Marktplatzangebote
Ein Angebot für € 5,36 €
Produktdetails
  • Edition Libroskop Bd.5
  • Verlag: Hainholz
  • Seitenzahl: 159
  • Deutsch
  • Abmessung: 215mm
  • Gewicht: 286g
  • ISBN-13: 9783932622779
  • ISBN-10: 3932622774
  • Artikelnr.: 22908699
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.02.2002

Apokalyptische Zoologie
Nichts für Insektophobe: Fernando Sorrentinos Erzählungen

Der argentinische Schriftsteller Fernando Sorrentino muß sich viel Zeit gelassen haben für seine Erzählungen, sonst wären sie nicht so kurz. Es gehört eine Menge Feilarbeit dazu, das, was manch einer auf Hunderten von Seiten auswalzt, in nur wenigen Abschnitten zu skizzieren. Bei den Texten der Erzählsammlung "Von Skorpionen und anderen Alltagsgefahren" handelt es sich um ein Destillat aus immerhin sechs Erzählbänden. Diese sind ebenso wie Sorrentinos kurzer Roman und seine Kinderbücher im deutschsprachigen Raum unbekannt. Vertraut ist er hierzulande höchstens Spezialisten als Herausgeber von Interviewbänden zu Adolfo Bioy Casares und Jorge Luis Borges. Doch auch beim Schreiben seiner jetzt auf deutsch erschienenen Erzählungen scheint er immer wieder mit diesen beiden großen argentinischen Autoren Zwiesprache gehalten zu haben. Mit ihnen teilt er nicht nur die Befähigung zu erzählerischer Ökonomie, sondern auch die Vorliebe für phantastische Zoologie, fiktive Bücher und geometrische Städte.

Da rückt eine ganze Reihe unsympathischer Sonderlinge, welterobernde Insekten und hilflose Nachkommen der literarischen Familie K., dem Leser auf die Pelle, und sie trachten danach, ihn gegen seinen Willen auf ihre Seite der Geschichte zu ziehen. Scheinbar distanzlos stehen wir diesen Berichtenden gegenüber, die uns ihre persönliche Sicht der Dinge anvertrauen. Abstand schafft da erst die Ironie, auch wenn sie bisweilen etwas gewollt daherkommt.

Die Geschichten finden im Alltag ihren oft unscheinbaren Einstieg und enden fast unweigerlich in einer ebenso phantastischen wie bizarren Situation. Das "Imponiergehabe" der Bewohner eines Mietshauses etwa führt dazu, daß sich dieses Haus in einen apokalyptischen Zoo verwandelt, aus Angst vor einer Spinne im Hosenbein läßt sich ein Mann einmauern, und aus der lächerlichen Dummheit einer Insektenart wird eine weltweite Bedrohung. Einer der Texte, in dem es um einen von einer Mücke terrorisierten Mann geht, heißt "Warten auf eine Erklärung", und wenn die Mücke den Mann nicht getötet hat, dann warten er und der Leser noch heute.

Immer wieder untersucht Sorrentino das Phänomen der Abhängigkeit, das fast zu einer Art Refrain wird und dem er doch stets eine neue Nuance abzugewinnen versteht. So stellt "Das Ganze und der Teil" ein animalisches Yin und Yang dar, bei dem eine winzige Warze zu einem lebensgroßen Elefanten heranwächst, der Träger der Warze aber selbst zu einem Pickel am Schwanzende des Elefants zusammenschrumpft.

Manche der Geschichten, wie die Anweisung zur Bekämpfung einer Skorpionplage von biblischem Ausmaß, sind nichts für Insektophoben. Überhaupt nehmen im Erzählkosmos des Argentiniers Tiere die zentrale Planstelle für Bedrohung ein, zusammen mit den Mühlen einer albtraumhaften Bürokratie, die aus den "Aufzeichnungen des Ingenieurs Sismondi" eine Reader's Digest-Version von Kafka machen.

Sorrentino beansprucht für sich eine ganze Bandbreite literarischer Textformen, die er in dichte Miniaturen bannt. Damit riskiert er, die Grenzen seines Könnens aufzuzeigen. Zum einen tendiert sein Sprachstil, der zwischen sparsamer Realistik und mysteriöser Unbestimmtheit schwankt, zu Manierismen und zur Formelhaftigkeit. Sozialkritik, wie sie zum Beispiel in "Für die Gäste nur das Beste" geübt wird, kommt zu mau daher, als reine Boshaftigkeit ist der Text zu einfallslos. "Die Lämmerjustiz" wirkt unfertig oder fehlkonstruiert.

Solche Mängel oder Ausrutscher jedoch werden ausgebügelt von seiner Fähigkeit, mit scheinbar geradlinigen Texten stets aufs neue zu überraschen. Legt man das schmale Bändchen beiseite, hat man das Gefühl, mehrere Romane gelesen zu haben, auf jeden Fall aber eine begrüßenswerte und hochkonzentrierte Einführung in das Werk eines erfindungsreichen Erzählers absurder Abgründigkeiten, der sich ein ums andere Mal mit einem ironischen Lachen ins Bodenlose stürzt.

SEBASTIAN DOMSCH

Fernando Sorrentino: "Von Skorpionen und anderen Alltagsgefahren". Erzählungen. Ausgewählt und aus dem Spanischen übersetzt von Vera Gerling. Hainholz Verlag, Göttingen 2001. 159 S., geb., 15,24 .

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Bei Rolf-Bernhard Essig stellte sich beim Lesen höchstens ein Lachen ein, das "im Halse stecken bleibt". Als Beispiel für den "bemühten Humor" des Autors zitiert Essig aus einer der 14 Erzählungen: Diese handele von einem Ehepaar, das ein andres zum Essen einlädt und sich dabei allerhand Abschreckendes einfallen ließe, "um sich ein abschreckendes Image zu erschaffen". So werden angebrannte Nudeln serviert und ein "präpariertes Wasserrohr" zum Platzen gebracht, was der Rezensent ziemlich langweilig findet. Die anderen Geschichten handelten von "modernen Menschen", die sich "merkwürdigen Mächten" unterwürfen und sich etwa von Elefanten malträtieren ließen, bilanziert der Rezensent. Insgesamt nerven Essig an diesem Buch "erzähltechnische Schlampigkeiten", "lähmende Absehbarkeiten" sowie ein Mangel an "sprachlicher Kühnheit". Den "humorvollen Kishon-Ton" schreibt der Rezensent allerdings der Übersetzerin zu.

© Perlentaucher Medien GmbH