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Produktdetails
  • Verlag: Verlag am Park / edition ost
  • Seitenzahl: 324
  • Erscheinungstermin: November 2008
  • Deutsch
  • Abmessung: 210mm
  • Gewicht: 352g
  • ISBN-13: 9783897930452
  • ISBN-10: 3897930455
  • Artikelnr.: 11969611
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.04.2005

Sicheres Ausbildungsgebiet
Die deutsche Kriegsmarine, die Ostsee und das "Unternehmen Barbarossa"

Horst Steigleder: Die Kriegsmarine und der Ostfeldzug 1939-1945. Verlag am Park, Berlin 2004. 324 Seiten, 17,50 [Euro].

Über die deutsche Seekriegsführung im Zweiten Weltkrieg liegen zahlreiche wissenschaftliche und populärhistorische Darstellungen vor. Dabei werden zwei Seekriegsschauplätze kaum berücksichtigt: die Ostsee und das Schwarze Meer. Bei der Ostsee beschränken sich die Darstellungen meist auf die letzten Kriegswochen 1945, als sich die Aktivitäten der Kriegsmarine auf die Unterstützung des Heeres und auf Transportaufgaben konzentrierten. Bis 1944 war die Ostsee für die Kriegsmarine ein weitgehend sicheres Seegebiet, das in großen Teilen außerhalb der Reichweite der alliierten Bomberverbände lag und damit für die Erprobung und Ausbildung fast aller Seestreitkräfte genügend freien Seeraum bot. Dies galt besonders für die Gefechtsausbildung der U-Boote bei simulierten Konvoioperationen. Es ist daher verdienstvoll, wenn ein Marinehistoriker die Bedeutung dieser beiden Randmeere für die deutsche Seekriegsführung näher untersucht. Der Autor, Jahrgang 1930 und promovierter Kapitän zur See der DDR-Volksmarine, scheint dafür prädestiniert zu sein, zumal er von 1955 bis 1959 an der Militärpolitischen Akademie in Moskau studiert und an der NVA-Militärakademie in Dresden gelehrt hat.

Nicht ohne Stolz weist Steigleder darauf hin, daß er im Unterschied zu älteren Autoren nicht nur Originaldokumente aus dem Archiv der ehemaligen Sowjetflotte auswerten, sondern nach 1990 auch den Fundus des Militärarchivs in Freiburg nutzen konnte. Doch dieser Hinweis gibt ein unzutreffendes Bild, denn aus den Anmerkungen zu den einzelnen Kapiteln und aus dem Quellen- und Literaturverzeichnis geht hervor, daß geschlossene Aktenbestände nicht systematisch, sondern nur sehr punktuell ausgewertet wurden. Aus russischen Archiven standen ihm überhaupt nur 15 bislang unveröffentlichte Einzeldokumente zur Verfügung, die sich auf 1941 beschränken; Hinweise auf Akten aus den Jahren 1942 bis 1945 fehlen. Unverständlich bleibt die Tatsache, daß es dem Autor nicht möglich gewesen sein soll, grundlegende Quelleneditionen und Forschungsergebnisse zur deutschen Marineführung im Zweiten Weltkrieg heranzuziehen. Die umfangreiche Edition des Kriegstagebuches der deutschen Seekriegsleitung (Teil A) bleibt ebenso unberücksichtigt wie das Reihenwerk des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes über den Zweiten Weltkrieg.

Die Darstellung beginnt mit einem Rückblick auf die Entwicklung der Marine von 1919 bis 1941, um dann Aufgaben und Vorbereitungen für das "Unternehmen Barbarossa" vorzustellen. Schon aus der Einteilung des Bandes wird deutlich, daß der Kriegsbeginn 1939 und die Errichtung der deutschen Hegemonie auf dem europäischen Kontinent in ihren Dimensionen kaum herausgearbeitet werden. So fehlt auch der Hinweis auf den Hitler-Stalin-Pakt vom August 1939, der erst eine strategische Voraussetzung des Krieges geschaffen hatte. In dieser Hinsicht bleibt der Autor nur konsequent, wenn er die Beteiligung der Sowjetunion an der Aufteilung Polens ebenso verschweigt wie die Einverleibung der baltischen Staaten, die der sowjetischen Kriegsmarine in der Ostsee eine erhebliche Verbesserung der geographischen Ausgangslage brachte. Am Beispiel Finnlands wird deutlich, wie tief der Autor in seinen traditionellen Denkstrukturen verharrt. Mit keinem Wort wird die sowjetische Machtpolitik erwähnt, die im November 1939 den Krieg mit Finnland gezielt herbeigeführt hatte. Ebenso bleibt unklar, warum Moskau 1940 so bereitwillig die deutsche Seekriegsführung durch geheime Versorgungsbasen im Nordmeer und durch die Nutzung des sibirischen Seeweges unterstützte.

Das Kapitel über die "Entwicklung der Sowjetflotte 1918 bis 1941" bringt einige Informationen über den Aufbau der Flotte nach dem Ersten Weltkrieg, bleibt allerdings in der Bewertung der im Sommer 1941 verfügbaren sowjetischen Seekriegsmittel recht allgemein. Steigleder erwähnt die Kontakte zur Reichsmarine vor 1933 und weist darauf hin, daß sich die Marineleitung unter Admiral Hans Zenker damit schwergetan habe. Doch die Aussage, Zenker habe die weitere Zusammenarbeit verhindert, trifft in dieser Form nicht zu. Vielmehr gab er nur die Weisung, bei den weiteren Kontakten vorsichtig zu sein und keine weitere Initiative zu ergreifen. Selbst nach seinem Rücktritt blieb die Marineleitung unter Erich Raeder flexibel genug, um den Kontakt nicht abreißen zu lassen. Im Frühjahr 1930 zum Beispiel besichtigte der Befehlshaber der russischen Schwarzmeerflotte, Admiral Orlow, auf Einladung der Marineleitung Werften in Kiel und Wilhelmshaven. Dabei wurden ihm Details gezeigt, die bis dahin noch keine ausländische Delegation und kein Militärattaché zu sehen bekommen hatten, zum Beispiel das in Bau befindliche Panzerschiff A und moderne Feuerleitanlagen.

Sehr zu begrüßen sind die klaren Worte, mit denen der Autor die Vernichtungsorgie Stalins in den Streitkräften ab 1937 offen anspricht und bewertet: Die große Mehrheit der Kommandeure sei entweder willkürlich exekutiert worden oder in Straflagern zugrunde gegangen. Die Marine war ebenso davon betroffen: führende Admirale, so auch Orlow, wurden liquidiert und mehr als 3000 Offiziere suspendiert. Dieser personelle Aderlaß hatte gravierende Auswirkungen auf die Kampfkraft der sowjetischen Marine im Sommer 1941. Sie war weit davon entfernt, der Kriegsmarine als ebenbürtiger Gegner gewachsen zu sein. Detailliert werden die Fehler und Versäumnisse der sowjetischen Marineführung bei der Vorbereitung von Abwehrmaßnahmen beschrieben, obwohl es deutliche Warnsignale gegeben hatte. Die Folge waren große Verluste in den ersten Kriegstagen. In den letzten beiden Kapiteln, die sich mit den Auswirkungen des Scheiterns des Ostfeldzuges auf die Ostseekriegsführung bis Anfang 1942 und ganz allgemein mit der deutschen Seekriegsführung vom Sommer 1941 bis Mai 1945 befassen, macht Steigleder überzeugend deutlich, wie stark die Seekriegsführung im Atlantik abhängig war von dem weitgehend sicheren Ausbildungsgebiet Ostsee.

Leider springt die Darstellung mit vielen Details oft hin und her. Sie ist auch nicht frei von Fehlern. Die Diktion des Autors ist oft schwer verständlich, zum Beispiel ist das Wort "Umbasierungsmaßnahmen" für die Verlegung von Streitkräften gewöhnungsbedürftig. Manche verlustreichen Rückzugsoperationen der Sowjets, wie die Evakuierung des Stützpunktes Hangö im November 1941, werden als Erfolg stilisiert, obwohl dabei sehr hohe Personal- und Materialverluste eingetreten waren. Die Ereignisse im Schwarzen Meer werden nur am Rande behandelt. Insgesamt entsteht von der deutschen Marineführung und den Seekriegsereignissen ein recht holzschnittartiges Bild, dessen Grundstrukturen wohl noch aus den Dresdener Vorlesungen des Autors stammen könnten. Die Ausstattung des Bandes ist dürftig und geht zu Lasten des Verlages, der das Manuskript offensichtlich ohne Lektorat und ohne abschließenden Korrekturgang hastig herausgebracht zu haben scheint. Bilder, Karten und Graphiken sind von einer so schlechten Qualität, daß Einzelheiten kaum zu erkennen und Texte oft nicht zu entziffern sind. Ein Personenregister fehlt.

WERNER RAHN

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Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension

Einiges zu beanstanden hat Rezensent Werner Rahn bei Horst Steigleders Arbeit über die deutsche Kriegsmarine und den Ostfeldzug 1939-1945. So kritisiert er unter anderem, dass der Kriegsbeginn 1939 und die Errichtung der deutschen Hegemonie auf dem europäischen Kontinent in ihren Dimensionen unterbelichtet bleiben, dass ein Hinweis auf den Hitler-Stalin-Pakt fehlt, dass nicht auf die sowjetische Machtpolitik eingegangen wird, die im November 1939 den Krieg mit Finnland herbeigeführt hatte, und dass das Kapitel über die "Entwicklung der Sowjetflotte 1918 bis 1941" in "recht allgemein" bleibt. Positiv wertet Rahn dagegen Steigleders "klaren Worte" über Vernichtungsorgie Stalins in den Streitkräften ab 1937. Er tadelt wiederum, dass die Darstellung mit vielen Details oft hin und her springe. Zudem moniert er die Diktion Steigleders als oft "schwer verständlich". Die Ausstattung des Bandes empfindet er als "dürftig", die Qualität von Bildern, Karten und Graphiken als "schlecht". Das Resümee des Rezensenten: "Insgesamt entsteht von der deutschen Marineführung und den Seekriegsereignissen ein recht holzschnittartiges Bild".

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