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Candy oder Die unsichtbare Hand ist ein Bildungsroman - und ein rafffiniertes literarisches Spiel mit Voltaires Candide oder Der Optimismus: Candy ist ein Candide der Neuen Weltordnung. Wie vor 250 Jahren Candides Abenteuer die Theorie von der "besten aller möglichen Welten" widerlegten, so führen die Abenteuer Candys die neoliberale Theorie von der "unsichtbaren Hand des Marktes" und vom "Ende der Geschichte" ad absurdum.

Produktbeschreibung
Candy oder Die unsichtbare Hand ist ein Bildungsroman - und ein rafffiniertes literarisches Spiel mit Voltaires Candide oder Der Optimismus: Candy ist ein Candide der Neuen Weltordnung. Wie vor 250 Jahren Candides Abenteuer die Theorie von der "besten aller möglichen Welten" widerlegten, so führen die Abenteuer Candys die neoliberale Theorie von der "unsichtbaren Hand des Marktes" und vom "Ende der Geschichte" ad absurdum.
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Autorenporträt
Bruno Preisendörfer, geb. 1957 in Unterfranken, lebt als Schriftsteller und freier Publizist in Berlin. Er arbeitete jahrelang als Redakteur beim Berliner Stadtmagazin Zitty, danach als Kolumnist beim Tagesspiegel.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 31.01.2012

Geschichte mag enden, die Geschäfte gehen weiter
Bruno Preisendörfer bringt mit „Candy“ den „Candide“ des Voltaire auf den neuesten Stand
Wenn philosophische Gedanken in Romanen auftauchen, dann bleibt ihnen gar nichts anderes übrig, als eine neue Gestalt anzunehmen. Sie werden zu Steckenpferden und Plagegeistern, heimlichen Lastern und verborgenen Tugenden. Kurz, sie treten den handelnden Personen an die Seite, stellen sich ihnen als Requisiten, Widersacher oder Doppelgänger zur Verfügung und verwandeln sich dabei selber in Romanfiguren.
Der Philosoph Voltaire hat, als er 1759 anonym „Candide ou l’optimisme“ veröffentlichte, die Gedanken und Begriffe des deutschen Philosophen Leibniz so schwungvoll in Romanfiguren verwandelt, dass ihnen davon noch heute schwindlig ist. Die „Theodizee“, die Rechtfertigung Gottes angesichts der Übel in der Welt durch den Nachweis ihrer Unvermeidlichkeit, wurde dabei so durch und durch geschüttelt, dass sie seitdem ganz grün im Gesicht ist.   
Die Form aber, in der das geschah, war eine turbulente, von Abenteuern und überraschenden Wendungen gespickte Reiseerzählung, die sich mit dem europäischen Nahbereich nicht begnügte, sondern eine veritable Weltenreise zum Gegenstand hatte. Alles andere wäre für Begriffe wie „Theodizee“ und Formeln wie die von der „besten aller möglichen Welten“ zu eng gewesen. Darum gehört Voltaires „Candide“ nicht nur in die Vorgeschichte des Slapstick, sondern auch in der Vorgeschichte der Erzählungen aus dem globalen Dorf.
Der in Berlin lebende Autor und Journalist hat im online-Magazin www.fackelkopf.de , das er seit 2009 betreibt, ein Update des „Candide“ in Portionen unters Publikum gebracht und nun in Buchform veröffentlicht. Candide ist darin nicht mehr ein junger Deutscher, der in Westfalen auf dem Landsitz eines Barons aufwächst, sondern ein junger Amerikaner, der im letzten Jahrzehnt des zwanzigsten Jahrhunderts auf dem Landsitz eines erfolgreichen New Yorker Wirtschaftsprüfers in Florida „mit offenem Herzen und fröhlichem Sinn“ seiner Zukunft entgegensieht. Eigentlich ist sein Vorname Andy, aber man hat ihn ein wenig kandiert, so heißt er jetzt Candy.
Aus Doktor Pangloß, der einst seinen Zögling in die „Metaphysico-theologo-cosmologo-nigologie“ einführte, ist Dr. Francis geworden, der unablässig über das „Ende der Geschichte“ nach dem Zusammenbruch des Kommunismus und die unsichtbare Hand doziert, die dafür sorgt, dass sich alles zum besten wendet, wenn nur die Gesetze des Marktes sich frei entfalten und dafür sorgen können, dass überall in der Welt Menschenrechte und Demokratie herrschen.
Bruno Preisendörfer, geboren 1957 in Unterfranken, ist schon lange Journalist, er hat neben Büchern über Preußen und die Bildungspolitik nach Pisa („Das Bildungsprivileg“, 2008) auch Romane geschrieben, zum Beispiel den Thriller „Vergeltung“ (2007). Dass es für ein Candide-Update nicht damit getan ist, den Leibniz-Propagandisten Pangloß mit einem Doppelgänger von Francis Fukuyama und die Theodizee durch dessen Traktat „The End of History and the Last Man“ (1992) neu zu besetzen, weiß er als erfahrener Autor.
Eine Neufassung muss auch die alte Voltaire-Mischung von Bitterkeit und philosophischem Slapstick neu besetzen, und die entstand nicht durch den Stoff oder die Kraft – beziehungsweise Schwäche – der philosophischen Begriffe, sondern durch den Tonfall der Erzählung, durch die scheinbar ungerührte Häufung von Gräueln und Belegen für die Übermacht des Unglücks in der Welt.
Preisendörfer wahrt in seinem Erzählton die Balance zwischen dem unzweifelhaft gegenwärtigen Stoff und der Rückbindung an das Vorbild. Er lässt Mr. Redwood, bei dem Candy aufwuchs, am Auffliegen seiner Insidergeschäfte und Steuerhinterziehungen zugrunde gehen, gibt einem Waffenhändler den Spitznamen „Cash Flow“ und geizt in seinem Wortschatz auch sonst nicht mit Signalen der Aktualität. Aber diesen gegenwärtigen Wortschatz bindet er an ältere Schichten des Deutschen und gewinnt seinen Ton durch Erinnerung an den Satzbau und die Diktion deutscher Voltaire-Übersetzungen des 18. Jahrhunderts. Und nicht nur, wenn er „beliebte Querdenker“ karikiert, beweist Preisendörfer sein Talent zur pointierten Formulierung: „die Geschichte mochte an ihr Ende gekommen sein, die Geschäfte gingen weiter.“
Candy begegnet Figuren, die wir aus Reportagen und Zeitungsartikeln kennen: Flüchtlingen, die vor Lampedusa scheitern, Kindern, die in Fabriken schuften, russischen Geschäftemachern, die vom Umschlag der Plan- in Marktwirtschaft profitieren. Alle diese Figuren entsteigen dem Vermischten, gewinnen an Gewicht, indem sie in die Romansprache eingehen, etwa wenn, wie bei Voltaire, die Alten von ihren Leiden zu berichten beginnen: „Ich fand Zuflucht in den Personalzimmern großer Touristenhotels und schlug mich als Hilfsköchin, Wäscherin und Putzfrau durch. . . .  Eines Tages warb mich der Security-Chef Bumbums zum Saubermachen der Suite an, die er für seinen Chef gemietet und in einen Hochsicherheitstrakt verwandelt hatte. Es gab immer jemanden, der Bumbum nach dem Leben trachtete, auch unter seinen Freunden hatte er zahlreiche Feinde. Für ihn war die Einstellung von Dienstpersonal eine höchst riskante Angelegenheit. . . . Ich wurde entführt, verhört und vor die Wahl gestellt, Staub zu wischen oder zu sterben. Und da mir trotz meiner Leiden das Leben lieb war, wählte ich Bumbums Staub.“
Eng hält sich Preisendörfer an Plot und Personal Voltaires, nur seine Eldorado-Episode spielt nicht in Südamerika, sondern in Ostasien. Man legt das Buch mit dem Gedanken aus der Hand: wie gut, dass es gelungene Cover-Versionen nicht nur in der Musik gibt, sondern auch in der Literatur.
LOTHAR MÜLLER
BRUNO PREISENDÖRFER: Candy oder Die Unsichtbare Hand. Nach einer berühmten Vorlage des Herrn von Voltaire erzählt und auf den Stand der Neuen Weltordnung gebracht. Illustriert von Wolfgang Würfel. Verlag Das Arsenal, Berlin 2012. 176 Seiten, 19,90 Euro.
Was verbindet illegale Einwanderer der Gegenwart mit Voltaires Abenteurern? Sie leben in der besten aller möglichen Welten! Abb.: bridgemanart.com/AFP
Kennt Gegenwart und Vorbild gleich gut: Bruno Preisendörfer Foto: dpa
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Lothar Müller liebt seinen Voltaire. Frohlockend denkt er daran, wie der Philosoph in "Candide" die Theodizee so durchgeschüttelt hat, "dass sie seitdem ganz grün im Gesicht ist", wie er sehr hübsch schreibt. Und Müller mag offenkundig auch den Berliner Journalisten und Autor Bruno Preisendörfer, dessen Roman "Candy" er eine gelungene "Cover-Version" des großen philosophischen Slapstick-Roman nennt. Held ist hier der junge Amerikaner Candy, dessen Weltbild  die Konfrontation mit gestrandeten Flüchtlingen von Lampedusa, arbeitenden Kindern und russischen Waffenhändlern aushalten muss. Was bei Voltaire die Rechtfertigung Gottes ist bei Preisendörfer der Neoliberalismus, lernen wir also, mit Francis Fukuyama als Doktor Pangloß.

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