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Fast zehn Jahre lang - von 2002 bis 2011 - regierte die PDS, später DIE LINKE die Bundeshauptstadt in einer rot-roten Koalition. Die rot-rote Regierung fand denkbar schwierige Ausgangsbedingungen vor: den Crash der Bankgesellschaft Berlin, eine dramatische Krise des öffentlichen Haushalts, nicht überwundene Ost-West-Gegensätze in der ehemals geteilten Stadt, einen subventionsgetriebenen Westberliner Klientelismus.Der Autor vollzieht die Entstehungsbedingungen einer bis dahin in der 'Frontstadt des Kalten Krieges' undenkbaren Koalition nach und skizziert das Zustandekommen und die Hintergründe…mehr

Produktbeschreibung
Fast zehn Jahre lang - von 2002 bis 2011 - regierte die PDS, später DIE LINKE die Bundeshauptstadt in einer rot-roten Koalition. Die rot-rote Regierung fand denkbar schwierige Ausgangsbedingungen vor: den Crash der Bankgesellschaft Berlin, eine dramatische Krise des öffentlichen Haushalts, nicht überwundene Ost-West-Gegensätze in der ehemals geteilten Stadt, einen subventionsgetriebenen Westberliner Klientelismus.Der Autor vollzieht die Entstehungsbedingungen einer bis dahin in der 'Frontstadt des Kalten Krieges' undenkbaren Koalition nach und skizziert das Zustandekommen und die Hintergründe der oft heftig umstrittenen politischen Entscheidungen, mit denen die wirtschaftliche und finanzielle Krise der Stadt bewältigt werden sollte.Politische Fehlentscheidungen werden ebenso benannt wie Erfolge der linken Regierungsbeteiligung. Dabei geht er auch der Frage nach, welche Rolle gesellschaftliche Kräfteverhältnisse, Interessengruppen und die öffentliche Meinung beim Zustandekommen politischer Entscheidungen spielen. Auch die Mechanismen einer Koalitionsregierung und die Auswirkungen einer Regierungsbeteiligung auf die Parteiorganisation und ihre Mobilisierungsfähigkeit werden kritisch beleuchtet.Sein Buch versteht Harald Wolf als Beitrag zu einer rationalen Diskussion über linke Regierungsbeteiligungen, die Risiken und Nebenwirkungen ebenso zur Kenntnis nimmt wie die Chancen.
Autorenporträt
Harald Wolf ist seit 1991 Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses. Von 1995 bis 2002 war er Vorsitzender der PDS-Fraktion, im Sommer 2002 folgte er Gregor Gysi nach dessen Rücktritt im Amt des Wirtschaftssenators nach und wurde Stellvertreter des Regierenden Bürgermeisters. Seit dem Ende der rot-roten Koalition im November 2011 ist er verkehrs- und energiepolitischer Sprecher der Fraktion. Er ist zudem Mitglied des Parteivorstands der Partei DIE LINKE.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 21.06.2016

Im Kabinett ist es nicht nett
Linkspartei-Koalitionen

Für die Linkspartei sollte 2016 ein gutes Jahr werden: Endlich in die Landtage von Mainz und Stuttgart einziehen (dass es im Freistaat Bayern lange dauern wird, sich parlamentarisch zu etablieren, gilt unausgesprochen als ausgemachte Sache), dann in Magdeburg eine rot-rote oder rot-rot-grüne Regierung unter der Führung der Linkspartei bilden und im September, in Schwerin und Berlin, so gut aus den Wahlen hervortreten, dass eine Regierungsbildung ohne Linkspartei nicht möglich sein wird. Bei den "Märzwahlen", wie das Unglück inzwischen genannt wird, ging für die Linkspartei schief, was nur schiefgehen kann. Zwei Bücher, die als Vorbereitungskurse auf das geplante Erfolgsprogramm genutzt werden sollten, landen so, noch ehe das Jahr zu Ende geht, auf dem Brett für zeithistorische Literatur. "Rot-Rot in Berlin" von Harald Wolf verspricht eine "(selbst-)kritische Bilanz" der zehn Berliner Regierungsjahre, und das ist nicht übertrieben. Wolf war Fraktionsvorsitzender der PDS im Abgeordnetenhaus und Nachfolger von Gregor Gysi als Wirtschaftssenator und Bürgermeister von Berlin. Gysi hatte zwar im Wahlkampf 2001 eine dicke Lippe riskiert - "Bei der Bildung packen wir noch was drauf" -, nutzte aber nach wenigen Monaten im Amt die erstbeste Gelegenheit für einen Rücktritt. Und so wurde es Wolf, der diese Innensicht auf die Jahre mit der SPD schreiben konnte.

Den zweiten gravierenden Fehler, den Wolf nennt, begingen PDS und SPD gemeinsam: Sie hätten nicht "mit der notwendigen Deutlichkeit die Sanierungserfordernisse des Landeshaushalts angesprochen". Das ließ der Wählerschaft die Möglichkeit, zu behaupten, mit mehr gutem Willen sei es auch ohne "Sozialabbau" gegangen. Die eingesparte Summe von acht Millionen Euro im Jahr sei den Ärger mit den Betroffenen über die Kürzung des Blindengeldes nicht wert gewesen. Wem staatliche Leistungen gekürzt würden, dem sei es schließlich egal, wenn diese selbst nach der Kürzung noch höher lägen als anderswo: "Die Erwartungen an eine linke Partei gehen über eine Bewahrung des Status quo hinaus." Die PDS aber habe Handlungsspielräume suggeriert, "die so nicht existierten". Zustimmend zitiert Wolf aus einem Buch über die Grünen den Satz, Regieren sei in der Regel ein systematisches Enttäuschen von Erwartungen, die man selbst aus der Opposition heraus geschaffen habe - und derentwegen man gewählt worden sei. Künftigen "Regierungslinken" gibt er den Auftrag mit, "klug und bewusst" eine Arbeitsteilung zwischen der "Partei im Staatsapparat" und der "Partei außerhalb des Staatsapparats" zu vereinbaren.

"Regieren ist kein Selbstzweck", schreibt der Thüringer Ministerpräsident Bodo Ramelow in der Aufsatzsammlung "Mit Links regieren?" Und er fügt hinzu: "Nicht Regieren ist auch kein Selbstzweck." Mit 28,2 Prozent der Stimmen in der Landtagswahl 2014 und einem sorgsam gepflegten Einvernehmen zwischen Linkspartei, SPD und Grünen liegt die Beobachtung der Partei- und Fraktionsvorsitzenden Susanne Hennig-Wellsow nahe, nach der "die Zeit reif" gewesen sei. Der langjährige Berliner Staatssekretär Benjamin-Immanuel Hoff, der Ramelows Kulturminister und Chef der Staatskanzlei ist, analysiert das "Erfolgreiche Experiment im Parteienlabor". Hoff, der schon bei den - gescheiterten - Koalitionsverhandlungen 2009 in Erfurt dabei war, betont die Rolle des "Vertrauens auf allen Seiten". Wichtig sei, dass Koalitionspartner den anderen auch mal Erfolge "gönnen können" - Hoff hat gut großzügig sein: In Thüringen ist die Linkspartei stark genug, um SPD und Grünen Luft zum Atmen zu lassen.

"Bis 2009 war man es gewohnt, stets Die Linke beziehungsweise zuvor die PDS als Partner zu haben, wo immer sich der Bürgerwille regte", schreibt Thomas Falkner, Mitarbeiter des Fraktionsvorstands im Potsdamer Landtag. Als Regierungspartei aber habe man "auch ungeliebte Kompromisse offensiv zu vertreten". Falkner betont, wie gut Partei, Fraktion und Minister zusammenarbeiten müssen, um Erfolge zu erzielen - und zu vertreten. Die Partei, gibt er zu bedenken, dürfe in ihrer "Politik nicht eingeengt werden auf das Jetzt und auf die Interessen und die Kultur der derzeitigen Anhängerschaft".

Linke, regierungsabgeneigte Linke reden vom Regieren wie die sprichwörtlichen Blinden von der Farbe: "Das Handeln von Regierungen hängt meist nicht in erster Linie von der Programmatik der Regierungsparteien ab, sondern ist ein Ausdruck der Kräfteverhältnisse im Klassenkampf." In Jean de La Fontaines Fabeln sind das "saure Trauben". Janine Wissler erklärte so, warum 2008 und 2013 "Rot-Rot-Grün in Hessen scheiterte".

MECHTHILD KÜPPER.

Harald Wolf: Rot-Rot in Berlin. 2002 bis 2011: eine (selbst-)kritische Bilanz. Verlag VSA, Hamburg 2015. 326 S., 16,80 [Euro].

Susanne Hennig-Wellsow (Herausgeberin): Mit Links regieren? Wie Rot-Rot-Grün in Thüringen geht. Verlag VSA, Hamburg 2015. 206 S., 16,80 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Mechthild Küpper bezeichnet Harald Wolfs Buch als zeithistorische Literatur und kritische Bilanz von zehn Berliner Regierungsjahren. Als ehemaliger PDS-Mann und Gysi-Nachfolger scheint ihr der Mann geeignet, eine Innensicht von Rot-Rot zu liefern und Fehler zu benennen, etwa den umstrittenen Sozialabbau unter Rot-Rot. Laut Küpper entsteht so eine Art Vorbereitungskurs für eine mögliche neue Erfolgsgeschichte der Linkspartei.

© Perlentaucher Medien GmbH