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Frauen aus aller Welt putzen Wohnungen in Deutschland. Dadurch entstehen neue gesellschaftliche Strukturen von Über- und Unterordnung, auch weil in diesen privaten Haushalten qualitativ sehr unterschiedliche Bedarfslagen aufeinander treffen.
Viele Frauen verlassen ihre Heimat, um in Deutschland Geld zu verdienen. Oft finden sie auch bei guter Qualifikation nur im Haushalt Verdienstmöglichkeiten. Maria S. Rerrich führte in Hamburg und München Interviews mit diesen cosmobilen Putzfrauen. Sie sprach auch mit Arbeitgeberinnen und einschlägig arbeitenden Experten aus der Verwaltung, Politik und…mehr

Produktbeschreibung
Frauen aus aller Welt putzen Wohnungen in Deutschland. Dadurch entstehen neue gesellschaftliche Strukturen von Über- und Unterordnung, auch weil in diesen privaten Haushalten qualitativ sehr unterschiedliche Bedarfslagen aufeinander treffen.

Viele Frauen verlassen ihre Heimat, um in Deutschland Geld zu verdienen. Oft finden sie auch bei guter Qualifikation nur im Haushalt Verdienstmöglichkeiten. Maria S. Rerrich führte in Hamburg und München Interviews mit diesen cosmobilen Putzfrauen. Sie sprach auch mit Arbeitgeberinnen und einschlägig arbeitenden Experten aus der Verwaltung, Politik und Sozialen Arbeit und ermöglicht einen Einblick in die Lebensführung der zum Teil illegal in Deutschland lebenden Frauen. Sie fragt, wie ihre sozialen Netzwerke funktionieren, wie sie wohnen und ihre Freizeit verbringen, was sie tun, wenn sie krank sind.

Zudem nimmt sie die noch immer weit verbreitete Alltagsvergessenheit von Männern in den Blick und untersucht, warum die Beschäftigung von Putzfrauen inzwischen auch in den gesellschaftlichen Gruppen üblich ist, die einmal eine radikal andere Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern auf ihre politische wie private Tagesordnung gesetzt haben.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Autorenporträt
Maria Rerrich, Dr. rer. pol., ist Professorin für Soziologie am Fachbereich für angewandte Sozialwissenschaften der Hochschule München und Co-Leiterin des Forschungsprojekts »Care aus der Haushaltsperspektive« im Rahmen des Bayerischen Forschungsverbunds For Gender Care (www.forgendercare.de)
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 04.10.2006

Wer sind die unsichtbaren Geister?
Die Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern ist gescheitert: Maria S. Rerrich stellt die Dienstbotenfrage des 21. Jahrhunderts / Von Johan Schloemann
Wir schauen nicht gern hin. Unser Leben und Arbeiten hinterlässt Spuren in den Räumen, in denen wir es angestrengt verrichten oder auch entspannt laufen lassen. Und kaum hat man ein bisschen gearbeitet oder gelebt, da sind sie auch schon wieder da, die munteren Wollmäuse auf dem Fußboden und die Staubkörner, die im Gegenlicht tanzen und sich auf unseren Sachen zur Ruhe legen. Aber mit der Beseitigung dieser Spuren, mit der Entfernung unseres Drecks also, verhält es sich etwa so wie mit der Fleischverarbeitung: Wenn wir sie schon als sogenannte Dienstleistung – dies ist ein Wort, das ganze Epochen und ihre Haltungen in sich vereint, nämlich eine willfährige Abhängigkeit einerseits und ein Vertragsverhältnis im Geiste des nüchternen Geschäftsverkehrs andererseits –, wenn wir sie also schon als Dienstleistung an andere abgegeben haben: dann soll diese Arbeit möglichst unsichtbar bleiben.
So gehen unzählige Büroangestellte an jedem neuen Morgen in ihr Reich der Zwecke, um es wie von Heinzelmännchen frisch instand gesetzt zu sehen. Gerade erst haben die Reinigungskräfte, deren Anfahrt bereits Stunden zurückliegt, den letzten Wisch gemacht, man riecht es, und wer sie noch abrücken sieht, ist irgendwie froh, dass sie jetzt weg sind. So geht es auch denjenigen, die zu Hause putzen lassen: Wenn sie nicht alt, gebrechlich, einsam sind und deshalb nicht bloß für Hilfe, sondern auch für jede Zuwendung dankbar, wenn sie vielmehr Entlastung von ihrer zeitraubenden Beschäftigung suchen, dann finden sie es für gewöhnlich am angenehmsten, ihr Personal gar nicht zu treffen. Was zählt, ist das Geld, das man, vielleicht mit einem instruierenden Zettel, hingelegt hat, und das hygienische Ergebnis.
Und auch den Frauen, die den Dienst leisten – und es sind Frauen –, ist dies Arrangement in der Regel ganz recht. Gibt es ihnen doch in ihrem gleichfalls gehetzten Tag Gelegenheit, ihr Pensum ohne Behelligung zu bewältigen und dies zwischendurch mit ein wenig Selbstsein zu verbinden. Das belegt die Geschichte von Jola, der polnischen Putzfrau: Der Akademiker, der sie beauftragt hatte, kam einmal an einem Sommertag früher als üblich heim; er vernahm aus seiner Wohnung laute Musik, sah die Vorhänge zugezogen und drinnen dann seine Putzfrau, mit dem Staubsauger hantierend, nackt bis auf die Unterhose. Sie hatte ihn nicht bemerkt; wenn es heiß sei, sagte Jola, putze sie immer unbekleidet.
Es gab einmal
ein großes Versprechen
der Moderne
Die Münchner Soziologin Maria S. Rerrich hat sich vorgenommen, was Aufgabe der Soziologie ist, das Hinschauen. Sie will mit einem Buch, das Feldstudie und Appell in einem ist, den Blick auf eine neue „weltweite, von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkte Frauen-Bewegung” richten. „Der Arbeitsmarkt Privathaushalt ist ein riesiger, komplex strukturierter Weltmarkt geworden”, schreibt sie, „und wer mit offenen Augen durch die Welt fährt, wird die . . . Frauen, die in den privaten Haushalten arbeiten, an vielen Orten und auf allen Kontinenten antreffen. Denn so gut wie überall kann man inzwischen Haushaltshilfen aus der ganzen Welt bei der Arbeit im Haus entdecken – immer vorausgesetzt, man will sie wirklich wahrnehmen.”
Diese Wahrnehmung wird in Rerrichs Buch „Die ganze Welt zu Hause” beispielhaft den Frauen gewidmet, die Deutschland sauber machen. Das sind mit wenigen Ausnahmen Frauen aus anderen Ländern, wie Polen oder Ecuador, und viele von ihnen bewegen sich in einem „doppelten Niemandsland”, weil sie, wie immer noch fast alle Putzfrauen in privaten Haushalten, „schwarz” angestellt sind, und weil sie zudem keinen legalen Aufenthaltsstatus haben.
Die Autorin scheut sich nicht, im Gebiet ihrer oft nur scheinbar objektiven Wissenschaft ihre eigenen Erfahrungen offen beizubringen. Zum einen hat sie „ihr Leben selbst einmal als Illegale begonnen”, denn mit vier Jahren floh sie mit gefälschten Papieren, von Mutter und Schwester begleitet, vor dem sowjetischen Einmarsch in Ungarn, der sich in diesem Herbst zum fünfzigsten Mal jährt. Zum anderen hat Rerrichs Werdegang es mit sich gebracht, dass auch sie Putzhilfe von ausländischen Frauen in Anspruch genommen hat. Eigentlich war sie in den siebziger Jahren „in meiner Wohngemeinschaft noch in den Kampf gezogen, um die Gleichverteilung der Hausarbeit durchzusetzen”.
Doch dann begann das Arbeitsleben, die Älteren in der Familie brauchten Unterstützung, ihr Mann pendelte und kam nur am Wochenende nach Hause, und sie wohnte „längst nicht mehr in einem mal eben schnell durchgesaugten Zimmer in einer Wohngemeinschaft, sondern in einer großzügigen Altbauwohnung mit Parkettfußboden und zehn Sprossen-Doppelfenstern”. Die Überlegung wurde unausweichlich: „Sollten wir unsere knappe freie Zeit mit Putzen verbringen? Wir arbeiteten ohnehin schon mehr, als uns gut tat, außerdem kümmerten wir uns auch noch um Großmutter und Schwiegermutter, und ausreichend Geld hatten wir inzwischen auch.”
Den beiden biographischen Auskünften entsprechen die zwei Hauptthemen des Buches. Das erste lautet: Wer sind eigentlich diese unsichtbaren Geister? Wie leben sie, warum kommen sie nach Deutschland, welche neuen Formen der internationalen Pendelei finden sie, wie kommen sie mit der ständigen Vorläufigkeit ihres Lebens klar? So interessant und oft berührend diese Auskünfte sind, manchem mag es damit gehen wie mit einer suggestiv personalisierten Sozialreportage – kurz und heftig ist die Dosis der Betroffenheit, doch rasch lässt die Wirkung nach. Ja, viel Elend gibt es, aber jeder hat sein Kreuz zu tragen; auch die Mitleidszuteilung haben wir nach dem Prinzip der Arbeitsteilung organisiert, es geht ja nicht anders.
Dabei bleibt es jedoch nicht. Zweitens nämlich stellt sich heraus, dass die Frage nach den Putzfrauen auch die nach dem Verhältnis von Mann und Frau ist, eine Geschlechterfrage innerhalb von Beziehungen und zugleich außerhalb, im Zuge einer neuen globalen Menschenbewegung. Eine Frage mithin, die das ganze Gefüge von Leben und Arbeit in den westlichen Ländern betrifft.
Es gab einmal ein großes Versprechen der Moderne. Ein Versprechen, mit dem Sozialismus und Kapitalismus gleichermaßen lockten. Technische Neuerungen, hieß es, würden den Menschen von der knechtenden Herrschaft der Dinge, von der Anstrengung der Arbeit mit bloßen Händen befreien. Emanzipation durch Automatisierung, dieses Loblied sangen sowjetischer Fabrikoptimismus und adrett ondulierte Hausfrauen in amerikanischen Küchen, fröhliche Freundinnen ihrer Apparate, im Gleichklang. Und natürlich ist nicht zu unterschätzen, was die Ausschöpfung der Elektrizität alles verändert hat. Anfang der sechziger Jahre noch hatte nur jeder zweite Haushalt in Westdeutschland einen Kühlschrank, nur jeder zehnte eine Waschmaschine. Mit dem Fortschritt der Maschinisierung verband sich der Ruf nach und das Versprechen der Befreiung der Frau.
Die Bilanz, die man jetzt zieht, ist nicht sehr günstig, besonders in den privaten Verhältnissen. Das bisschen Haushalt hat nicht weniger werden wollen. „Die Maschine”, schreibt Rerrich, „läuft und läuft und läuft, vielfach jeden Tag. Aber wer schaltet sie an, wer hängt die Wäsche auf, wer bügelt sie?” Gleichzeitig mit der Armee der Apparate sind auch die Ansprüche an Komfort und Einrichtung gewachsen.
Der Raum für den
Dreck ist ungekannt
groß geworden
Das Wohlstandsversprechen war für die Folgen seines Erfolgs nicht ausgelegt: Es wohnen keine Großfamilien mehr zusammen, und keineswegs nur hedonistische oder reproduktionsvergessliche Singles, sondern auch viele ältere Alleinstehende und Alleinerziehende haben ihren eigenen Haushalt. Zugleich ist der Raum für den Dreck ungekannt groß geworden: Im Jahr 1950 hatte in Westdeutschland der Einzelne 15 Quadratmeter Wohnfläche zur Verfügung, im Jahr 2002 waren es 43 Quadratmeter. Und alle reformerischen Ideen, den Einzelhaushalt von den in jeder Wohnung einzeln verrichteten Arbeiten zu entlasten und diese zu kollektivieren, sind am Wunsch nach Privatheit, an der Verschiedenheit der Menschen gescheitert.
Doch erst, wenn man auf die unsichtbaren Putzfrauen blickt, auf ihr Schicksal als Gruppe, wie es dieses Buch tut, versteht man, wie umfassend der doppelte Bruch jenes Modernitätsversprechens wirklich ist. Denn nicht bloß muss immer noch mit den Händen angepackt werden: Zahlen, die wegen der Seklusion des Privaten und wegen der Schwarzarbeit notwendig Schätzungen bleiben müssen, sprechen von vier Millionen Haushalten in Deutschland, die regelmäßig oder gelegentlich eine Putzhilfe engagieren. Nein, hinzu kommt die entscheidende Tatsache: Es sind stets Frauen, die für uns putzen. Im dem Maße, in dem die deutschen Frauen mehr Wohlstand erreicht haben und berufstätig geworden sind, springen – trotz allen Wünschen und allem guten Willen – nicht etwa die Männer ein. „Die Dienstbereitschaft der (Haus-)Frauen, die jahrzehntelang so selbstverständlich umsonst zur Verfügung stand wie frische Luft, ist heute eine knapper werdende Ressource”, so Rerrich. „Die Lücke, die Frauen zu Hause hinterlassen, wird . . . eher durch ihre eigene Mehrarbeit am Feierabend und am Wochenende sowie durch die Arbeit anderer Frauen gefüllt.”
Das heißt: Gescheitert ist auch die Änderung der Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern. Moderne Paare nehmen sich eine rechtlose Putzfrau, um emanzipationsbedingte Konflikte innerhalb der Beziehung loszuwerden und zugleich nach außen ihre Modernität aufrechterhalten zu können. Man kann sagen: Das wahre Eva-Prinzip ist, dass immer Frauen die Arbeit machen, die im Alltag anfällt.
Das wahre Eva-Prinzip heißt:
Es sind immer die Frauen,
die die Arbeit machen
Das hat viele Gründe, die nicht gleich auf den Einzelnen hin moralisierbar sind – die ganze Organisation des Arbeitslebens und der Sozialordnung, Lohnschere und Steuersystem, fehlende Kinderbetreuung. Das Ergebnis jedenfalls ist eine neue Klasse, die aus dem gesellschaftlichen Leben mehr oder weniger ausgeschlossen ist. Die Frauen aus aller Herren Länder sind – wie Untersuchungen zur Migration beharrlich zeigen, was wir aber im alltäglichen Umgang beharrlich ausblenden – mehrheitlich nicht die Ärmsten der Armen in ihren Heimatländern. Es sind die couragierteren und qualifizierteren Frauen, die den Schritt in die Wohlstandsländer schaffen. Viele Putzfrauen haben eine Berufsausbildung oder Berufserfahrung; während deutsche Arbeitslose aus strukturellen Gründen meist nicht zum Putzen gebracht werden können, haben es frühere Lehrerinnen aus Polen oder Krankenschwestern aus Honduras für uns übernommen. Nicht selten aber schenken ihnen die Anstellenden wohlmeinend „Kleidung, die nicht nur sie nicht mehr haben wollen, sondern die auch in den Heimatländern niemand mehr tragen würde”. Die Putzfrauen nehmen all das auf sich, um ihren daheim gebliebenen Kindern eine bessere Ausbildung zu verschaffen oder auch ihren arbeitslosen Mann zu versorgen. Eine Polin, die hin- und herpendelt – man spricht schon von massenhafter „Transmigration” –, sagt: „Ich putze hier und kriege Geld, und dann fahre ich nach Hause und putze weiter, nur umsonst.” Inzwischen helfen Ukrainerinnen in den Haushalten der polnischen Putzfrauen aus, wenn diese in Deutschland sind.
Die Versorgungsfrage, derart globalisiert, wird sich mit der Alterung der Gesellschaft verschärfen. Für die aufgeklärten oberen und mittleren Schichten, die viel auf ihre Gleichberechtigung halten, wird sie – wenn sie hinsehen – zur schmerzlichen Wiederkehr der „Dienstbotenfrage”, welche die frühen Feministinnen im 19. Jahrhundert umtrieb. Lily Braun schrieb damals, Emanzipation mit gutem Gewissen sei nur möglich, „wenn die Dienstboten aus dem persönlichen Verhältnis zu ihrem Dienstherren heraustreten und sich der Stellung der Fabrikarbeiterin annähern”. Die Emanzipationsbewegung habe Sympathien gehabt, „solange die Arbeiterinnenbewegung sich außerhalb der eignen vier Wände abspielte”. Ganz ähnlich formuliert Maria Rerrich das heutige Dilemma – das einer geregelten Arbeitswelt und bürgerlichen Gesellschaft einerseits und jener Frauen andererseits, die „überflüssig und unentbehrlich zugleich” sind. Ein überreguliertes Land, das zwischen Wohlstand und Verunsicherung oszilliert, täte gut daran, ein wenig über dieses schmutzige Geheimnis nachzudenken.
Maria S. Rerrich
Die ganze Welt zu Hause.
Cosmobile Putzfrauen in
privaten Haushalten
Hamburger Edition, Hamburg 2006. 168 Seiten, 16 Euro.
Wenn es heiß sei, sagte Jola, dann putze sie immer unbekleidet.
Foto: Regina Schmeken
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 09.10.2006

Und wenn Sie bitte nachher auch noch dort ein wenig wischen könnten?
Putzen für die Reichen und beten für die Armen - beides bleibt Frauensache: Maria Rerrich folgt den Kolonnen cosmobiler Putzfrauen in die privaten Haushalte

Die Polin putzt, die Ukrainerin betreut die Kinder, die Frau aus Weißrußland kümmert sich um die Oma: In den reichen Ländern arbeiten Frauen sehr oft in einem rechtsfreien privaten Raum, dem Haushalt, in dem Männer fremde Wesen sind.

Es muß ungefähr 1997 gewesen sein. Mein Freund Gunio und ich zogen in eine Dreizimmerwohnung. Das war der erste ernste Schritt auf dem Weg in die geteilte Haushaltsführung. Als bedrohlich für unser Zusammenleben erwiesen sich Unordnung und Schmutz. Ungefähr ein Jahr lang hielten wir es mit den fast täglichen Streitereien über eine gerechte Verteilung der Haushaltsaufgaben aus, dann taten wir das bis dahin Undenkbare und engagierten eine Putzfrau - aus Polen.

Gunio kriegte nicht viel mit von Olga, deren Schwester schon seit einiger Zeit das Haus unserer Freunde versorgte, denn anders als ich arbeitete er mittlerweile in einem Büro. Wenn er nachmittags nach Hause kam, war äußerlich alles in bester Ordnung. Vor dem vereinbarten Putztermin hatte ich zwei Stunden die Wohnung aufgeräumt und das Geschirr gewaschen, mit dem kleinen Langenscheidt in der Hand versucht, Olga über unsere Sprachbarriere hinweg einen herzlichen Empfang zu bereiten, und in der Hoffnung, die dringlichsten Aufgaben würden ihr ins Auge fallen, die Flucht ergriffen.

Mit einem schlechten Gewissen - weil wir nicht miteinander warm geworden waren, weil ich drei Stunden spazieren-, einkaufen, Kaffee trinken ging, statt zu arbeiten, weil ich nicht selbst putzte. Die Gerechtigkeitsdebatte führten wir am Abend unter veränderten Vorzeichen fort: Sie zerfiel in einen weltpolitischen Teil, dessen Tragweite unsere moralischen Intuitionen ins Leere laufen ließ, und einen beziehungskritischen Teil, der sich darauf konzentrierte, mein Selbstbewußtsein als Arbeitgeberin zu stärken. Im Prinzip verständigten wir uns darauf, am Vorabend des Putztags gemeinsam aufzuräumen.

Für solche Diskussionen ist mit Haus und Kindern heute keine Zeit mehr. Ohne Babysitter (aus Sri Lanka und Puerto Rico) und Putzhilfe (aus Ex-Jugoslawien) wäre der Alltag nicht zu bewältigen. Gelesen wird nur noch, was praktischen Nutzen verspricht, wie etwa das am Hamburger Institut für Sozialforschung entstandene Buch "Die ganze Welt zu Hause".

Die Soziologin Maria Rerrich macht darin auf die Heerschar von Frauen aufmerksam, die meist illegal nach Deutschland kommt, um unsere Wohnungen zu putzen, unsere Kinder zu hüten und unsere Alten zu pflegen. Anders als den hilflosen Disputen, in denen wir früher den Zusammenhang zwischen globaler und häuslicher Gerechtigkeit zerfaserten, gelingt es Rerrichs Dokumentation, das Wohlstandsgefälle in der Welt und das Machtgefälle im Haus in einem paradoxen Bild der Weiblichkeit aufzufangen: dem der "cosmobilen Putzfrau".

Was ist die "cosmobile Putzfrau"? Sie stellt wie jedes andere Frauenbild eine Norm dar, zu der sich wirkliche Frauen in ein Verhältnis setzen können. Glaubt man den von Rerrich skizzierten Zusammenhängen, dann schrumpft mit fortschreitender Globalisierung die Freiheit, dies nicht zu tun. Urbild jener dynamisierten archaischen Figur ist die Mutter, die, weil ihr Mann arbeitslos ist, Heimat und Familie verläßt, um in der Fremde putzen zu gehen. Sie schickt einen Großteil ihres Verdienstes an die Familie zurück, die sie als illegale Migrantin oft über Jahre nicht sieht. Arbeitet sie nur ohne Genehmigung im Ausland, dann kann sie pendeln und wenigstens sporadisch in ihrem eigenen Haushalt nach dem Rechten sehen, das heißt unentgeltlich kochen und putzen, familiäre Krisen ausbügeln, ihre zukünftige Abwesenheit mit Hilfe anderer - verwandter oder wiederum angestellter - Frauen organisieren.

Angesichts der von Rerrich diagnostizierten Alltagsvergessenheit der Männer scheint es keine so große Rolle zu spielen, welche Stelle eine Frau in der "global care chain" einnimmt, jener "Kette größerer und kleinerer Kooperationsbeziehungen und Abhängigkeiten zwischen Frauen", die im Dienst der Fürsorge "manchmal den halben Globus" umspannt: Die in Deutschland putzende Polin läßt ihren Haushalt vielleicht von einer Ukrainerin besorgen, deren Lücke eine Weißrussin füllt, die Kinder der emigrierten Mexikanerin befinden sich in der Obhut von deren Mutter, Schwester, Cousine.

Mit ihrem als "Sehhilfe" gedachten schmalen Bändchen schreibt Rerrich ein Thema fort, das die amerikanische Soziologie recht gut erforscht hat. 1998 legte Rhacel Parreñas, die Tochter einer Arbeitsmigrantin aus den Philippinen, eine vergleichende Studie der Lebensbedingungen philippinischer Haushaltsarbeiterinnen in Italien und den Vereinigten Staaten vor. Parreñas' einflußreiche Darstellung der in keiner Gesellschaft mehr integrierten "Dienerinnen der Globalisierung" und ihrer "transnationalen Familien" macht deutlich, daß sich die Arbeitgeberinnen in den Industrienationen nicht umstandslos mit den "Gastarbeiterinnen" auf einen gemeinsamen Nenner bringen lassen: Die feministische Idee von der globalen Fürsorglichkeitskette ist zwar suggestiv, aber am Ende nicht schlüssig.

Denn während zur Zeit mehrere Millionen philippinischer Frauen in häuslichen Diensten weltweit unterwegs sind, wächst Rerrich zufolge fast ein Drittel aller philippinischen Kinder zumindest zeitweise ohne Mutter oder Vater auf. Zu den Schäden, die der Exodus weiblicher Arbeitskräfte verursacht, rechnet sie aber ebenso das, was sich aus Sicht der Herkunftsländer als Verlust, global gesehen als Verschwendung von Intelligenz und Fachwissen darstellt. Oft sind es die gebildeteren Frauen, die lieber im Ausland gut verdienen als in Ausübung eines angesehenen Berufes daheim in Armut leben wollen. Die Herkunftsländer scheinen aber den migrationsbedingten "brain drain" gerne in Kauf zu nehmen, wenn die Putzfrauengehälter wieder die eigenen Ökonomien bereichern. So erleichtert etwa die philippinische Regierung nicht nur den Rückfluß von Devisen, sondern wirbt offenbar auch indirekt für den illegalen Arbeitsplatz in Übersee.

Wenn vielleicht das Band der Fürsorge nicht ganz um den Globus reicht, läuft doch das Geschäft mit der Arbeit über alle Kontinente wie geschmiert. Der deutsche Staat, so Rerrichs Diagnose, ist keinen Deut weniger auf die heimlichen Dienste ausländischer Sorge- und Pflegekräfte angewiesen als die Staaten, aus denen diese anreisen. Was anderes als ein Rechenfehler könnte also die ehemalige Bundesregierung dazu bewogen haben, das "dirty little secret" des deutschen Wohlfahrtsstaates lüften zu wollen? Beim ersten Anzeichen von Widerstand aber kalkulierte sie neu und besann sich, schnell wieder den Teppich des Schweigens über die unsaubere Gemengelage aus häuslicher Versorgungslücke, bezahlbarer Schwarzarbeit und Xenophobie zu breiten.

Rerrich, die hier die Ergebnisse einer internationalen Diskussion auf bundesdeutsche Verhältnisse appliziert, zimmert gegen den gewaltigen Druck der globalisierten Wirtschaft nun an einem innenpolitischen Damm. Ihr Plädoyer, die "Sorge für die notwendigen Belange des täglichen Lebens" wieder zur gesellschaftlichen Aufgabe zu befördern, beinhaltet zweierlei: Angesichts der demographischen Entwicklung sollte ihres Erachtens auch der Staat ein Interesse daran haben, daß sich Männer und Frauen die Arbeit im Haushalt gerechter aufteilen. Mit dem Ziel, die "patriarchalen Webfehler" in der Struktur unseres Wohlfahrtsstaates - wie etwa Ehegattensplitting oder Halbtagsschule - zu korrigieren, ruft sie deshalb einerseits zu einer "Repolitisierung des Privaten" auf.

Bei der Hausarbeit, die nicht aus "Liebe", sondern gegen Geld verrichtet wird, fällt dann allerdings stärker ins Auge, daß der Politisierung zum anderen auch eine Verrechtlichung des Privaten folgen muß. Wer Schwarzarbeit im Haushalt - und sei es aus Solidarität mit den Migrantinnen - nicht möchte, muß sie verbieten. Die anschließende "Kriminalisierung der Betroffenen", gegen die sich Rerrich verwahrt, gehört zum Vater Rechtsstaat wie das Amen in die Kirche. Putzen für die Reichen und beten für die Armen bleibt Frauensache, die um so mehr hinter verschlossenen Türen stattfinden wird, je freizügiger man sie sich vorstellt.

BETTINA ENGELS

Maria S. Rerrich: "Die ganze Welt zu Hause". Cosmobile Putzfrauen in privaten Haushalten. Hamburger Edition, Hamburg 2006. 168 S., geb., 16,- [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Johan Schloemann stellt fest, dass Maria S. Rerrich mit ihrem Buch über Frauen aus aller Welt, die in privaten deutschen Haushalten putzen, dort genau hinsieht, wo man gemeinhin gern die Augen abwendet. Der Rezensent räumt ein, dass die "Betroffenheit", die die Fallschilderungen hervorruft, nur allzu schnell abstumpft. Die Autorin untersucht in ihrem zugleich "Feldstudie und Appell" darstellenden Buch die Bedingungen, unter denen Frauen in Privathaushalten putzen und kommt zu dem Schluss, dass die großen Versprechungen des 20. Jahrhunderts, die Befreiung des Menschen von körperlicher Arbeit und die gerechte Arbeitsteilung zwischen Mann und Frau, gleichermaßen gescheitert sind, erklärt der Rezensent. Denn die Putzhilfen sind fast ausnahmslos Frauen aus den verschiedensten Ländern, die zumeist 'schwarz' beschäftigt werden und die den arbeitenden Frauen hierzulande die ihnen nach wie vor allein zugedachte Arbeit abnehmen, entnimmt Schloemann der Lektüre. Ebenfalls erschüttert hat ihn die Tatsache, dass die in Deutschland putzenden Frauen nicht selten in ihren Heimatländern durchaus eine gute Ausbildung genossen haben und sich dennoch nicht zu fein für eine Arbeit sind, die von einheimischen Arbeitslosen häufig als entwürdigend empfunden wird.

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