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Der bekannte flämische Autor erinnert sich in diesem Buch an seine Großeltern im Flandern der fünfziger Jahre: An den störrischen Pitje Moor und dessen Frau Mitje Moor, die eines Tages gegen dessen Willen ins Altersheim zieht; an Pitje Faan, der nicht lesen und nicht schreiben kann, dafür tausend andere wichtige Dinge, die seinen kleinen Enkel interessieren, an Pitjes Frau Mitje Mie, die irgendwann feststellt, dass in ihrem Leben nie etwas Aufregendes geschehen ist Ein feinfühlig geschriebenes Buch, ernst und heiter, spannend und unterhaltsam, ein Familienbuch im besten Sinne.

Produktbeschreibung
Der bekannte flämische Autor erinnert sich in diesem Buch an seine Großeltern im Flandern der fünfziger Jahre: An den störrischen Pitje Moor und dessen Frau Mitje Moor, die eines Tages gegen dessen Willen ins Altersheim zieht; an Pitje Faan, der nicht lesen und nicht schreiben kann, dafür tausend andere wichtige Dinge, die seinen kleinen Enkel interessieren, an Pitjes Frau Mitje Mie, die irgendwann feststellt, dass in ihrem Leben nie etwas Aufregendes geschehen ist Ein feinfühlig geschriebenes Buch, ernst und heiter, spannend und unterhaltsam, ein Familienbuch im besten Sinne.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 02.02.2002

Der Gesang der Drachenschnur
„Tauben und Drachen”: Die Kindheitserinnerungen des niederländischen Autors Henri Van Daele aus den 50er Jahren
Es war die Zeit, bevor bei uns die Brettertüren von Kellern und Dachkammern in den Mietshäusern mit Pappe verrammelt wurden. Es war die Zeit, in der man noch staunte über das merkwürdige graue Licht, das in Wohnzimmern flackerte, wenn man abends durch die Straßen lief. Und es war die Zeit von Menschen wie Pitje Moor, Mitje Moor und Pitje Faan.
Der Flame Henri van Daele ist bekannt für seine subtilen Porträts von Menschen, die aus der Reihe tanzen oder bedrängt werden. Und er ist bekannt für seine einfache, sinnliche Sprache, mit der er die Welt vor dem Horizont ins Blickfeld rückt. In Tauben und Drachen porträtiert er nun in drei eigenständigen Erzählungen seine Großeltern in einem flandrischen Dorf der 50-er Jahre aus dem Blickwinkel des damals vielleicht zehnjährigen Enkels.Van Daeles Großvater, der „große Rie” Pitje Moor, spielte bereits in früheren Büchern eine tragende Rolle, in Der dicke Idde und Ti etwa.
Während wir lesen, fühlen wir uns so, als ob der Schriftsteller an einem stillen Spätsommerabend einen alten Drachen aus seinen Kindertagen noch einmal im Stoppelfeld hinter den Gärten zum Fliegen bringen würde, um dem Gesang der Schnur zu lauschen, in dem die Geschichten von damals mitschwingen. Van Daeles Erinnerungen sind aber trotzdem kein Hort von Idyllen. In den Porträts von Pitje Moor und Mitje Moor zum Beispiel, geht es vor allem um den Verlust der stillschweigenden Gemeinsamkeiten eines alten Ehepaars und um das Ende des autonomen Lebens. Als Mitje erkrankt und ein Umzug ins Altersheim nicht zu vermeiden ist, weigert sich Pitje seiner Frau zu folgen. Fast zwei Jahre - bis zu ihrem Tod - wird er sie nicht mehr besuchen. Die Familie stempelt ihn zum bösartigen Starrkopf. Nur einer der Enkel - der Erzähler - hält zu ihm, fasziniert von der kleinen Welt, die Pitje Moor energisch verteidigt und die doch bald verloren sein wird. So, wie sich der Enkel mit staunenden Augen in den Trutzburgen der Großväter bewegt, so fühlt er sich auch in die empfindsameren Sphären der Großmütter ein, in denen Schmerz und Trauer offensichtlicher ist als bei den nach außen hin harten Männern.
Der Erzähler wertet das Verhalten nicht. Er beobachtet es aus den Augenwinkeln eines Jungen, der sich in dieser zerfallenden Welt wie ein wachsamer Abenteurer und Entdecker bewegt. Und nun, selbst fast im reifen Großvateralter, erinnert er sich in erstaunlich detaillierten Bildern der Jahre, in denen etwas unwiederbringlich verschwand: die Kunst, Zeit zu verlieren, im Frohsinn wie im Trübsinn.Van Daeles Erinnerungen sind nicht nur ein Plädoyer für die Langsamkeit. Sie sind eine Aufforderung, die Welt diesseits des nahen Horizonts als eigenes Universum zu entdecken, zu erforschen und zu verstehen. Das „Gold von Klondike” auszugraben, wie er sagt. Mit Wehmut, aber ohne Verklärung.
„Die Bescheidenheit war Armut”, resümiert Pitje Moors alter Arzt, „und Zufriedenheit hieß, dass sie sich nichts zu sagen trauten. Und Ruhe! Sie waren doch viel zu müde, um noch viel Lärm zu machen, die Leute.” (ab 14 Jahre und Erwachsene)
SIGGI SEUSS
HENRI VAN DAELE: Tauben und Drachen. Radierungen von Hella Seith. Aus dem Niederländischen von Monica Barendrecht und Thomas Charpey. Bajazzo Verlag 2001, 340 Seiten, 15,30 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 09.10.2001

Die Ruhe der großen Familien
Henri van Daele erzählt von seiner flämischen Kindheit

So sah es einmal in flämischen Dörfern aus, bevor der Fortschritt die Maßstäbe und das Tempo des Lebens veränderte: Die bescheidenen Häuser der kleinen Leute reihten sich eng entlang der Dorfstraße, zu jedem gehörten Gärten und Ställe für Kleinvieh, die das Nötigste für die vielköpfige Familie lieferten, und dahinter dehnten sich bis zum Horizont die Felder, Kanäle und Wiesen. Unter den niedrigen Dächern wuchsen nicht selten acht oder zwölf Kinder auf. Kein Wunder, daß das Geld immer knapp war. Aber man wußte sich zu helfen, man war nicht allein und Nachbarschaft war kein leeres Wort.

Das alles ist noch gar nicht lange her. Henri van Daele ist in einem solchen Dorf aufgewachsen, in einer überschaubaren Welt, die ihre festen Gesetze hatte. Als er neun Jahre alt war, lebten noch seine beiden Großväter und seine beiden Großmütter. Bei ihnen fand er, was Kinder heute oft entbehren müssen: Geborgenheit und die ruhige Sicherheit von Güte, Weisheit und beständiger Liebe.

"Ein Autor soll über das schreiben, was er versteht, was er kennt, was ihm am nächsten ist"- diesem Grundsatz ist Henri van Daele in "Tauben und Drachen" gefolgt wie in keinem seiner anderen Bücher. Er kannte die knorrigen, skurrilen Originale in seinem Heimatdorf, am besten kannte er seine geliebten Großväter. Der eine war Holzschuhmacher, hielt Brieftauben und trank gern einen über den Durst; der andere konnte Drachen bauen, Aale pöddern, Kaninchen mästen und außerdem fast alles reparieren, was kaputtgegangen war. Dem Enkel fallen Dutzende von unvergeßlich komischen oder aufregenden Erlebnissen mit Pitje Moor und Pitje Faan ein und mindestens ebenso viele lebenskluge Aussprüche. Er erzählt lebendig und schlicht, ohne falsche Naivität. Kinder werden ihn verstehen können, und Erwachsene erinnern sich an ihre eigene Kindheit, als der Alltag noch voller anderer Abenteuer war, als er es heute ist. Ein ideales Buch zum Vorlesen also.

Gewiß, vieles ist Idylle in dieser kleinen Welt, ist unwiederbringlich verloren. Henri van Daele beschreibt die Veränderungen, ohne zu beschönigen. Die jungen Leute haben andere Ansprüche, brauchen mehr Platz und verdienen in der Stadt mehr Geld. Sie verstehen die Alten nicht, denen ihre bescheidenen Katen genügen, die ihren gewohnten Tätigkeiten so lang es geht nachgehen und dort sterben wollen, wo sie Jahrzehnte lang gelebt haben.

Nicht alle alten Menschen auf dem Dorf sind zufrieden oder gar glücklich. Die eine Großmutter wird krank und wartet in einem Pflegeheim auf den Tod und auf den Besuch von Pitje Moor, der seinen Horror vor Krankenhäusern nicht überwinden kann. Die andere ist zeitweise verwirrt und wird sich erst jetzt bewußt, da ihr Leben wie eine Kerze verlöscht, was ihr gefehlt hat. Henri van Daeles Buch ist nicht nur die wunderschöne Geschichte einer behüteten Kindheit in einem flämischen Bullerbü, sie ist auch ein wehmütiger Abgesang auf die alte Zeit, auf das Alter überhaupt.

MARIA FRISÉ

Henri van Daele: "Tauben und Drachen". Aus dem Flämischen übersetzt von Monica Barendrecht und Thomas Charpey. Mit Radierungen von Hella Seith. Bajazzo Verlag, Zürich 2001. 304 S., geb., 29,90 DM. Ab 10 J.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Geschildert wird eine überschaubare Welt aus Geborgenheit, Sicherheit, Weisheit und Liebe, "eine behütete Kindheit in einem flämischen Bullerbü." So, wie sie der Autor wohl erlebt hat. Maria Frise vermutet das, weil die Erlebnisse so "lebendig und schlicht, ohne falsche Naivität" erzählt werden. "Kinder werden ihn verstehen können, und Erwachsene erinnern sich an ihre eigene Kindheit." Ein ideales Buch zum Vorlesen also, folgert Frise, die nicht verhehlen kann, in der erzählten Idylle auch den "wehmütigen Abgesang" zu vernehmen, "auf die alte Zeit."

© Perlentaucher Medien GmbH