine wie das andere ein Pseudonym. "Who is Bruno Traven?" fragte das Magazin "Life" im Jahr 1947, da war sein "Schatz der Sierra Madre" mit Humphrey Bogart gerade in die Kinos gekommen. Und woher kam er, aus Traventhal bei Lübeck? Und müssen wir das überhaupt wissen? Ist es nicht viel schöner, ein offenes Ende zu haben, um sich zweihundert Antworten darauf auszudenken? "Marut", so heißen in der indischen Mythologie die Sturmwesen. Die Antwort weiß also ganz allein der Wind.

Alex Capus hat ein ganz anderes Rätsel gelöst. Vermutet er zumindest. Der vorzügliche Erzähler Alex Capus weiß, wo der legendäre Kirchenschatz von Lima vergraben liegt. Und wer ihn ausgebuddelt hat und dann in einer Geldwäscheoperation in Sicherheit brachte. Es war niemand anderes als Robert Louis Stevenson. Der Autor der "Schatzinsel" fehlt leider im Sammelband von Barth und Bielefeld, und so trifft es sich gut, daß Alex Capus jetzt "Reisen im Licht der Sterne" geschrieben hat, einen biographischen Abriß des kränklichen wilden Dichters Stevenson - und eine Detektivgeschichte zugleich.

Denn Capus ist nach Samoa in die Südsee aufgebrochen, "um zu beweisen, daß es Robert Louis Stevensons ,Schatzinsel' tatsächlich gibt, und zwar ganz woanders, als Heerscharen von Schatzsuchern sie über Generationen gesucht haben - und daß Louis einzig und allein deshalb die letzten fünf Jahre seines Lebens auf Samoa verbrachte". Diese Schatzinsel heißt Cocos Eylandt, seit dem 19. Jahrhundert nennt man sie Tafahi. Und sie liegt auf 15,85 Grad südlicher Breite und 173,71 Grad westlicher Länge. Hier, vermutete Capus, verschwand der Kirchenschatz Limas, fortgeschafft 1821 von Kapitän Thompson auf der "Mary Dear", als sich die Revolutionsarmeen gegen ihre Kolonialherren erhoben.

Es ist immer gut, wenn im Einband von Büchern Karten abgedruckt sind: Tafahi und Samoa liegen östlich von Australien im Pazifischen Ozean, auf dem Drittel der Strecke nach Südamerika. Was für einem Irrtum all die Schatzsucher nur aufgesessen sind, die den Schatz auf Cocos Island vor Costa Rica wähnten, zweitausend Kilometer nördlich und achttausend Kilometer östlich: Wieder und wieder haben sie Cocos Island umgegraben, ohne Erfolg. Der Schatz lag nämlich auf Cocos Eylandt.

Das weist Capus nach, oder besser: Er fädelt sehr elegant ein, daß es so gewesen sein könnte. "Gut möglich", daß Stevenson auf der Kokosinsel Tafahi nichts entdeckt habe, "falls" aber doch, hätte er das Gold zu Geld machen müssen. Weil aber auf Samoa die Banken fehlten, wären regelmäßige Ausflüge nach Sydney, Auckland und Honolulu nötig gewesen: "Und tatsächlich" sind die Stevensons in den Jahren auf Samoa "bemerkenswert oft" auf kurzen Reisen gewesen, "einfach so, um wieder mal unterwegs zu sein", wie Stevenson sagte, als er 1899 nach Hawaii schipperte.

Seinen Fuß hat Alex Capus nie auf Tafahi gesetzt. Das Ende mußte er sich also - wie Jack London - selbst ausdenken. Gegen sein Spekulantentum liest sich das Tagebuch der Mrs. Robert Louis Stevenson, das jetzt als "Kurs auf die Südsee" erschienen ist, wie ein erkennungsdienstliches Protokoll: "27. Juni. In Namorik angekommen. Louis ist an Land gegangen und hat einen bösen alten Mann getroffen, der später im Strand von Falsea in Erscheinung treten sollte." Fanny Stevensons Notizen leuchten tropisch bunt, aber sie haben einen Schluß: Nach dem letzten Eintrag läßt sich die Familie Stevenson auf Samoa nieder. Was danach geschah, gehört jetzt ins abenteuerliche Reich der Literatur.

TOBIAS RÜTHER

Rüdiger Barth, Marc Bielefeld: "Wilde Dichter", Malik, 325 Seiten, 19,90 Euro.

Alex Capus: "Reisen im Licht der Sterne", Knaus, 234 Seiten, 18 Euro.

Roslyn Jolly: "Kurs auf die Südsee. Das Tagebuch der Mrs. Robert Stevenson", Frederking & Thaler, 251 Seiten, 22 Euro.

David Mercy: "Berserk", marebuchverlag, 340 Seiten, 19,90 Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 16.02.2006

Nachmittag am Pol
Neue Bücher über Reisen ins ewige Eis
Pinguine! Wohin man auch sieht, sie sind schon da. Ob im New Yorker Central Park, auf Madagaskar oder den Galapagos-Inseln: Längst sind die Polarvögel global im Einsatz - jedenfalls in vollanimierten Filmen wie „Madagascar” und „Der kleine Eisbär”. Die Pinguine sind stets das chaotische Moment in diesen Geschichten, weil sie im Grunde eben doch nicht zu Hause sind in der weiten Welt. Ihr Revier ist und bleibt die Antarktis. Das hat der französische Dokumentarfilmer Luc Jacquet im letzten Jahr eindrücklich belegt mit seiner „Reise der Pinguine”.
Immer gewandter bewegt sich inzwischen aber auch der Mensch in polaren Regionen. „Es gibt über keinen Kontinent spannendere Reiseberichte als über die Antarktis”, sagt sogar Reinhold Messner, der eigentlich dem Himalaya stärker zugetan ist. Allerdings sind am Südpol kaum mehr Pionierleistungen zu vollbringen: 20 000 Touristen landen mittlerweile jedes Jahr in der Antarktis an, und Pinguine anzuschauen gehört zu den Attraktionen einer solchen Reise. Das Umweltbundesamt hat inzwischen die Deutsche Gesellschaft für Polarforschung beauftragt herauszufinden, wie sich dieser Besucheransturm auswirkt auf das Verhalten der Pinguine und Robben.
Das starke Interesse am ewigen Eis zeigt sich überdies auch auf dem Buchmarkt: Eine Vielzahl von Bildbänden, Expeditionsberichten und Abenteuerreportagen über die Arktis und noch häufiger über die Antarktis sind in den vergangenen Monaten erschienen. In ihnen werden zwei sehr unterschiedliche Welten verkauft. Fotobände wie „Antarktis. Von Kap Hoorn ins ewige Eis” von Achim und Renate Kostrzewa, erschienen im Bucher Verlag in der Reihe „Die letzten Paradiese der Erde”, zeigen possierliche Pinguine in allen Lebenslagen, dazwischen drollige Robben und überhaupt viel intakte Natur bei besten Lichtverhältnissen. Die Polregion wirkt keineswegs lebensfeindlich auf diesen Bildern, sie wird domestiziert, und der Pinguin verkommt zu einer Art Haustier, nicht nur in Hollywood. Die Reise an den Südpol erscheint demnach als logische Alternative für all diejenigen, die Island schon kennen.
Ganz anders stehen die Dinge in der Heldenliteratur, die es ebenfalls zuhauf gibt. Dort ist die Antarktis der letzte große Abenteuerspielplatz für allerlei Draufgänger. Die realen Gefahren werden in diesen Berichten noch einmal sensationalisiert, um auch gewiss monströs genug zu wirken. So trägt das Boot, in dem David Mercy zusammen mit seinen Kumpels Jarle und Manuel „eine ungemütliche Reise in die Antarktis” (so der Untertitel des Buches) unternommen hat, natürlich einen schön brachialen Namen: Berserk. Man muss dafür kein Norwegisch verstehen. „Berserk” heißt denn auch Mercys Sensationsgeschichte, die mit dem Satz „Das ist doch Selbstmord!” beginnt. Manuel brüllt ihn, „außer sich”, wie Mercy zu berichten weiß. Aber Manuel ist ja auch „das Blumenkind”.
Nicht minder testosteronhaltig und egozentrisch liest sich Roff Smiths „Welt aus Eis”. Zugunsten der Abenteurerei hat Smith seinen Beruf als Journalist längst aufgegeben, was für die Zunft ein überschaubarer Verlust ist. Um wie viel spannender als die sensationsheischende Großmäuligkeit eines Roff Smith ein tatsächlicher journalistischer Bericht sein kann, der nicht die Person des Autors in den Mittelpunkt stellt, führen der Fotograf Ingo Arndt und der Wissenschaftsjournalist Peter Lieckfeld vor: Sie waren an Bord der Polarstern, als diese sich vor einem reichlichen Jahr an eine Eisscholle andockte und deren Besatzung dann mehrere Wochen forschte, während sie sich von der Scholle treiben ließ. Arndt und Lieckfeld übersetzen in ihrem „Logbuch Polarstern” für ein interessiertes Laienpublikum, was vor sich ging auf dem Schiff und der Scholle. Behutsam machen sie sich vertraut mit der Wissenschaft und mit der Antarktis, sie werden aber nie zu Handelnden, sondern bleiben immer in ihrer Beobachterrolle. Zwei weitere Beispiele für solch eine aufgeschlossene und ernsthafte Art, sich einer Polregion zu nähern, sind Arved Fuchs’ „Nordwestpassage - Der Mythos eines Seeweges” und Hauke Trinks’ „Spitzbergen-Experiment” von 2004, das nun als Taschenbuch erschienen ist. Bezeichnenderweise sind beide in der Arktis angesiedelt, wo der Trubel längst nicht so groß zu sein scheint wie am Südpol.
Eine Besonderheit unter den Selbsterfahrungs-Büchern ist Jill Fredstons „Eisfahrt”. Fredston rudert, vornehmlich in arktischen Breiten. 32 000 Kilometer ist sie schon gepaddelt, den Yukon hinunter, die Küsten von Alaska und Grönland entlang. Für die Zivilisation verloren war sie wohl schon als Jugendliche, nachdem sie bei einer Rudertour von einem Schwertwal mit Wasser aus dessen Atemloch bespritzt wurde - ein Geruch, den man so schnell nicht mehr loswird. Jill Fredston erzählt unaufgeregt und ohne esoterischen Messianismus vom Rudern als Lebenseinstellung und der Faszination der kargen nördlichen Natur. Anders als die vielen Berserker ist Fredston offenbar ganz bei Sinnen, wenn sie sich dem Pol nähert.
STEFAN FISCHER
JILL FREDSTON: Eisfahrt. Rudern in arktischen Breiten. Delius Klasing Verlag, Bielefeld 2005. 278 Seiten, 16 Abbildungen, 19,90 Euro.
ROFF SMITH: Welt aus Eis. Reisen zu den Wundern der Antarktis. National Geographic/Frederking & Thaler, München 2005. 320 Seiten, 11 Euro.
ACHIM und RENATE KOSTRZEWA: Antarktis. Von Kap Hoorn ins ewige Eis. Bucher Verlag, München 2006. 288 Seiten, 350 Abbildungen, 29,90 Euro.
ARVED FUCHS: Nordwestpassage - Der Mythos eines Seeweges. Delius Klasing Verlag, Bielefeld 2005. 240 Seiten, 189 Abbildungen, 26 Euro.
HAUKE TRINKS: Das Spitzbergen-Experiment. Ein Forscher, eine Frau und die Theorie vom Ursprung des Lebens. National Geographic/Frederking & Thaler, München 2005. 264 Seiten, 11 Euro.
DAVID MERCY: Berserk. Eine ungemütliche Reise in die Antarktis. Marebuchverlag, Hamburg 2005. 298 Seiten, 19,90 Euro.
INGO ARNDTF und CLAUS-PETER LIECKFELD: Logbuch Polarstern. Expedition ins antarktische Packeis. Geo/Frederking & Thaler, München 2005. 200 Seiten, 132 Abbildungen, 39,90 Euro.
20 000 Touristen besuchen jedes Jahr die Antarktis. Ein beliebtes Ziel ist Petermann Islands.
Foto: Kostrzewa
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Spröden Charme bescheinigt Rezensent "sg" diesem Buch über die Selbstfindungsreise dreier Männer auf einer Yacht durch die Antarktis. Quelle dieses Charmes ist ihm zufolge im Wesentlichen die "Inszenierung drastischer Kontraste", zum Beispiel Not und Befreiung. Gelungen findet der Rezensent auch die Schilderung der Beziehungen zwischen den Teilnehmern dieser Extremtour. Beeindruckt zeigt er sich in diesem Zusammenhang besonders von der "schwarzhumorigen" Schonungslosigkeit, mit der über das Zusammenleben auf engstem Raum berichtet wird. Mit Irritation nimmt "sg" jedoch die unerwartete Hinwendung zur Religion zur Kenntnis, mit der die drei Segler am Ende ihrer Reise auf die "materielle Verlusterfahrung" ihrer Zivilisationsflucht reagieren.

© Perlentaucher Medien GmbH