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"Rassismus" ist ein gefühlsbeladener, unscharfer Begriff und gegenwärtig besteht die Neigung, ihn zum Allerweltswort für jede Art von Fremdenfeindlichkeit und Verfolgung aufgrund religiöser oder kultureller Differenz zu machen.
Der amerikanische Historiker George Fredrickson spricht von einer rassistischen Einstellung oder Ideologie, wenn ethnokulturelle Differenzen für angeboren, unauslöschlich und unveränderbar erklärt werden. Er formuliert eine Definition des Rassismus, die die Grenzen zu anderen Erscheinungen wie religiöse Intoleranz oder Xenophobie markiert. Darüber hinaus skizziert er…mehr

Produktbeschreibung
"Rassismus" ist ein gefühlsbeladener, unscharfer Begriff und gegenwärtig besteht die Neigung, ihn zum Allerweltswort für jede Art von Fremdenfeindlichkeit und Verfolgung aufgrund religiöser oder kultureller Differenz zu machen.

Der amerikanische Historiker George Fredrickson spricht von einer rassistischen Einstellung oder Ideologie, wenn ethnokulturelle Differenzen für angeboren, unauslöschlich und unveränderbar erklärt werden. Er formuliert eine Definition des Rassismus, die die Grenzen zu anderen Erscheinungen wie religiöse Intoleranz oder Xenophobie markiert. Darüber hinaus skizziert er die Geschichte des rassistischen Denkens vom Antisemitismus des Mittelalters über die Legitimation der europäischen Expansion und der Sklavenwirtschaft, bis hin zur Rassenhygiene der Nationalsozialisten. Auch heutige Versuche, Rassismus durch positive Diskriminierung aufzuheben analysiert er.

Dieser "neue Rassismus" verweist nicht mehr auf die genetische Ausstattung, sondern auf "kulturelle" Differenzen. In seiner fundierten und gut lesbaren Studie zeigt Fredrickson wie an Stelle des biologistischen Rassenbegriffs eine ethnozentrische Ideologie der "unvereinbaren Kulturen" tritt.
Autorenporträt
Fredrickson, George M.
George M. Fredrickson war von 1984 bis 2002 American Edgar E. Robinson Professor für Geschichte an der Stanford University.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.01.2005

Die Macht des Vorurteils
Rassismus: Definition und historische Analyse eines Begriffs

George M. Fredrickson: Rassismus. Ein historischer Abriß. Aus dem Amerikanischen von Horst Brühmann und Ilse Utz. Hamburger Edition, Hamburg 2004. 194 Seiten, 18,- [Euro].

Die nahezu inflationäre Verwendung des Begriffs "Rassismus" und die oft emotionale Konnotierung führen dazu, daß er teilweise bis zur Unkenntlichkeit aufgeweicht wird. Jetzt legt George M. Fredrickson, emeritierter Professor an der Stanford University, eine gut lesbare Studie vor, die eine Definition des Begriffes, eine Darstellung seiner historischen Wurzeln und der extremsten Ausprägungen beinhaltet. Nach Fredrickson kann man von einer rassistischen Einstellung oder Ideologie sprechen, "wenn Differenzen, die sonst als ethnokulturelle betrachtet werden, für angeboren, unauslöschlich und unveränderbar erklärt werden".

Einer anderen Gruppe von Menschen wird somit abgesprochen, auf derselben Stufe zu stehen, und es wird ihnen zudem abgesprochen, diese "niedere" Stufe jemals verlassen zu können. Ihre vermeintliche Andersartigkeit und Minderwertigkeit wird als genetisch fixiert betrachtet. Fredrickson unterscheidet hiervon die diversen Formen kultureller oder religiöser Intoleranz: Diese führen zwar auch zur Unterdrückung beziehungsweise Ablehnung vermeintlich "Andersartiger". Anders als beim Rassismus werde die Differenz aber nicht als unveränderlich erachtet. Durch die Konversion oder die Annahme einer anderen kulturellen Identität sei es möglich, die Intoleranz aufzulösen.

Der Verfasser konzentriert sich im Verlauf seiner Darstellung auf die drei extremsten Erscheinungsformen: die Zeit der Rassendiskriminierung in den Südstaaten der Vereinigten Staaten, die zwischen 1890 und 1960 ihren Höhepunkt erreichte, den Antisemitismus der Nationalsozialisten zwischen 1933 und 1945 und das Apartheid-Regime in Südafrika, das nach 1948 seine schlimmste Form annahm. Dieser Ansatz ist schon deshalb lobenswert, weil nur im Vergleich die Spezifika der einzelnen Beispiele deutlich werden.

Bevor sich Fredrickson den Fallbeispielen zuwendet, geht er ihren historischen Ursprüngen nach. So vermag er aufzuzeigen, daß der Antisemitismus als ein rassistischer Glaube an die unveränderbare Andersartigkeit "der" Juden seine Wurzeln im Mittelalter hat, während sich der Rassismus gegen Schwarze erst im Spanien der Frühen Neuzeit herausbildete, als man die Hautfarbe mit dem Sklavendasein verband. Interessanterweise entwickelten die Spanier gegenüber den Indianern in der Neuen Welt meist keine rassistische Haltung, da sie mehr die kulturellen als die vermeintlich genetischen Unterschiede betonten. Eine bedeutende Voraussetzung zur Herausbildung des modernen Rassismus war das wissenschaftliche Denken der Aufklärung im 18. Jahrhundert. Führende Theoretiker der westlichen Welt wendeten sich vom christlichen Universalismus ab und versuchten die rassischen Unterschiede zu erklären. Ausgehend von der generellen Annahme, daß die menschlichen Rassen feststehende und unveränderbare Merkmale aufweisen, wie dies etwa Johann Gottfried Herder formulierte, entwickelte sich der moderne Rassismus, der bestimmten Rassen die Vollwertigkeit als Mensch absprach.

Fredrickson veranschaulicht im Anschluß, wie sich auf dieser Grundlage die drei genannten extremen Formen des Rassismus im 20. Jahrhundert herausbildeten. Obgleich sie mehr Unterschiede als Übereinstimmungen aufweisen - so kam es einzig in Deutschland zum Genozid -, lassen sich fünf Gemeinsamkeiten festhalten: Der Rassismus war jeweils offizielle Ideologie, Eheschließungen zwischen den Rassen waren verboten, es gab gesetzlich fixierte Absonderungen, der "fremden" Gruppe wurde der Zugang zu öffentlichen Ämtern oder sogar das Wahlrecht verwehrt, und mittels ökonomischer Restriktionen wurde die stigmatisierte Gruppe in Armut gehalten oder getrieben.

Die Frage, warum sich gerade in den Vereinigten Staaten, Deutschland und Südafrika ein derart extremer Rassismus herausbildete, wird vom Verfasser mit der Stärke von Vorurteilen und Klischees sowie der Identifizierung "des rassisch Anderen mit nationalen Niederlagen oder Demütigungen" beantwortet. Fredrickson schließt mit der Feststellung, daß der Rassismus heutzutage im Vergleich zu früheren Epochen zwar abgenommen hat, aber als Phänomen noch immer vorhanden ist. Allerdings sei mittlerweile die Kultur zum funktionalen Äquivalent der Rasse geworden. Dies könne man etwa daran erkennen, daß viele immer noch glaubten, "Lebensweisen seien ebenso unveränderbar wie die Hautpigmentierung".

Obgleich der Rezensent nicht allen Ausführungen Fredricksons uneingeschränkt zu folgen vermag - so erscheint es doch fraglich, ob "die Saat des Totalitarismus in Deutschland während der Kolonialerfahrung gelegt wurde" -, liegt hier eine insgesamt souveräne Synthese vor, die einem breiten Leserkreis empfohlen werden kann.

SÖNKE NEITZEL

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension

Als "prägnante Synthese" bezeichnet Andreas in einer wohlwollend referierenden Kritik dieses Buch. Worin diese Prägnanz besteht, wird allerdings nicht ganz deutlich: Man erfährt, dass der ehemalige Stanford-Historiker in diesem Buch Rassismus und Antisemitismus gemeinsam untersucht - ohne informiert zu werden, worin genau die Gemeinsamkeit und der Unterschied zwischen diesen beiden Formen der Herabsetzung zu suchen sind. Man lernt auch, dass Frederickson "Differenz und Macht" als Hauptwesenszüge der rassistischen Denkweise ansieht, dass er also den Rassismus offensichtlich ausschließlich als eine Sünde der Mächtigen anzusehen scheint - hiergegen wendet Eckert ein, dass man auch ohnmächtig und Rassist sein könne. Man erfährt weiter, dass der Begriff des Rassismus zwar erst aus den dreißiger Jahren stammt, dass Frederickson aber rassistische Denkweisen bereits im Spanien des 15. Jahrhunderts ausmacht. Wichtig schließlich auch, dass Frederickson das Denken der Aufklärung für die pseudodarwinistischen Argumentationsmuster der Rassisten seit dem 19. Jahrhundert verantwortlich macht. Eckert wünscht dem Buch abschließend viele Leser.

© Perlentaucher Medien GmbH