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Die 'Integrationsdebatte' nach Thilo Sarrazins Buch 'Deutschland schafft sich ab' offenbarte ein Paradox - eine wachsende Akzeptanz des kulturellen Pluralismus, besonders unter jüngeren Menschen, und zugleich massive kulturelle Ressentiments in der Einwanderungsgesellschaft. Der renommierte Migrationsforscher und Politikberater Klaus J. Bade beleuchtet Ursachen, Hintergründe und bedrohliche Folgen dieser paradoxen Spannung. Ihr Ergebnis ist eine gefährliche Ersatzdebatte anstelle der verdrängten Diskussion um die neue Identität in der Einwanderungsgesellschaft. Das Buch beschreibt diese…mehr

Produktbeschreibung
Die 'Integrationsdebatte' nach Thilo Sarrazins Buch 'Deutschland schafft sich ab' offenbarte ein Paradox - eine wachsende Akzeptanz des kulturellen Pluralismus, besonders unter jüngeren Menschen, und zugleich massive kulturelle Ressentiments in der Einwanderungsgesellschaft.
Der renommierte Migrationsforscher und Politikberater Klaus J. Bade beleuchtet Ursachen, Hintergründe und bedrohliche Folgen dieser paradoxen Spannung. Ihr Ergebnis ist eine gefährliche Ersatzdebatte anstelle der verdrängten Diskussion um die neue Identität in der Einwanderungsgesellschaft.
Das Buch beschreibt diese Ersatzdebatte als 'negative Integration': die Selbstvergewisserung der Mehrheit durch die Ausgrenzung einer großen - muslimischen - Minderheit. Die Politik verkennt die Brisanz dieser negativen Integration, solange sie 'Integrationspolitik' nicht als Gesellschaftspolitik für alle versteht.
Mit scharfem Blick identifiziert Bade Zusammenhänge von Wortgewalt und Tatgewalt am Beispiel antimultikulturell und antiislamisch motivierter Bluttaten aus jüngster Zeit: dem Breivik-Massaker in Norwegen und den Serienmorden des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) in Deutschland. Mit der Zunahme von Integrationserfolgen und der pragmatischen Akzeptanz kultureller Vielfalt sind in Deutschland auch aus kultureller Angst geborene fremdenfeindliche Abwehrhaltungen gewachsen, vor allem gegenüber dem Schreckgespenst Islam. Im Umgang mit den Themen Einwanderung, Integration und Islam ist ein kritischer Punkt erreicht.
Autorenporträt
Der Migrationsforscher, Publizist und Politikberater Prof. Dr. Klaus J. Bade lehrte bis 2007 Neueste Geschichte an der Universität Osnabrück und lebt seither in Berlin. Er war u.a. Begründer des Osnabrücker Instituts für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien (IMIS) und bis Mitte 2012 Gründungsvorsitzender des Sachverständigenrats deutscher Stiftungen für Integration und Migration (SVR) in Berlin. Bade war Fellow an den Universitäten Harvard und Oxford, an der Niederländischen Akademie der Wissenschaften sowie am Wissenschaftskolleg zu Berlin. Er hat zu Migration und Integration in Geschichte und Gegenwart viele Forschungsprojekte geleitet, einige Dutzend Bücher veröffentlicht und für sein Engagement in Forschung und kritischer Politikbegleitung diverse Auszeichnungen erhalten, zuletzt das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse (www.kjbade.de).
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 26.02.2013

Zuwanderer
unerwünscht
Der erfahrene Migrationsforscher Klaus Bade
legt eine erschütternde Bilanz vor
VON ROLAND PREUSS
Die Vortragsabende sind für Klaus Bade oft Abende, an denen er nur mit Personenschutz sprechen will. Es sind Abende, zu denen im Internet zum Stören aufgerufen wird. Dem „Volksverräter“ wird gedroht von Schreibern, die die Polizei leider nicht ermitteln kann. Die Erfahrungen des Historikers zeigen, wie hasserfüllt die Debatte um Migration in Deutschland vielerorts immer noch geführt wird, in einer Gesellschaft, in der auch Unionspolitiker längst für Einwanderung und Integration werben. Diese Erlebnisse erklären Thema und Duktus des Buches, das einer der renommiertesten Migrationsforscher nun vorlegt: „Kritik und Gewalt“ heißt es. Bade hat eine lesenswerte Abrechnung geschrieben, mit Islamkritikern, die er stets in Anführungszeichen setzt, mit der Sarrazin-Debatte und mit all den Hetzern auf Internetforen, die im Schutz der Anonymität ihren polemischen Mist ausschütten.
  Man muss wissen, dass der emeritierte Professor nie ein Naivling der Einwanderung war. Ein Bleiberecht für alle hat er nie propagiert; die Probleme, die sich aus der Zuwanderung ergeben, hat er nie kleingeredet. Es ging ihm schon vor Jahrzehnten um eine aktive Integrationspolitik und eine gesteuerte Zuwanderung, die viele Integrationskatastrophen vermieden hätte. Seit der Jahrtausendwende sah er endlich die Früchte seines jahrelangen Begehrens reifen, eine aktive Integrationspolitik – und eine wachsende Offenheit für Einwanderer. Doch der Abschluss des Jahrzehnts schien all dies wieder einzureißen – in der Debatte um Thilo Sarrazins Bestseller „Deutschland schafft sich ab“.
  Dieser nach Bade entscheidenden und zerstörerischen Zeit widmet sich sein Buch zuerst, wobei er auf eine weitere inhaltliche Kritik von Sarrazins Buch verzichtet – das haben andere bereits geleistet. Analysiert werden die Person, sein Denken und die Debatte, die er ausgelöst und damit weiteren Islamkritikern eine Plattform verschafft hat. Ein Kapitel widmet sich einem „Agitationskartell“ von Islamkritikern, der schon erwähnten Denunziation im Internet, bevor Bade den Bogen spannt zur Rolle mörderischer Zuwanderungsfeinde wie Anders Breivik und dem „Nationalsozialistischen Untergrund“ (NSU).
  Der Schrecken und der Ekel, den die Debatte bei dem Wissenschaftler hinterlassen hat, ist ihm deutlich anzumerken. Der wissenschaftliche Stil ist immer wieder angereichert durch in Sprache gekleideten Zorn. Das würzt den Text durchaus. Jetzt, da er nicht mehr Vorsitzender des Sachverständigenrates deutscher Stiftungen für Migration und Integration ist, kann er offensiver formulieren. Bade diagnostiziert einen Trümmerhaufen, den Sarrazin und seine publizistischen Gesinnungsgenossen hinterlassen hätten – und er kann das gut belegen. Die Zuversicht der Menschen, dass Integration gelingen werde, hat nachgelassen: Migranten erfuhren seither mehr Benachteiligung, wie eine Umfrage der Stiftung Zentrum für Türkeistudien zeigt. Selbst die vom Bundesinnenministerium in Auftrag gegebene Studie über Muslime in Deutschland legt dies nahe: Diejenigen ohne deutschen Pass wollen nun viel häufiger „die Kultur ihres Herkunftslandes bewahren“ (so die Frage) als vor der Debatte; die „Vorurteile gegenüber dem Westen“ nahmen ebenso zu wie der „Hass gegenüber dem Umgang der westlichen Welt mit dem Islam“.
  Bade macht nicht den Fehler, Sarrazins Feststellungen einfach vom Tisch zu wischen; der SPD-Politiker habe bekannte Probleme angesprochen, allerdings dabei polemisch überzogen, sodass eine konstruktive politische Auseinandersetzung nicht in Gang gekommen sei. Was bleibt, ist eine gegenseitige Entfremdung zwischen Einheimischen und Einwanderern aus muslimischen Ländern – das gilt auch für Anwälte, Forscher und andere, die sich längst als Angehörige der deutschen Gesellschaft gesehen haben und nicht als Muslime. Die Debatte habe großen Schaden angerichtet, schreibt Bade und macht bekannten Publizisten schwere Vorwürfe: Necla Kelek, Henryk M. Broder und Ralph Giordano seien „Wegbereiter des Islamhasses“; und ihre Argumente werden auf Hass-Foren aufgegriffen, die „Fahndungslisten“ posten und wo „Todesurteile“ gegen Politiker und Forscher verlangt werden. Bade fordert, diese antiislamischen Netzwerke endlich gesellschaftlich zu ächten.
  Warum aber fand die Sarrazin-Debatte derartige Resonanz? Hier wird Bade sehr soziologisch, sieht in der Diskussion eine „eskapistische Ersatzdebatte“, die die nötige Auseinandersetzung darüber umgangen habe, wie sich die Einwanderungsgesellschaft eigentlich verstehen will. Grob gesagt: Verunsicherte Einheimische grenzen sich gegenüber Muslimen ab, um sich ihrer selbst zu vergewissern. Auf die konkreten, besorgniserregenden Begleiterscheinungen der Zuwanderung wie gewaltbereite Islamisten, archaische Familienhierarchien oder Migranten-Machismo geht Bade nicht ein. Dieser Hintergrund der Debatte versinkt leider im Abstrakten. Das unterscheidet sein Buch von „Neukölln ist überall“ vom Berliner Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky, das von der Straße, von Anekdotischem lebt und bloß gelegentlich auf statistisches Material zurückgreift. Beide Seiten argumentieren ganz unterschiedlich. Und das ist schade, denn ein Aufeinanderprall ihrer Welten könnte durchaus erhellend sein.
Klaus J. Bade: Kritik und Gewalt. Sarrazin-Debatte, „Islamkritik“ und Terror in der Einwanderungsgesellschaft. Wochenschauverlag, Schwalbach 2013. 400 Seiten, 26,80 Euro.
Die Sarrazin-Debatte habe
einen Trümmerhaufen
hinterlassen
Schwere Vorwürfe
an bekannte Publizisten:
Sie schürten den Hass
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Mit erkennbarer Sympathie bespricht Roland Preuss dieses Buch von Klaus Bade, den er als Migrationsforscher sehr schätzt und auch als Autor, der voller "Schrecken und Ekel" die Debatte Thilo Sarrazins Buch "Deutschland schafft sich ab" bilanziert. Dabei setzt Bade Islamkritiker wie  Necla Kelek, Henryk M. Broder oder Ralph Giordano nicht nur in Anführungszeichen, sondern sieht in ihnen ein regelrechtes Agitationskartell, von dem Bade laut Rezensent den Bogen zu Anders Breivik spanne und sogar zu den zeitlich vorangegangenen Morden der NSU. Zwar bedauert Preuss etwas, dass Bade nicht die problematischen Seiten der Zuwanderung zur Sprache bringt, aber gravierend findet er dies nicht.

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