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Paul Morand ist eine der schillerndsten Gestalten Frankreichs: als Diplomat und Kosmopolit zählt er zu den größten Schriftstellern des 20. Jahrhunderts; er liebte Männer, Frauen und schnelle Autos, heiratete eine rumänische Prinzessin und lebte in den besten Hotels von Paris, London und Madrid. Paul Morand genoss sein rauschhaftes Leben im Luxus in vollen Zügen, das größte Glück jedoch fand er stets im Meer. Er war ein notorischer Schwimmer, den es sein Leben lang zu jeder Jahreszeit an die Küsten zog. Doch die Aufzeichnungen seiner Schwimmerlebnisse sind weit mehr als Zeugnis einer…mehr

Produktbeschreibung
Paul Morand ist eine der schillerndsten Gestalten Frankreichs: als Diplomat und Kosmopolit zählt er zu den größten Schriftstellern des 20. Jahrhunderts; er liebte Männer, Frauen und schnelle Autos, heiratete eine rumänische Prinzessin und lebte in den besten Hotels von Paris, London und Madrid. Paul Morand genoss sein rauschhaftes Leben im Luxus in vollen Zügen, das größte Glück jedoch fand er stets im Meer. Er war ein notorischer Schwimmer, den es sein Leben lang zu jeder Jahreszeit an die Küsten zog. Doch die Aufzeichnungen seiner Schwimmerlebnisse sind weit mehr als Zeugnis einer Leidenschaft; sie sind das Porträt einer versunkenen Welt, die der schreiblustige Lebemann vom Meer aus gesehen verewigt hat. Morand in seinen eigenen Worten: "Als auf schuldig bekennender Hedonist und allzu sehr darauf bedacht, sich allein vom Geschehen wiegen zu lassen, wird der Autor schreiben, wie er gelebt hat: rücklings auf den Wellen treibend, keine andere Methode als die seiner Laune kennend auf der beschwerlichen Stiege hinab zur verlorenen Zeit. Nur das Meer und die Lust, wie ein Senkblei ins Wasser zu tauchen, halten seine Rede zusammen; er wird sich seiner vagabundierenden Feder wie der Fisch der Strömung überlassen."
Autorenporträt
Paul Morand wurde 1888 in Paris geboren und ist Hauptvertreter der "diplomates-écrivains", jener Generation von Schriftstellern und Diplomaten, die eine kosmopolitische Note in die französische Literatur brachten. Er verfasste mehr als 40 Bücher, darunter den Roman "Nachtbetrieb" (Kellner). Während des Zweiten Weltkriegs war er für das Vichy-Regime tätig; 1968 wurde er in die Académie francaise aufgenommen. Er starb 1976 in Paris.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 26.08.2005

Wasserschlucken und Durchatmen
Paul Morand beschreibt Baden als literarische Daseinsform

Manche Autoren erklären im Alter rückblickend gern, welche literarischen Strömungen sie durchgemacht, welche Landschaften sie durchwandert, welche politischen Ereignisse sie geprägt haben. Paul Morand erzählte im Alter von zweiundsiebzig Jahren lieber, in welchen Wassern er geschwommen ist. Politisch war seine Karriere ohnehin nicht famos: mondäne Ästheten-Existenz in der Zwischenkriegszeit, dann Diplomatendienst fürs Vichy-Regime, schließlich vereinsamendes Nörglertum bis zum Tod 1976. Blieb also die aquatische Küstenerinnerung - Algarve, Costa del Sol, Liparische Inseln, Dalmatien, Hoek van Holland, Cornwall, Azoren - eines "notorischen Schwimmers", der offenbar auch noch im Alter schneller die Badehose geschürzt als die Krawatte geknüpft hatte.

Diese 1960 erstmals erschienenen Aufzeichnungen spiegeln den etwas müde gewordenen Witz eines literarischen Causeurs. In manchen seiner Romane und Essays der Zwischenkriegszeit traf der Vielschreiber Morand mit prägnanten Formulierungen Züge der heraufziehenden Individualgesellschaft. Marcel Proust begrüßte ihn 1920 in einem - dieser Ausgabe nachgestellten - Text als eines der verheißungsvollen Talente der französischen Literatur. In den hier veröffentlichten Aufzeichnungen wollte der Autor hingegen nur noch "mit Sand spielen", wie Kinder am Strand es tun und alte Männer mit der Sanduhr in der Hand. Morand wußte, daß er zu spät kam, daß sein formbewußter Weltbürgerindividualismus längst vom Massentourismus eingeholt war. Fortan müsse man, notiert er nüchtern, "früh im Jahr das Meer verlassen und erst bei Herannahen des Winters zurückkehren, wenn man die Einsamkeit sucht". Daß die Balearen, die er noch 1919 über Nacht in einer der beiden "Don Jaime" inmitten von Rindern und Hühnerkäfigen erreichte, von den Wochenendfliegern von überall her überflutet werden, registriert er ohne Nostalgie oder Sarkasmus. Dem Landeanflug auf Palmas kann er sogar etwas "Wunderbares" abgewinnen. Vielleicht wirken deshalb diese Aufzeichnungen über das schlickige Wasser bei Cadix, die gefährliche Springflut bei Tanger, die Klippenenge bei Bonifacio oft etwas matt. Es fehlt ihnen die bittere Bosheit des "Journal inutile", des postum erst vor kurzem publizierten Tagebuchs aus den späteren Jahren.

Der "auf schuldig bekennende Hedonist" Paul Morand erscheint hier als eine Mischfigur zwischen Lord Byron, dem "neuen Leander", der "alleine bis zu drei Meilen weit hinausschwimmt, dort im Wasser speist und seine Zigarre raucht", und Victor Hugo, der das Meer nur vom Ufer aus sah und mit seinem Genie im Roman "Die Arbeiter des Meeres" doch "über alles erhaben war".

Um zwischen Land- und Seeblick zu vermitteln, schwimmt der Autor dieser Aufzeichnungen in allen Schwimmarten und liefert obendrein auch gleich eine kleine Stilgeschichte des Schwimmens mit, die vom "overarmstroke" und "trudgeon" bis zum "crawl" reicht. Die griechische und römische Antike hat die Badekultur sehr weit getrieben, während das Mittelalter nur noch ungern ins Wasser stieg. Daß man in England aber erst ab 1736 - zunächst warm, dann auch kalt - gebadet habe und daß Königin Hortense de Beauharnais 1813 beim Baden im Ärmelkanal gesehen worden sei, erfahren wir nebst zahllosen anderen Anekdoten nur aus den freien Assoziationsströmungen dieses Texts. Dabei fällt auf, was uns zuvor so klar noch nie war: wie viele entscheidende Szenen in Morands eigenem Roman- und Erzählwerk im Wasser stattfinden. Der Autor erfindet hier tatsächlich ein neues Genre, das der Übersetzer im Vorwort die "maritime Autobiographie" nennt, und es paßt vorzüglich ins originelle Programm einer Mare-Bibliothek.

JOSEPH HANIMANN

Paul Morand: "Aufzeichnungen eines notorischen Schwimmers". Mit einem Nachwort von Marcel Proust. Aus dem Französischen übersetzt und mit einem Vorwort von Jürgen Ritte. Mare-Buchverlag, Hamburg 2005. 191 S., geb., 18,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 10.05.2005

Traumwellenreiter
Wer allen anderen voranschwimmen möchte, darf sich über Nachahmer nicht wundern: Paul Morands Strandleben
Der Speisesaal des Hotels ist wegen des grellen Sonnenlichtes und der nachmittäglichen Hitze mit Vorhängen halb verdunkelt. Aber durch die Zwischenräume sieht man das Meer und die Mittelallee, die vom Strand heraufführt. Und auf ihr sieht man einen schlanken, jungen Mann, dessen Kleidung so leicht ist und von so weichem, fast weißem Stoff, dass man kaum glauben mag, so etwas könne ein Mann tragen. Beim Näherkommen zeigt sich, dass seine Augen, aus denen gelegentlich ein Monokel gleitet, das vor ihm herzuflattern scheint wie ein Schmetterling, die Farbe des Meeres haben. Es tritt auf: der für seine Eleganz berühmte Marquis de Saint-Loup-en-Bray.
In Passagen wie dieser wird Marcel Prousts Roman „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit” zur Muschel. Nicht nur das Meeresrauschen, der gesamte Mikrokosmos des Strandlebens im imaginären, Cabourg nachempfundenen Seebad Balbec an der französischen Normandie-Küste ist darin eingefangen: die Überblendung der Schönheiten aus Antike und Renaissance und der übermütigen jungen Mädchen, die über die Köpfe der Alten hinwegspringen, ebenso wie die für das Strandleben charakteristische leichte Verschiebung der sozialen Verhältnisse, die den Glanz falscher, künstlicher Größe begünstigt. Die Welt der „Recherche” ist eine bipolare Welt, in der Balbec als Zentrum der erträumten und erinnerten Reiseziele wie Venedig oder Delft der Metropole Paris ebenbürtig gegenübersteht.
Der französische Schriftsteller und Diplomat Paul Morand (1888 bis 1976), der auf seine Aufnahme in die Académie francaise lange, bis zum Tod de Gaulles warten musste, weil er der Vichy-Regierung gedient hatte, wollte sich zeitlebens an das mondäne Personal des 15 Jahre älteren Marcel Proust anschmiegen. Von Beginn seiner literarischen Karriere an zollte er der Entdeckung des Strandes in der modernen europäischen Kunst und Literatur, die in den Bildern der Impressionisten und in Prousts Roman einen ihrer Höhepunkte erreichte, Tribut. An der im Frankreich der zwanziger Jahre hochschäumenden Welle von Romanen und Novellen, in denen Paare am Strand liegen und sich beim Schwimmen und Tauchen näher kommen, hat er sich weidlich beteiligt.
Jetzt ist sein spätes Buch „Bains de Mer, bains de Rêve ” (1960) unter dem etwas resoluteren Titel „Aufzeichnungen eines notorischen Schwimmers” ins Deutsche übersetzt worden. Das Adjektiv „notorisch”, das sehr häufig in Begleitung von Schwindlern, Lügnern und anderen Luftikussen auftaucht, passt nicht schlecht zu Paul Morand, dem das Renommieren und Aufschneiden nicht fremd war. Und es passt auch zu dem Vorwitz, der dem Buch des gut Siebzigjährigen hier als „Nachwort” die Vorbemerkung zugesellt hat, die im Jahre 1920 Marcel Proust zu Morands Novellenband „Tendres Stocks” beigesteuert hat. Es ist ein Vorwort des Typs „bei Gelegenheit von”, in dem Proust das Problem des Stils eher im Rückgriff auf Anatole France, Renan, Baudelaire und Flaubert erörtert als im Blick auf den „zweifellos einzigartigen” Stil Paul Morands.
Daran, dass dieser ein notorischer Schwimmer war, lässt sein Alterswerk keinen Zweifel. Es rekapituliert die Jugend einer Wasserratte im Zeitalter des Aufschwungs der Seebäder, würdigt den Siegeszug des angelsächsischen „Crawlens” seit 1918. lässt wie ein Reiseführer die - vor allem mediterranen - Badeorte Revue passieren, in denen der Autor mit dem Auto oder der Yacht zu Besuch war. Den Reminiszenzen und verblichenen Geheimtipps, bei denen das Mutterland des modernen Strandlebens, England, eher schlecht wegkommt (und Cornwall grotesk unterschätzt wird), sind Prospekte zu einer Kultur- und Sittengeschichte von Strand und Meer seit der Antike beigegeben.
Doch stammt vieles davon erkennbar aus zweiter Hand, und auch Gegenstände, die den Ehrgeiz des Essayisten herausfordern müssten wie das Bild des Badeortes Etretat bei Maupassant und in der französischen Malerei, werden eher zerstreut verplaudert. Dass jemand, der an leeren Stränden zum Schwimmer wurde, mit Verachtung auf den modernen Massentourismus blickt, zu dessen Pionieren er gehörte, versteht sich von selbst. Für das konventionelle Lamento des bekennenden Liebhabers der (eigenen), selbstverständlich aus Griechenland stammenden Nacktheit angesichts des FKK-Zeitalters entschädigen freilich Passagen, die den Physiognomiker von Strand und Meer erahnen lassen, der dem Schwadroneur in diesem Buch meist den Vortritt lassen muss. So der Blick auf die baskische Schieferküste, die „aufgeblättert” daliegt wie ein Buch, „zwischen dessen Seiten das Meer wie ein gieriger Leser fährt”.
Einmal, in der ebenso einseitigen wie für ihren Autor charakteristischen Gegenüberstellung von Meer und Gebirge, wird greifbar, was dieser mondäne Schwimmer vor allem suchte: das Paradox des verlässlich Unkonventionellen, der schwerelosen ästhetischen Existenz, der ewigen Jugend eines nie alternden Saint-Loup: „Die Berge sind wie Wellen, aber sie brechen nicht; sie sind starr wie Konventionen; sie weisen uns unablässig auf ihr hohes Alter hin. Das Meer hat kein Alter; es wirft Falten, um sie im nächsten Augenblick zu verlieren; es ist turbulent wie die Kinder: stets in Bewegung und doch ziellos; seine Wellen verausgaben sich und zerschellen in reiner Nutzlosigkeit, sie türmen sich auf und stürzen ins tosende Nichts; sie sind schon lebhafte Gesellinnen, diese bezaubernden, trunkenen Geschöpfe, die uns ihr Glas ins Gesicht kippen und zusammenhangloses Zeug plappern. das Gebirge hingegen, mit seiner Schnappschussmajestät eines erstarrten Meeres, zeigt uns ein hölzernes Gesicht.”
Paul Morand
Aufzeichnungen eines notorischen Schwimmers
Mit einem Nachwort von Marcel Proust. Aus dem Französischen von Jürgen Ritte. Marebuchverlag, Hamburg 2005. 192 Seiten, 18 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension

Rezensent Thomas Laux zeigt sich gleichermaßen vom bekennenden Hedonisten Paul Morand wie von seinem Buch fasziniert. Als "Phänomenologie des Ufers" beschreibt Laux die Reise-Aufzeichnungen Morands, in denen sowohl die noch idyllischen Strände der sechziger Jahre vors Auge geführt würden, als auch die schriftstellernden Schwimmer der Literaturgeschichte. "Intertextuell" sei Morands Erzählweise, aber "unterhaltsam". Auch fehle es dem Mann nicht an ironischer Distanz, so Laux, wenn er schonungslos von seinen Versuchen erzähle, diverse Schwimmstile durchzuexerzieren. Nur die zum Glück sehr knapp gehaltene Frage nach den psychologischen Untergründen der Meeressucht sind dem Rezensenten dann doch zu "verschwurbelt".

© Perlentaucher Medien GmbH