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Ein Mann und seine Lebensgefährtin, beide beruflich erfolgreich und kinderlos, werden Opfer eines Autounfalls. Während sie im Koma liegt, wird ihr Begleiter schon nach wenigen Tagen aus dem Krankenhaus entlassen. Zurück im gemeinsamen Reihenhaus, versucht er, den genauen Unfallhergang zu rekonstruieren. Aber seine Anstrengungen läuft ins Leere, er kann sich an nichts Genaues erinnern. Ihm bleibt nur, nach Ankündigungen und Vorzeichen des Geschehenen zu suchen. Hatte sie nicht kurz vor dem Unfall ein Angebot von einer Firma in einer anderen Stadt erhalten? Wem gehörte die fremde Zahnpastatube,…mehr

Produktbeschreibung
Ein Mann und seine Lebensgefährtin, beide beruflich erfolgreich und kinderlos, werden Opfer eines Autounfalls. Während sie im Koma liegt, wird ihr Begleiter schon nach wenigen Tagen aus dem Krankenhaus entlassen. Zurück im gemeinsamen Reihenhaus, versucht er, den genauen Unfallhergang zu rekonstruieren. Aber seine Anstrengungen läuft ins Leere, er kann sich an nichts Genaues erinnern. Ihm bleibt nur, nach Ankündigungen und Vorzeichen des Geschehenen zu suchen. Hatte sie nicht kurz vor dem Unfall ein Angebot von einer Firma in einer anderen Stadt erhalten? Wem gehörte die fremde Zahnpastatube, die er am Abend vor dem Unfall im Badezimmer fand? Warum hatte er darauf bestanden, den Wagen zu fahren, obgleich er völlig übermüdet war? Sprachmächtig und mit verstörender Konsequenz beschreibt Christian Bernhardt eine namen- und ortlose Wirklichkeit, eine Transitlandschaft, die aus Autobahnen, Reihenhäusern und Bürostädten besteht. tagelang ist ein Roman über die Brüchigkeit der Realität und ihre Austauschbarkeit, über die Orientierungslosigkeit der Menschen in einer immer weiter vernetzten Welt, in der man sich seine Identität aus Marken zusammenkauft.
Autorenporträt
Christian Bernhardt, 1964 in Köln geboren, studierte Philosophie und Literaturwissenschaft. Einige Jahre arbeitete er als Aushilfskraft in einem Baumarkt und als Kellner in einer Gaststätte. Heute programmiert er hauptsächlich Internetseiten und arbeitet als freier Journalist und Drehbuchautor. Hobbys hat er keine.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.03.2004

Plots wie Produkte
Thesenlesen: Christian Bernhardts Debüt / Von Mark Siemons

Kein Ding, kein Ort, kein Vorgang wird hier beim Namen genannt. Das einzige, was sich über den unbestimmten Kosmos, der die Kulisse dieses Romans abgibt, erfahren läßt, ist, daß er funktioniert - auf eine unheimlich vorhersehbare, dabei fast schlafwandlerisch unbeteiligte, dem Nachdenken kaum noch faßliche Art funktioniert. Der Ich-Erzähler versucht sein Leben in diesem Kosmos zu rekonstruieren, nachdem doch einmal etwas nicht funktioniert hat: Sein Auto, gerade einmal zwei Wochen alt, "das aktuelle Modell der Serie", "schneller und irgendwie kompakter" als sein Vorgänger, war gegen alle Erwartung und aus ungeklärten Gründen in einer Kurve geradeaus gefahren, hatte sich mehrmals überschlagen, und nun liegt die Freundin des Fahrers seit zwei Wochen im Koma. Der Ich-Erzähler, schon wieder aus dem Krankenhaus entlassen, kann sich an den Hergang des Unfalls nicht erinnern, und so macht er sich an eine Anamnese der beiden letzten Tage und seiner gesamten Situation, um dem rätselhaften Verlassen der Fahrbahn auf die Spur zu kommen.

Dem Debüt von Christian Bernhardt, Jahrgang 1964, kann man eine bemerkenswerte Konsequenz bescheinigen. Sein Roman "tagelang" erzählt keine Geschichte unter Menschen, sondern unter Apparaten, Produkten, maschinellen Abläufen, die er mit gleichbleibend freundlicher Neutralität und so großer Distanz schildert, daß im Unterschied zur sonst üblichen Lebensstil-Literatur noch nicht einmal die Markennamen genannt werden: das Reihenhaus, das sich das offenbar noch junge, beruflich erfolgreiche Paar vor einem Jahr erst gekauft hat, das "Einkaufsparadies" in der Nähe, das Autobahnkreuz, der Fernseher, der Computer, das neue Auto.

Alles ist, wie es ist. Vom schrecklichen Ende her bekommen die banalsten Verrichtungen eine vermeintlich unauslotbare Bedeutung, um gleich danach wieder in ihre Banalität zurückzufallen: "Vielleicht fing es damit an, daß ich vor dem Unfall mähte, nur zwei Tage vorher und noch mitten in der Woche, am Donnerstag . . ." Beim Rasenmähen vor dem Reihenhaus macht der Ich-Erzähler seine Jeanshose schmutzig, die er danach in der Waschmaschine zu reinigen versucht; später will er, als das nicht klappt, im Einkaufsparadies eine neue Jeanshose kaufen, aber seine bewährte Marke ist dort nicht vorrätig. Nur die Oberfläche der Abläufe spielt eine Rolle; Motive, Gedanken und Gefühle kommen nur insofern vor, als sie die Funktionstüchtigkeit betreffen. Alle Sehnsüchte münden in ein Produktversprechen ein. Das Genre der Gebrauchsanweisung wird zum literarischen Prinzip.

In dieser Konsequenz liegt freilich auch die Schwäche des Buchs. Denn daß die Schilderung der anonymen Prozesse mit überhaupt keiner individuellen menschlichen Geschichte verknüpft ist - was auf die Dauer das Interesse des Lesers etwas erlahmen läßt -, hat ja einen bestimmten Grund: Der Roman besitzt eine These, besser gesagt, er ist selbst diese These. Die These läuft darauf hinaus, daß es eben gar keine individuelle menschliche Geschichte mehr gibt, sondern nur noch anonyme Prozesse und Apparaturen. Dies jedoch bekommt der Leser schon nach den ersten Seiten mit, und den Rest der Lektüre über bewundert er die Unerbittlichkeit, mit der der Autor sein Konzept zu Ende führt, denkt sich insgeheim aber, daß er in einem Roman vielleicht doch lieber Geschichten liest als kulturkritische Beweisführungen.

Und dann wird er an einer Stelle überrascht. Unvermittelt berichtet der Ich-Erzähler, daß seine Freundin zu einem Bewerbungsgespräch in eine 640 Kilometer weit entfernte Stadt geflogen ist. Das berichtet er so neutral und selbstverständlich wie alles andere, aber man ahnt, daß da unversehens der Boden der gemeinsamen Reihenhaus- und Rasenmäher-Existenz wankt. Der Ich-Erzähler, der die Freundin zum Flughafen gebracht hat, schaltet zu Hause den Fernseher ein, und dann fährt er ihr die 640 Kilometer auf der nächtlichen Autobahn nach; er schläft in einem Motel und fährt frühmorgens wieder zurück: ein komplett dysfunktionaler Vorgang, der inmitten der funktionalen Perfektion um so mehr berührt. Es muß da also doch noch etwas anderes geben - ein kleines Lebenszeichen im Produktepark und ein literarischer Einfall, der im Gedächtnis bleibt.

Christian Bernhardt: "tagelang". Roman. Verlagsbuchhandlung Liebeskind, München 2004. 182 S., geb., 17,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Eine bemerkenswerte Konsequenz bescheinigt Rezensent Mark Siemons diesem Debüt. Denn Christian Bernhardt erzähle keine Geschichte unter Menschen, sondern unter Apparaten, Produkten und maschinellen Abläufen, die der Rezensent mit "gleichbleibend freundlicher Neutralität und so großer Distanz" geschildert findet, dass im Unterschied zur sonst üblichen "Lebensstil-Literatur" nicht einmal Markennamen genannt würden. In der Konsequenz des Romans liegt für Siemons freilich auch dessen Schwäche. Dass nämlich die Schilderung der anonymen Prozesse mit überhaupt keiner menschlichen Geschichte verknüpft ist, dass auf diese Weise in Bernhardts Roman "das Genre der Gebrauchsanweisung" zum literarischen Prinzip wird, lässt, wie der Rezensent zu Protokoll gibt, sein Interesse auf die Dauer doch etwas erlahmen.

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